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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 560/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Begriff des Verletzten im Sinne von § 111 g StPO, § 73 Abs. 1 StGB.


Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Verletzter; Begriff; Arrest; Zwangsvollstreckung

Normen: StPO 111g; StGB 73

Beschluss:

Arrestsache
gegen pp.
wegen Hehlerei u.a.,
(hier: Beschwerde der weiteren Beteiligten gegen die Ablehnung der Zulassung der Zwangsvollstreckung und gegen die Aufhebung des dinglichen Arrests).

Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 20. Juni 2007 gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 13. Juni 2007 und auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 18. Juli 2007 gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22. Juni 2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 10. 2007 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie der Arrestschuldnerin bzw. ihres Verfahrensbevollmächtigten beschlossen:

Die sofortige Beschwerde und die Beschwerde werden als unbegründet auf Kosten der weiteren Beteiligten verworfen.


Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat durch Beschluss vom 13.10.2003 einen dinglichen Arrest in Höhe von 422.519,72 € in das Vermögen der Arrestschuldnerin angeordnet. Diese hat die Vollziehung des Arrests durch Hinterlegung von 350.000 € abgewendet.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Arrestschuldnerin ist im Juni 2004 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Ehemann der Arrestschuldnerin ist durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 09.03.2007 wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 15 Fällen verurteilt worden. Von einer Verfallsanordnung hat das Gericht im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB abgesehen. Eine Anwendung des § 111 i Abs. 2 StPO (n.F.) ist unter Hinweis auf § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB nicht erfolgt.
Über die von dem Angeklagten gegen das Urteil eingelegte Revision ist noch nicht entschieden.

Durch Beschluss vom 13.06.2007 hat das Landgericht Bielefeld den Antrag der weiteren Beteiligten auf Zulassung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 111 g, 111 h StPO zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 20.06.2007.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld hat das Landgericht Bielefeld durch Beschluss vom 22.06.2007 den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 13.10.2003 wegen Ablaufs der gemäß § 111 i StPO bestimmten Frist von drei Monaten aufgehoben. Dagegen richtet sich die Beschwerde der weiteren Beteiligten vom 18.07.2007.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde und die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Zulassung der Zwangsvollstreckung ist gemäß § 111 g Abs. 2 Satz 2 StPO statthaft sowie form- und fristgerecht angebracht worden, in der Sache jedoch nicht begründet.

Auf das Verfahren ist § 111 g StPO in der Fassung durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24.10.2006 (BGBl. I, 2006, Seite 2350) anzuwenden. Nach überwiegender Auffassung gilt neues Prozessrecht bereits für schwebende Verfahren, wenn nichts anderes bestimmt ist, und zwar nicht nur hinsichtlich des Verfahrens, sondern auch im Hinblick auf die am Verfahren Beteiligten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, Einleitung, Rdnr. 203 m.w.N.). Denn geschützte Rechtspositionen im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich nur aus materiellem Recht, nicht dagegen aus Verfahrensrecht. Aus diesem Grund enthält die StPO keine dem § 2 StGB entsprechende Vorschrift. Bei dem Gesetz vom 24.10.2006 ist im Hinblick auf die vorgenommenen Änderungen des Verfahrensrechts zudem von einer Übergangsregelung abgesehen worden (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 16/700, Seite 20).

Die weitere Beteiligte ist Verletzte im Sinne von § 111 g StPO, § 73 Abs. 1 StGB.
Verletzter im Sinne dieser Vorschriften ist eine durch die Straftat individuell geschädigte Person. Gleichzustellen mit dem Verletzten ist aber auch der Versicherer als Rechtsnachfolger des unmittelbar Geschädigten. Denn auf den durch § 67 VVG bestimmten Forderungsübergang finden gemäß § 412 BGB die dort näher bezeichneten Vorschriften des BGB Anwendung. Dazu gehört auch § 401 BGB. Nach dieser Vorschrift gehen mit der abgetretenen Forderung auch die Sicherungsrechte auf den Erwerber der Forderung über. Zu diesen Sicherungsrechten gehören auch die dem Verletzten erwachsenen vermögensrechtlichen Ausgleichsansprüche, die im Falle ihrer Realisierung den vom Täter erlangten Vorteil mindern oder beseitigen. Aus der Sicht des Verletzten ist dies ein sicherndes Nebenrecht. Nach erfolgtem Forderungsübergang gemäß § 67 VVG ist damit der hinter dem Geschädigten stehende Versicherer Anspruchsinhaber im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. Senat, Beschluss vom 30.11.2005, 3 Ws 526/05; HansOLG, NStZ 94, 99; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 222; OLG Stuttgart, NStZ-RR 99, 383; OLG Karlsruhe, NJW 05, 1815; Tröndle-Fischer, StGB, 54. Auflage, § 73, Rdnr. 13; jetzt auch Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 111 g, Rdnr. 2; . Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 16/700, Seite 16). Der gegenteiligen Auffassung (OLG Karlsruhe, MDR 1984, 336; Meyer-Goßner, StPO, bis zur 49. Auflage, § 111 g, Rdnr. 2) vermag der Senat nicht zu folgen. Denn sonst würde das Ziel des Gesetzgebers, auch die strafprozessualen Möglichkeiten für das Ziel des zivilrechtlich gerechten Ausgleichs einzusetzen, nicht erreicht. Der Verletzte, der durch seinen Versicherer entschädigt worden ist, kann seinen vermögensrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen des versicherungsvertraglichen Forderungsübergangs nicht mehr geltend machen kann. Wenn der Versicherer den auf ihn übergegangenen Anspruch seinerseits nicht verfolgen könnte, würde das dazu führen, dass sich der Staat an der Aufrechterhaltung des durch die Tat entstandenen rechtswidrigen Zustandes beteiligt (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 567; HansOLG, NStZ 1994, 99). Soweit die nach §§ 111 b ff StPO gesicherten Ansprüche des Verletzten auf den Versicherer übergangen sind, kann dieser daher anstelle des Verletzten auf die sichergestellten Vermögenswerte zugreifen. Das Bestreben des Gesetzgebers, auch die strafprozessualen Möglichkeiten für das Ziel des zivilrechtlich gerechten Ausgleichs einzusetzen, ist zuletzt in dem Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24.10.2006 nachdrücklich zum Ausdruck gekommen.

