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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 481/07 OLG Hamm

Leitsatz: Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot bedarf einer eingehenden Begründung und ist mit ausreichenden Tatsachen zu belegen.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot; Absehen; Begründung der Entscheidung; Anforderungen;

Normen: StPO 267

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen S.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 30. März 2007 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 08. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h zu einer Geldbuße von 200,00 € verurteilt und sogleich von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

„Bei der Zumessung der Rechtsfolgen für diese Tat ist das Gericht von
der lfd. Nr. 11.3.6 BkatV ausgegangen. Diese sieht für eine Geschwindig-
keitsüberschreitung von 35 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften
ein Bußgeld in Höhe von 100,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat
vor.

Das Gericht hat hier von dem Regelfall eines Fahrverbots von einem Monat
abgesehen, da sich aus der Vielzahl einzelner und für sich genommenen
gewöhnlicher Umstände eine besondere Härte aus dem Fahrverbot für den
Betroffenen ergeben würde.

Aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 27.02.2007 ergibt sich, dass
der Betroffene die Arbeitszeiten einhalten muss, da er als Vorarbeiter tätig
ist. Auch wenn dieses Schreiben eine Konsequenz nicht ausdrücklich vor-
sieht, ist doch ersichtlich, dass es nicht toleriert würde, wenn der Betroffene
über einen Monat hinweg regelmäßig zu spät kommt. Der Betroffene müsste
dann mit seiner Kündigung rechnen.

Der Betroffene hat weder die Möglichkeit sich fahren zu lassen, da weder
die Ehefrau noch Arbeitskollegen dazu bereit und in der Lage sind. Ein Taxi
zu nehmen, ist dem Betroffenen nicht zumutbar. Die mindestens anfallenden
Kosten in Höhe von 360,00 € übersteigen den Betrag des doppelten Buß-
geldes erheblich. Das doppelte Bußgeld in Höhe von 200,00 € ist bei einem
Absehen vom Fahrverbot hier auch angemessen, da der Betroffene noch
keine Eintragungen im Verkehrszentralregister hat.

Mit einem Nettoeinkommen von etwa 1.400,00 € bis 1.500,00 € ist es dem
Betroffenen nicht zumutbar einen Fahrer einzustellen.

Die einstündige Fahrt mit dem Fahrrad ist dem Betroffenen ebenfalls nicht
zuzumuten, da die Strecke über eine unbeleuchtete Landstraße durch den
Wald führt. Der Betroffene müsste diese Strecke morgens vor 6.00 Uhr und
abends nach 23.30 Uhr befahren. Zu dieser Zeit ist es dunkel. Es besteht
daher für den Betroffenen sowohl die Gefahr, dass ihm ein Unfall zustößt als
auch die Gefahr, Opfer eines Verbrechens zu werden. Für einen solchen Fall
könnte der Betroffene sich nicht einmal helfen, da er auf der Strecke keinen
Handyempfang hat.

Auch Urlaub kann der Betroffene über die gesamte Zeit nicht nehmen, da er
nach Auskunft des Arbeitgebers lediglich 10 Tage Urlaub erhält.

Die Erhöhung der Geldbuße gem. § 4 Abs. 4 der BkatV um 100,00 € auf ins-
gesamt 200,00 € ist aus den oben genannten Gründen hier als angemessen
anzusehen.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, mit der sie eine Verletzung materiellen Rechts rügt und sich insbesondere gegen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots wendet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und ist dieser Rechtsbeschwerde beigetreten.

II.
Die zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde führt zur einer Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch.
Die Entscheidung des Amtsgerichts über das Absehen von der Verhängung einer Fahrverbots hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu folgendes ausgeführt:

„Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gem. § 4 Abs. 1 S. 1 BkatV bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 1 S. 1 StVG regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots von einem Monat. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung eines Regeltatbestandes der Bußgeldkatalogverordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (zu vgl. BGH NZV 1992, 286 (287)). Dem Tatrichter ist insoweit jedoch kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen eingeräumt, sonder der ihm verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnitts- oder Regelfalles, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.11.2003 – 3 SsOWi 951/01 –und vom 22.08.2002 – 3 SsOWi 620/02 -). Zwar kann von der Verhängung eines gem. § 4 Abs. 1 S. 1 BkatV indizierten Regelfahrverbots ausnahmsweise – gegebenenfalls unter Erhöhung der Regelgeldbuße – abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl gewöhnlicher Umstände vorliegen, die es unangemessen erscheinen lassen, den Betroffenen trotz des groben bzw. beharrlichen Pflichtverstoßes mit einem Fahrverbot zu belegen (zu vgl. BGH St, 38, 125, 134; Senatsbeschluss vom 04.03.2003 – 4 SsOWi 164/03 -). Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot bedarf aber einer eingehenden Begründung und ist mit ausreichenden Tatsachen zu belegen (zu vgl. Senatsbeschlüsse vom 08.03.2007 – 4 SsOWi 739/06 – und vom 09.03.2004 – 4 SsOWi 145/04 – m. w. N.). Diese darf sich insbesondere nicht in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen. Deshalb hat das Amtsgericht eine auf überprüfbare Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung abzugeben, aus welchen Gründen es vom Regelfahrverbot abgesehen hat.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Es war schon rechtsfehlerhaft, dass das Amtsgericht die entsprechenden Angaben des Betroffenen, die durch bloßes Schreiben seiner Arbeitgeberin nicht bestätigt werden können, zur Grundlage der Entscheidung gemacht hat. Allein die Möglichkeit der Kündigung ohne nähere Feststellungen zu deren Wahrscheinlichkeit und arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit vermögen ein Absehen von einem regelmäßig zu verhängenden Fahrverbot nicht zu begründen (zu vgl. OLG Hamm, 3 SsOWi 717/05, m. w. N.). Zu den Ermittlungen gehört auch, ob der Betroffene mittels eines von ihm eingestellten Fahrers seine Aufgaben erfüllen kann. Die Rechtsprechung geht von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit eines entsprechenden finanziellen Aufwandes – notfalls unter Kreditaufnahme – aus, wenn der Betroffene – wie hier – in geregelten finanziellen Verhältnissen lebt (zu vgl. OLG Hamm, 3 SsOWi 610/05; BayObLG NZV 2002, 143).

Die aufgezeigten Begründungsmängel führen zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch, da zwischen der verhängten Geldbuße und dem Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht. Eine Entscheidung des Senats gem. § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil zu den Folgen des Fahrverbots für den Betroffenen weitere Feststellungen zu treffen sind.“

Diesen zutreffenden Ausführungen, die auf der ständigen Rechtsprechung des Senats basieren, schließt der Senat sich an.



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