Aktenzeichen: 2 Ws 253 u. 254/07 OLG Hamm |
Leitsatz: In der Regel ist geboten, sich, wenn ein Bewährungswiderruf auf eine neue, zur Bewährung ausgesetzte Tat gestützt werden soll, hinsichtlich der Sozialprognose wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten der Beurteilung des die neue Straftat aburteilenden Gerichts anzuschließen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Entscheidung des neuen Urteils nicht nachvollziehbar, nicht überzeugend oder nur formelhaft bzw. schematisch begründet ist. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Bewährungswiderruf; neue Straftat; Strafaussetzung zur Bewährung; Anschluss Tatgericht; |
Normen: StGB 56 f |
Beschluss: Strafsache gegen W.M wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a., (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich zweier Strafreste). Auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 16. Juli 2007 und 17. Juli 2007 gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 09. Juli 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 09. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten beschlossen: Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben. Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 18. März 1999 in Verbindung mit dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 24.07.2002 sowie die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 06. Juli 2000 in Verbindung mit dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 24.07.2002 werden widerrufen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte. Gründe: Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 18. März 1999 (AZ: 32 Ds 81 Js 1513/98) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Die Bewährung wurde widerrufen und nach Verbüßung von 2/3 dieser Strafe wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 24. Juli 2002 die Vollstreckung des Strafrestes für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilte ist ferner durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 06. Juli 2000 (AZ: 50 KLs 152 Js 339/00) wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 253 Fällen, davon in vier Fällen mit nicht geringen Mengen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Nach Verbüßung von 2/3 dieser Strafe wurde durch Beschluss der StrafvollstreckungsKammer des Landgerichts Bochum vom 24. Juli 2002 die Vollstreckung des Strafrestes für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Durch weiteren Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 07. September 2005 wurden die Bewährungszeiten jeweils um ein Jahr verlängert, weil der Verurteilte zwischenzeitlich durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 04. Februar 2004 wegen Urkundenfälschung (Tatzeit Juli 2003) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung, durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn vom 24. November 2004 wegen Beleidigung (Tatzeit: 19. Juni 2004) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen sowie durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 18. April 2005 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit: 15. Januar 2005) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten mit Strafaus-setzung zur Bewährung verurteilt worden war. Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem Beschluss ausgeführt, der Verurteilte werde mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass dies nunmehr die letzte Chance sei, sich zu bewähren, und er bei weiterem, selbst bei geringfügigem Fehlverhalten mit Milde nicht mehr werde rechnen können. Der Widerruf der Strafaussetzung sei dann unumgänglich. Der Verurteilte ist dennoch in der Folgezeit erneut straffällig geworden. Am 25. Januar 2006 verhängte das Amtsgericht Duisburg daraufhin gegen ihn wegen Diebstahls (Tatzeit: 15. Dezember 2005) durch Strafbefehl eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Ferner wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 21. Dezember 2006 wiederum wegen Diebstahls (Tatzeit: 14. Juli 2006) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. In dem abgekürzten Urteil ist die Strafaussetzung wie folgt begründet worden: Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden, da das Gericht eine positive Sozialprognose stellen konnte. Denn der Angeklagte hat jetzt wieder eine Arbeitsstelle und Einkommen. Durch die nunmehr angefochtenen Beschlüsse vom 09. Juli 2007 hat die Strafvollstreckungskammer die Anträge der Staatsanwaltschaft Duisburg auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in den vorliegenden Verfahren abgelehnt und stattdessen die Bewährungszeit nochmals jeweils um ein weiteres Jahr verlängert. Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer sich auf die erneute Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 21. Dezember 2006 berufen und sich der dort gestellten günstigen Prognose angeschlossen. Die hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft sind zulässig (vgl. hierzu OLG Hamm, NStZ 1988, 291) und führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zum Widerruf der Strafaussetzung. Angesichts der Gesamtumstände war die Strafaussetzung zur Bewährung nämlich nunmehr zu widerrufen. Der Verurteilte hat durch die erneuten Straftaten vom 14. Dezember 2005 und 14. Juli 2006 nicht nur gezeigt, dass die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung sich nicht erfüllt hat, wovon allerdings auch die Strafvollstreckungskammer ausgegangen ist, sondern es kommen angesichts einer ungünstigen Sozialprognose mildere Maßnahmen als der Widerruf gemäß § 56 f Abs. 2 StGB nun nicht mehr in Betracht. Ein anderes Ergebnis wird insbesondere nicht dadurch begründet, dass dem Verurteilten durch das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 21. Dezember 2006 erneut Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden ist. Zwar ist es in der Regel geboten, sich hinsichtlich der Sozialprognose wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten der Beurteilung des die neue Straftat aburteilenden Gerichts anzuschließen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Entscheidung des neuen Urteils nicht nachvollziehbar, nicht überzeugend oder nur formelhaft bzw. schematisch begründet ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 56 f Rdnr. 8 b m.w.N.; vgl. auch OLG Düsseldorf, NZV 1998, 163). Dies ist hier der Fall, weil das Amtsgericht lediglich formelhaft ausgeführt hat, das Gericht habe eine positive Sozialprognose stellen können, da der Angeklagte jetzt wieder eine Arbeitsstelle und Einkommen habe. Dem hat sich die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht ohne weiteres mit dem Bemerken angeschlossen, sie könne sich über die Prognoseentscheidung des letzten erkennenden Gerichts nicht hinwegsetzen, zumal er (der Verurteilte) einer Arbeitstätigkeit nachgehe, Kontakt zu seiner Bewährungshelferin halte und sich inzwischen um eine psychologische Behandlung bemühe. Der Widerruf der Reststrafen war unumgänglich. Durch seine Straftaten hat der Verurteilte gezeigt, dass sich die in den Strafaussetzungen zugrunde liegende Erwartung nicht erfüllt hat. Das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 21. Dezember 2006 enthält keine Gründe, die erkennen lassen, dass das Gericht sich mit den Argumenten, die für oder gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen, auseinandergesetzt hat. Die günstige Prognose ist allein darauf gestützt worden, dass der Verurteilte jetzt wieder /über/ eine Arbeitsstelle und Einkommen verfügt. Diese Begründung ist nicht überzeugend, zumal der Verurteilte ausweislich des Berichts der Bewährungshelferin H. vom 14. August 2006 sowohl zur Tatzeit im Dezember 2005 als auch im Juli 2006 einer Beschäftigung nachging. In der Zeit von Oktober 2005 bis März 2006 arbeitete er als Helfer in einer Fischgroßhandlung; am 10. Juli 2006, also vier Tage vor der weiteren Diebstahlstat, hatte er eine Stelle bei einer Zeitarbeitsfirma in Mönchengladbach angetreten, die ihn in seinem Beruf als Elektroinstallateur einsetzte. Der Umstand, dass der Verurteile über Arbeit und Einkommen verfügte, war also kein geeignetes Kriterium, ihm eine günstige Sozialprognose zu stellen, da er auch zur Zeit der Straftaten über ein geregeltes Einkommen verfügte. Auch unterhielt er regelmäßigen Kontakt zu seiner Bewährungshelferin, was ihn nicht davon abhalten konnte, erneut straffällig zu werden. Nach alledem war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Strafrestes in den vorliegenden Verfahren zu widerrufen. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 465 und 473 StPO. |
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