Der Zugriff des Verletzten auf die durch den dinglichen Arrest gesicherten Vermögenspositionen setzt weiter voraus, dass dieser einen zumindest vorläufig vollstreckbaren Titel gegen den Arrestschuldner erwirkt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 111 g, Rdnr. 2). Denn die Befriedigung des Verletzten erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung nach den dem Anspruch zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Bestimmungen, z.B. der Zivilprozessordnung. Danach ist ein Titel erforderlich, der dem Verletzten den Zugriff auf die von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Gegenstände ermöglicht. In dem Verfahren nach § 111g StPO wird dann lediglich geprüft, ob der Antragsteller, der die Zulassung der Zwangsvollstreckung eines Gegenstandes begehrt, einen ihm aus der Straftat erwachsenen Anspruch glaubhaft geltend macht. Ohne Nachweis eines Titels kann die Zwangsvollstreckung daher nicht zugelassen werden.

Der Senat hat bereits in dem in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 30.11.2005 - 3 Ws 526/05 – ausgeführt, dass die durch den Arrest gesicherten Vermögenswerte der Arrestschuldnerin dem entsprechen, was der angeklagte Ehemann durch die ihm vorgeworfenen Hehlereitaten zugunsten der Arrestschuldnerin bzw. deren Einzelfirma erworben hat, so dass die Aufrecherhaltung der Arrestanordnung zum damaligen Zeitpunkt nicht unverhältnismäßig war. In der Zwischenzeit haben es die Geschädigten trotz der im Strafverfahren erfolgten Sachverhaltsaufklärung und trotz der nunmehr erfolgten Verurteilung des angeklagten Ehemannes jedoch offenbar versäumt, ihre Ansprüche nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen gegen die Arrestschuldnerin geltend zu machen. Die weitere Beteiligte hat lediglich einen vorläufig vollstreckbaren Titel gegen den Ehemann der Arrestschuldnerin erwirkt, und zwar in Gestalt des gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Hannover vom 28.03.2007, 6 O 257/05, über 134.128,21 € zuzüglich Nebenforderungen. Dieser Vollstreckungstitel ermöglicht jedoch keinen Zugriff auf den von der Arrestschuldnerin hinterlegten Betrag. Denn Parteien der Zwangsvollstreckung sind grundsätzlich nur die in dem Titel namentlich bezeichneten Personen (vgl. § 750 Abs. 1 ZPO), also nicht die Arrestschuldnerin.
Aus diesem Grund war die von der weiteren Beteiligten beantragte Zwangsvollstreckung nicht zuzulassen.

2. Die Beschwerde gegen die Aufhebung des Arrestbeschlusses des Amtsgerichts Bielefeld vom 13.10.2003 ist gemäß § 304 StPO statthaft und im Übrigen zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die weitere Beteiligte ist durch die Aufhebung beschwert. Denn die §§ 111 g ff StPO sollen dem Verletzten eine Befriedigung der ihm aus der Tat erwachsenen Ansprüche weitgehend ermöglichen. Durch die Aufhebung einer vorläufigen Maßnahme gemäß §§ 111 b StPO wird der Zugriff auf den Gegenstand der Beschlagnahme oder des Arrests wesentlich erschwert.

Das Landgericht hat den Arrestbeschluss nach Ablauf der gemäß § 111 i Abs. 1 StPO bestimmten Frist von drei Monaten zu Recht aufgehoben.
In dem Urteil vom 09.03.2007 hat das Landgericht von einer Verfallsanordnung im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StPO und von einer Anwendung des § 111 i Abs. 2 StPO (n.F.) gemäß § 2 Abs. 5 und 3 StGB abgesehen. Da gegen dieses Urteil allein der angeklagte Ehemann Revision eingelegt hat, kommt insoweit eine Abänderung wegen des Verbots der Schlechterstellung nicht mehr in Betracht. Denn das Verbot der Schlechterstellung erfasst auch die Entscheidung über die Anordnung eines Verfalls, weil es sich dabei um eine Rechtsfolge der Tat im Sinne von § 358 Abs. 2 StPO handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.1990, 1 StR 182/90, bei Miebach/Kusch, NStZ 91, 120, 122; OLG Hamm, 4. Strafsenat, JMBl 81, 107).

Mit der Einstellung des Verfahrens gegen die Arrestschuldnerin und dem Unterbleiben einer Verfallsanordnung gegenüber der Arrestschuldnerin in dem Verfahren gegen den angeklagten Ehemann ist die gemäß §§ 111 b Abs. 2 und 5, 111 d StPO erfolgte Sicherungsmaßnahme nach Ablauf der Frist des § 111 i Abs. 1 StPO und der vorliegend nicht erfolgten Anwendung des § 111 i Abs. 2 StPO, die ihrerseits nicht der Überprüfung durch den Senat unterliegt, gegenstandslos und daher aufzuheben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 111 e, Rdnr. 18, 19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



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