Aktenzeichen: 3 Ss OWi 560/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Begründung der Entscheidung, von einem Fahrverbot absehen zu wollen. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Fahrverbot; Absehen; Begründung der Entscheidung; Anforderungen; |
Normen: BKatV 4 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen R.T. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 20. Februar 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Westf.) vom 12. Februar 2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 10. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen und seines Verteidigers beschlossen: Das Urteil des Amtsgerichts Halle (Westf.) vom 12. Februar 2007 wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Halle (Westf.) zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht Halle (Westf.) hat den Betroffenen durch Urteil vom 12. Februar 2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 400,- verurteilt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beigetreten ist. II. Die gemäß §§ 79 Abs. 3 u. 4 OWiG, § 341 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist in ausreichender Weise zu entnehmen, dass die Geschwindigkeitsmessung außerhalb der geschlossenen Ortschaft vorgenommen ist; die Urteilsgründe enthalten auch Angaben zur festgestellten Geschwindigkeit unter Abzug der Messtoleranz und des verwandten Messverfahrens. Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler sind in dem Urteil weder festgestellt noch mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht worden. Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines § 4 Abs. 2 S. 1 BKatV bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 1 S. 1 StVG regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 m.w.N. - und vom 18.03.2004 - 3 Ss OWi 11/04 -; OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2004 - 4 Ss OWi 145/04 -). Nach diesen Maßstäben stellen die vom Amtsgericht angeführten Umstände weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes angemessen wäre. Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (Senatsbeschluss vom 18.03.2004 - 3 Ss OWi 11/04 m.w.N. -). Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist dabei eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist insoweit nicht ausreichend (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18.03.2004 - 3 Ss OWi 11/04 -; vom 04.03.2004 - 3 Ss OWi 769/03 -; OLG Hamm NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf dabei der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen. Grundsätzlich hat jeder Betroffene berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbots durch Maßnahmen wie z.B. die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen, die Heranziehung eines Angestellten als Fahrer, die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, insbesondere durch eine Kombination dieser Maßnahmen, auszugleichen. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. 3 Ss OWi 668/06 - Senatsbeschluss vom 25.10.2006; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143). Derartige Belastungen durch einen Kredit, der in kleineren für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann, und der sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer eines Fahrverbots von einem Monat in überschaubaren Grenzen bewegt, sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 25.10.2006 - 3 Ss OWi 668/06 m.w.N.). Insbesondere eine Kombination von Maßnahmen der vorgenannten Art ist - wenn der Betroffene, wie es hier durch das Amtsgericht festgestellt worden ist, über ein geregeltes Einkommen verfügt - als zumutbar anzusehen. Ausführungen hierzu lässt das angefochtene Urteil vermissen. Dass dem Betroffenen insbesondere bei einer Kombination möglicher Ausgleichsmaßnahmen, insbesondere etwa die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub und die teilweise Finanzierung eines Ersatzfahrers, ein Ausgleich der Härten nicht möglich oder zumutbar wäre, geht aus dem Urteil in keiner Weise hervor. Überdies hat das Amtsgericht sich in keiner Weise damit auseinandergesetzt, dass ausweislich der Urteilsgründe der Betroffene bereits vor kurzer Zeit mit einem Fahrverbot belegt worden ist aufgrund der Verurteilung des Amtsgerichts Gütersloh vom 20.02.2006. Die Tatsache, dass die Folgen dieses Fahrverbotes offenbar nicht zu einem Arbeitsplatzverlust geführt haben, sondern möglicherweise doch eine vorübergehende Umstrukturierung von Fahraufgaben am Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes durch andere Mitarbeiter erfolgt ist und erneut in Betracht kommen kann, hat das Amtsgericht in keiner Weise erwogen. Da weitere Feststellungen zur Frage der außergewöhnlichen Härte wahrscheinlich erscheinen, kommt eine Entscheidung durch den Senat nicht in Betracht. Zudem sind weitere Feststellungen hinsichtlich der Vorverurteilung vom 28.02.2006 im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV (Rechtskraftdatum) geboten. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Halle (Westf.) zurückzuverweisen. |
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