Aktenzeichen: 3 Ss OWi 444/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung, wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zulassen. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Beweiswürdigung; Fehler; Lückenhaftigkeit; |
Normen: StPO 267 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen W.W. wegen Ordnungswidrigkeit Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 13.03.2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 09. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gem. § 80a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen. Gründe I. Das AG Gütersloh hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 375 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten, unter Gewährung der Viermonatsfrist gem. § 25 Abs. 2a StVG ,angeordnet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 27.04.2005 als Führer eines PKW die B61 in Rheda-Wiedenbrück in Fahrtrichtung Lippstadt. Bei Stationskilometer 3,15 wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort auf 90 km/h, bei Stationskilometer 2,75 auf 70 km/h jeweils durch Zeichen 274 gem. § 41 Abs. 2 StVO beschränkt. Etwa 60 Meter hinter der Beschränkung auf 70 km/h fuhr der Betroffene noch mit einer dort gemessenen Geschwindigkeit (unter Berücksichtigung des Toleranzabzuges) von mindestens 151 km/h. Im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer hat das Amtsgericht ein Fahrverbot von nur zwei Monaten für angemessen erachtet. Für ein Abweichen vom Bußgeldregelsatz hat es keinen Anlass gesehen. II. Die zulässig erhobene und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht. 1. Die den Feststellungen zu Grunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist. Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung, wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zulassen (vgl BGH NStZ-RR 2004, 116, 117; NStZ-RR 2005, 147 f; NStZ-RR 2006, 243, 244; Meyer-Goßner § 337 Rdn. 29). Ob allein schon die fehlende Angabe, worauf die Feststellungen zur Entfernung zwischen Messeinrichtung und Fahrzeug des Betroffenen (etwa 339 Meter vor der Messeinrichtung, also bei km 2,689,61) und damit die genaue Ortsangabe des Fahrzeugs des Betroffenen zum Zeitpunkt der Messung (schon in dem Bereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt ist) beruhen, eine einen Rechtsfehler begründende Lücke in der Beweiswürdigung darstellt, kann hier dahinstehen. Jedenfalls aus dem Urteil und dem vom Rechtsbeschwerdegericht als Verfahrensvoraussetzung (vgl. Göhler OWiG § 66 Rdn. 38) von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Bußgeldbescheid ergeben sich vorliegend weitere Umstände, die eine nähere Beweiswürdigung zum genauen Messpunkt erforderlich gemacht hätten, die aber im angefochtenen Urteil fehlt. So wird im Urteil die Aussage des an der Messung beteiligten Zeugen H. wie folgt wiedergegeben: Er habe für die Messung angeordnet, dass auch bei Messungen im Geschwindigkeitsbereich 70 nur die Überschreitungen vorgeworfen werden sollten, die bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h zu ahnden gewesen wären. Der Grund dafür läge darin, dass die Messung nur von einer kleinen Besetzung durchgeführt worden sei und man deshalb nicht zwischen Geschwindigkeitsüberschreitungen in der 70er und in der 90er Zone habe unterscheiden wollen. Aus dieser Aussage lässt sich zwar nicht wie die Rechtsbeschwerde meint ableiten, dass die Messstelle nicht ordnungsgemäß eingerichtet worden ist. Im Hinblick auf diese Aussage hätte es aber näherer Darlegung im Rahmen der Beweiswürdigung bedurft, wie das Amtsgericht zu der genauen Feststellung des Messpunktes gelangt ist, und dass es angesichts der knappen Distanz zu dem Bereich, in dem noch eine Geschwindigkeit von 90 km/h erlaubt war ausschließen kann, dass das Fahrzeug des Betroffenen sich noch in dieser Geschwindigkeitszone befand, als die Messung stattfand. Auch im Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Gütersloh vom 18.05.2005 heisst es schließlich: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 61 km/h. Zulässige Geschwindigkeit 90 km/h. Die angefochtene Entscheidung war daher da sie auch auf dem Rechtsfehler beruht (bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um nur 61 km/h wäre von einem niedrigeren Bußgeldregelsatz und einem niedrigeren Regelfahrverbot auszugehen gewesen) gem. § 79 Abs. 6 OWiG iVm. § 354 Abs. 2 StPO aufzuheben und an das Amtsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Für eine Zurückverweisung an eine andere für Bußgeldsachen zuständige Abteilung des Amtsgerichts sah der Senat keinen Anlass. Eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 79 Abs. 6 OWiG, die grundsätzlich Vorrang vor einer Zurückverweisung hat, schied hier aus. Eine solche ist grundsätzlich nur auf der Grundlage von vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen möglich (OLG Schleswig, Beschl. v. 13.02.2004 1 Ss OWi 13/04; OLG Schleswig Beschl. v. 24.11.2005 2 Ss OWi 196/05). Der Senat hat erwogen, ob hier eine eigene Sachentscheidung aufgrund einer eventuell rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung jedenfalls höchstens zulässiger 90 km/h um 61 km/h möglich ist. Das wäre aber allenfalls dann möglich gewesen, wenn man hätte ausschließen können, dass rechtsfehlerfrei zu treffende Feststellungen zum genauen Messpunkt noch möglich sind und deswegen in dubio pro reo davon auszugehen gewesen wäre, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung in der 90 km/h-Zone und nicht in der 70 km/h-Zone stattgefunden hat. Dies vermag der Senat indes aufgrund der ihm rechtlich zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht abschließend zu beurteilen. Auch der lange Zeitablauf allein lässt nicht zwangsläufig auf eine weitere Unaufklärbarkeit schließen. 2. Der Senat weist darauf hin, dass jedenfalls bei Geldbußen von mehr als 250 Euro regelmäßig Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erforderlich sind (OLG Düsseldorf NZV 2000, 425, 426; Göhler OWiG § 17 Rdn. 24; König/Seitz DAR 2007, 361, 366). |
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