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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 347/07 OLG Hamm

Leitsatz: Hält das erkennende Gericht aufgrund besonderer Umstände in der Persönlichkeit der Belastungszeugin die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens einer Sachverständigen für erforderlich, so hat es deren Ausführungen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der wesentlichen Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstigen Rechtsfehlerfreiheit wiederzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Sachverständigengutachten; Urteilsanforderungen;

Normen: StPO 267

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der IV. großen Strafkammer
– Jugendkammer als Jugendschutzgericht - des Landgerichts Bielefeld vom 25. April 2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 10. 2007 durch
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:


Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Jugendschutzgericht tätige große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.



Gründe:
I.

Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Gütersloh hat den Angeklagten durch Urteil vom 23.10.2006 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Das Landgericht – Jugendkammer als Jugendschutzgericht – Bielefeld hat durch das angefochtene Urteil die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Er erhebt eine Verfahrensrüge und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.


II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge vorläufig Erfolg, so dass es auf die - im Übrigen unzulässige - Verfahrensrüge nicht mehr ankommt.

1.
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zu dem Vorfall in den Sommerferien 2002 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht. Es darf die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen.
Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, NStZ 1983, 277, 278; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 337, Rdnr. 27 m.w.N.).

Die Beweiswürdigung der Berufungskammer ist lückenhaft. Ein durchgreifender Mangel liegt darin, dass sich die Kammer nur unzureichend mit dem von der Sachverständigen L erstatteten Gutachten auseinandergesetzt hat.

Hält das erkennende Gericht aufgrund besonderer Umstände in der Persönlichkeit der Belastungszeugin die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens einer Sachverständigen für erforderlich, so hat es deren Ausführungen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der wesentlichen Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstigen Rechtsfehlerfreiheit wiederzugeben, um dem Revisionsgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, StV 1994, 359; BGH, NStZ-RR, 1996, 233; BGHSt 45, 164, 182).

Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Ihnen lässt sich lediglich entnehmen, dass die Kammer von der Sachverständigen L „beraten“ war (UA 14), die zu der Frage der Stimmigkeit des Verhaltens der Zeugin in der Hauptverhandlung ausdrücklich Stellung bezogen hat (UA 18) und ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Aussage der Zeugin glaubhaft ist (UA 19). Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, welcher Fachrichtung die hinzugezogene Sachverständige angehört (Psychologie oder Psychiatrie) und welchen Auftrag sie erhalten hat. Eine zusammenfassende Darstellung der Begutachtung fehlt ebenso wie die Mitteilung der wesentlichen Anknüpfungstatsachen und des methodischen Vorgehens der Sachverständigen. Die Urteilsgründe beschränken sich vielmehr auf die bruchstückhafte Wiedergabe einiger weniger Aussagen der Sachverständigen.

2.
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils erweist sich auch aus einem weiteren Grund als rechtsfehlerhaft. Denn die Kammer ist über gewichtige Indizien im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin und die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage ohne hinreichend klare Erörterungen hinweg gegangen, und zwar in Bezug auf den nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Vorfall.

Eine lückenlose Gesamtwürdigung aller Indizien ist dann von besonderer Bedeutung, wenn der Angeklagte aufgrund der Aussage einer einzigen Belastungszeugin verurteilt wird. Die Urteilsgründe müssen daher erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHSt 44, 153, 158 m.w.N.). Der Tatrichter ist daher gehalten, sich mit sämtlichen Indizien unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die darüber hinweg geht, ist deshalb rechtsfehlerhaft (BGH, NStZ-RR 04, 238, 239; BGH, NStZ 02, 656, 657). Sofern der Anklagevorwurf wegen zweier Taten auf der Aussage einer einzigen Belastungszeugin aufbaut, wegen einer dieser Taten das Verfahren aber nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, kommt der Aussage der einzigen Belastungszeugin zu dem eingestellten Vorfall jedenfalls dann Beweisbedeutung für die allein entscheidende Frage der Glaubwürdigkeit ihrer Person zu, wenn es sich um einen Vorfall mit ähnlicher Begehungsweise und ähnlichem Gewicht wie die abgeurteilte Tat handelt (vgl. BGHSt 44, 153). Das ist hier der Fall.

Das Landgericht hat aufgrund der vor dem Amtsgericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfolgten Einstellung eines weiteren Vorfalls, der sich eine Woche später zugetragen haben soll, nicht mehr geprüft, „ob dieser zweite Vorfall zweifelsfrei festgestellt werden kann“. Nach Ansicht des Landgerichts sprachen „gewichtige Gesichtspunkte dafür, dass die Zeugin F auch hinsichtlich des zweiten von ihr geschilderten Vorfalls die Wahrheit gesagt hat.“ Da der Angeklagte diesen Vorfall seinerseits „vehement in Abrede gestellt“ hat, bedurfte es im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin einerseits und der Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage andererseits einer zweifelsfreien Überzeugung, ob sich der zweite Vorfall tatsächlich ereignet hat.

Trotz der nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgten Einstellung war das Landgericht nicht gehindert, solche Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die zumindest mittelbar für die Beurteilung von Tat oder Täter von Bedeutung sind (BGH, NJW 85, 1479 m.w.N.; BGHSt 34, 209, 210; BGH, StV 88, 191).
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn der weitere gleichartige Vorfall vollständig zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden wäre.

3.
Die aus den dargelegten Gründen rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung zu dem Vorfall im Sommer 2002 erstreckt sich schließlich auf die Beweiswürdigung bezüglich des Vorfalls am 12.03.2005. Denn in beiden Fällen kommt es maßgeblich auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage und der Glaubwürdigkeit der Zeugin an. Zwar hat der Angeklagte einen Schlag in den Nacken der Zeugin gestanden, jedoch bedarf es zu der Intensität des Schlages und dessen Auswirkungen einer vollständigen Würdigung aller Beweise.
Zudem ist unklar, ob und inwieweit andere Gäste der Geburtstagsfeier den Schlag wahrgenommen haben.






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