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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 683/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigeitsüberschreitung; Urteil; Anforderungen; Feststellungen;

Normen: StPO 267

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen G.A.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwelm vom 19. Juni 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesge-richts Hamm am 18. 10. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzel-richter nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß § 79 Abs. 6 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den ihm zugrunde liegenden
Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Schwelm
zurückverwiesen.


G r ü n d e :

Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen einer fahrlässigen Ge-schwindigkeitsüberschreitung gemäß den §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 75 € verurteilt worden; ferner wurde ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet, wobei die-ses erst wirksam werden soll, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Bezüglich des festgestellten Sachverhalts und der angewendeten Rechts-vorschriften wird auf den Bußgeldbescheid des Landrates des Ennepe-Ruhr-Kreise vom 05.10.2006, Az._ 32/4-30645021ST, Bezug genommen.

Danach hat der Betroffene am 6.6.06 um 8.52 Uhr mit seinem Pkw, amtl. Kennzeichen XXXXX, die Hagener Straße in Wetter, Höhe Haus Nr. 196, - nach Abzug des Toleranzwertes von 3 km/h - mit einer Geschwindigkeit von 76 km/h befahren, obwohl ausweislich dort aufgestellter Schilder in diesem Außerortsbereich eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h geboten war.“


Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. Juni 2007 eingelegt, die mit der materiellen Rüge begründet worden ist. Die General-staatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II.

Ihren Aufhebungsantrag hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt begründet:

„Die gem. § 79 Abs.1 Nr.2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden, in der Sache ist ihr ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.

Nach der auf die erhobene Sachrüge hin vorzunehmenden Überprüfung des angefochtenen Urteils tragen die Feststellungen eine Verurteilung des Betroffe-nen wegen Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Tatrichter dem Rechts-beschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässig-keit der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, dass er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der einge-haltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitteilt und darüber hin-aus darlegt, dass mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (zu vgl. Senatsbeschluss vom 29.11.2001 - 2 Ss OWi 1029/01 - m.w.N.).

Vorliegend nimmt der Tatrichter zwar einen Toleranzabzug vor, er teilt jedoch nicht konkret mit, mit welcher Messmethode die festgestellte Geschwindig-keitsüberschreitung von den Polizeibeamten ermittelt worden ist. Den getrof-fenen Feststellungen lassen sich durch die knappe Darstellung offensichtlich kontroverser Auffassungen sowie vorgelegter Gutachten zur Ordnungsmä-ßigkeit der Messung allenfalls mittelbar Anhaltspunkte für das angewandte Messverfahren entnehmen. Eine rechtliche Nachprüfung der konkreten Einsatzmöglichkeiten und Zuverlässigkeit der Messmethodik wird dem Rechtsbeschwerdegericht hierdurch aber nicht ermöglicht. Ein Eingehen auf das angewandte Messverfahren war vorliegend angesichts des offensichtlich substantiierten Verteidigungsvorbringens auch nicht entbehrlich. Darüber hinaus ist die Mitteilung der berücksichtigten Messmethodik nicht nur zur vollständigen Sachverhaltsdarstellung, sondern auch dazu erforderlich, eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu ermöglichen. Eine Be-zugnahme auf weitergehende Aktenbestandteile ist - worauf die Rechtsbe-schwerde zutreffend hingewiesen hat - abgesehen von der Vorschrift des § 79 Abs.3 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht zulässig.

Darüber hinaus lassen sich dem angefochtenen Urteil konkrete Ausführun-gen zur Schuldform und zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnis-sen des Betroffenen nicht entnehmen. Auch die Erwägungen zum Rechtsfol-genausspruch halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Urteil ist daher mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Schwelm zu-rückzuverweisen.“

Dem tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei und weist zusätzlich auf Folgen-des hin:

Das amtsgerichtliche Urteil ist in jeder Hinsicht lückenhaft (§ 267 StPO i.V.m. § 71 OWiG). Zwar hat der BGH wiederholt drauf hingewiesen, dass an die Gründe des tatrichterlichen Urteils in Ordnungswidrigkeitensachen keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. u.a. BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; siehe z.B. auch OLG Rostock DAR 2001, 421 und die weiteren Nachweise bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 2065). Aber auch im Ord-nungswidrigkeitenverfahren müssen die tatrichterlichen Entscheidungsgründe zu-mindest noch so beschaffen sein, dass sie die Überprüfung der richtigen Rechtsan-wendung ermöglichen. Die vorliegenden Begründungsfragmente tun dies nicht.

Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass schon zu beanstan-den ist, dass der Tatrichter nicht mitteilt, welches Messverfahren angewendet worden ist. Zumindest das wäre erforderlich gewesen (vgl. Burhoff, a.a.O., Rn. 1251 ff. mit weiteren Nachweisen), wenn ein standardisiertes Messverfahren eingesetzt worden ist. Anderenfalls hätte die Messung im Einzelnen beschrieben werden müssen. Das ist seit Jahren ständige Rechtsprechung alles Obergerichte (vgl. die Nachweise bei Burhoff, a.a.O.,, Rn. 1252). In dem Zusammenhang ist dem Senat der Verweis auf den Bußgeldbescheid vom 05. Oktober 2006 unverständlich. Die Voraussetzungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, unter denen im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenver-fahren zur Begründung des Urteils auf andere Unterlagen verwiesen werden darf, liegen ersichtlich nicht vor (vgl. auch Senat in StraFo 2002, 132 = NStZ-RR 2002, 147).

Zutreffend verweist die Generalstaatsanwaltschaft auch darauf, dass die amtsge-richtlichen Feststellungen auch die Rechtsfolgenentscheidung, insbesondere die Verhängung des Fahrverbote nicht tragen. Die persönlichen Verhältnisse des Betrof-fenen sind mit keinem Wort dargestellt. Es wird weder mitgeteilt, in welchen wirt-schaftlichen Verhältnissen der Betroffene lebt, noch, welchen Beruf er ausübt, son-dern lapidar ausgeführt: „Der Betroffene kann sich dem Fahrverbot innerhalb von 4 Monaten unter Ausnutzung seines Jahresurlaubs unterziehen“. Es fehlen auch die nach der Rechtsprechung des Senats erforderlichen Feststellungen zu der Frage, ob dem Betroffenem überhaupt noch Urlaub zusteht und ob er ihn in einem Stück abwi-ckeln kann (vgl. Senat in zfs 2002, 404).

Über die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft hinaus wäre das angefoch-tene Urteil zudem aber auch deshalb aufzuheben gewesen, weil die amtsgerichtliche Beweiswürdigung lückenhaft ist. Der Tatrichter hat offenbar ein Sachverständigen-gutachten zu vom Betroffenen behaupteten Fehlern bei der Messung eingeholt, mit dem die Ausführungen aus einem offensichtlich vom Betroffenen vorgelegten Privat-gutachten widerlegt werden sollen und widerlegt worden sind. Damit stützt der Tat-richter sein urteil auf dieses Sachverständigengutachten. Stützt der Tatrichter den Schuldspruch aber auf ein Sachverständigengutachten, so ist nach ständiger Recht-sprechung des Senats in den Urteilsgründen eine verständliche in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zu Grunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begrün-dung erforderlich (vgl. u.a. Senat in VA 2000, 32 = StraFo 2000, 310 = NZV 2000, 429 = StV 2000, 547 = DAR 2000, 483 = VRS 99, 204; StraFo 2002, 58 = StV 2002, 404; VA 2004, 193 = VRS 107, 371 = DAR 2005, 42; VA 2004, 173 (Ls.). Diesen An-forderungen werden die Urteilsgründe vorliegend nicht gerecht und sind daher lü-ckenhaft. Der Senat weist darauf hin, dass vorliegend im Zweifel auch das vom Be-troffenen eingeholte Privatsachsachverständigengutachten darzustellen sein dürfte, da anderenfalls die amtsgerichtliche Beweiswürdigung kaum verständlich ist. Derzeit ist sie es jedenfalls nicht.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das angefochtene Urteil auch nicht mitteilt, wie sich der Betroffene gegenüber dem Vorwurf eingelassen hat (vgl. dazu Senat in zfs 2000, 577 und StraFo 2003, 133).



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