Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 208/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Feststellungen bei einem sog. "Leergutdiebstahl".

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Leergutdiebstahl, Leergut, zivilrechtliche Grundlagen, Leihe, standardisiertes Leergut, individuelles Leergut, Verbindung, Vermischung, Pfandkehr

Normen: StGB 242, StGB 289 Abs. 1 2. Alt., BGB 929 S: 1, BGB 947 Abs. 1, BGB 948, StGB 248 a

Beschluss:

Strafsache gegen 1.Th. K., 2. O. G.
wegen Diebstahls.

Auf die (Sprung-)Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - in Werl vom 14. Februar 2007 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 31. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Werl - Strafrichter - zurückverwiesen.

Gründe: I. Durch das angefochtene Urteil sind die Angeklagten wegen Diebstahls zu Geldstrafen verurteilt worden, und zwar der Angeklagte zu einer solchen von 20 Tagessätzen zu je 10,00 Euro, die Angeklagte zu einer solchen von 15 Tagessätzen zu je 10,00 Euro.
Gegen dieses Urteil haben beide fristgerecht Rechtsmittel eingelegt, die sie als Revision bezeichnet haben und mit denen sie - der Sache nach beide - in zulässiger Weise die Verletzung des materiellen Rechts rügen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.
II. Die zulässigen Revisionen der beiden Angeklagten haben vorläufig Erfolg.
Das Amtsgericht hat zur Sache aufgrund des Geständnisses der beiden Angeklagten folgende Feststellungen getroffen:
"Am 5. Dezember 2006 beredete der Angeklagte die Angeklagte G. zu einer Fahrt nach Ense. Während dieser Fahrt erklärte er der Mitangeklagten, er wolle vom Hof der Getränkehandlung Su. in Ense-Volbringen Leergut entwenden, um dieses später zu veräußern. Auch wenn die Angeklagte G. selbst kein primäres Interesse an dem Leergut hatte, willigte sie ein und suchte zusammen mit K. den Hof des Getränkevertriebs auf. Hier transportierten beide Angeklagte vom Firmengelände neun Käste PET Forstetaler, drei Kästen PET Brohler, vier Kästen Glasflaschen verschiedener Abfüller zu ihrem Pkw. Die Kästen wurden in den Pkw des Angeklagten K. verladen und später von der Polizei dort entdeckt. Da sich die Angeklagten offensichtlich gestört fühlten, verluden sie bereits bereitgestellte weitere Kästen nicht."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 19. Juli 2007 in der Sache wie folgt Stellung genommen:
"Die Feststellungen des Tatrichters tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Diebstahls nicht. Um eine Nachprüfung des Urteils auf Rechtsfehler zu ermöglichen, dürfen die Feststellungen des Tatrichters weder lückenhaft noch unvollständig sein, sondern müssen dem Senat die rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ohne Rückgriff auf die Akten ermöglichen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Amtsgerichts ist es jedoch nicht möglich zu prüfen, ob diese den Tatbestand des Diebstahls in der Form der Entwendung von Leergut tragen. Denn das Amtsgericht hat lediglich unvollständige Feststellungen zu der Art und Menge des entwendeten Leergutes und den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Beziehungen getroffen, so dass offen bleiben muss, ob die Angeklagten mit der erforderlichen Zueignungsabsicht i.S. des § 242 StGB handelten.
Hinsichtlich der Strafbarkeit der Entwendung von Pfandleergut kommt es für die Frage, ob der Täter sich die Sache selbst oder den von der Sache verkörperten Sachwert zuzueignen beabsichtigt, entscheidend auf die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Hersteller oder dem Abfüller der Getränke und dem Händler an. Insoweit ist zu differenzieren:
Soweit es sich bei dem Leergut um die Verpackung eines bestimmten Herstellers handelt, so behält dieser das Eigentum an der Verpackung, so dass der Käufer lediglich Eigentümer des Inhalts wird. Mangels zivilrechtlicher Einigung findet ein Eigentumsübergang an der Verpackung an den Käufer nicht statt. Dies gilt auch für die einzelnen Handelsstufen, also im Verhältnis des Herstellers zum Großhändler sowie des Großhändlers zum Einzelhändler. Vielmehr liegt hinsichtlich des Leergutes lediglich eine Leihe oder ein atypischer Gebrauchsüberlassungsvertrag vor.
Handelt es sich bei den entwendeten Waren dagegen um standardisiertes Leergut einer unbestimmten Art und Anzahl von Herstellern, beispielsweise um Eurobierflaschen, verliert der Hersteller oder der Abfüller sein Eigentum schon im Wege der Vermengung mit den Verpackungen anderer Hersteller gem. § 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB. Daher geht das Eigentum auf den verschiedenen Vertriebsstufen jeweils auf den Erwerber gem. § 929 S. 1 BGB über. Gleiches gilt bei Verpackungen, die zwar nicht einem bestimmten Hersteller, aber doch einer organisierten Herstellergruppe zuzuordnen sind (Hellmann, JuS 2001, 353 (354)).
Aus der zivilrechtlichen Lage folgt, dass derjenige, der Leergut entwendet, nur dann in Zueignungsabsicht handelt, wenn er Einheitsleergut unbestimmt vieler Hersteller oder einer bestimmten Herstellergruppe wegnimmt, da er sich in diesem Fall im Hinblick auf das Eigentum des Erwerbers eine eigentümerähnliche Stellung anmaßt, selbst wenn die Entwendung in der Absicht erfolgt, das Leergut gegen Erstattung des Pfandgeldes zurückgeben zu wollen. Dies gilt auch, wenn der Täter das Leergut bei dem Händler entwendet, um es diesen anschließend zurückzugeben. Denn auch in diesem Fall leugnet er das Eigentum des Händlers.
Entwendet der Täter hingegen Leergut eines bestimmten Herstellers, der nach wie vor das Eigentum an dem Leergut inne hat, liegt hierin keine Absicht rechtswidriger Zueignung, da der Täter, selbst wenn er das Leergut zurückzugeben beabsichtigt, das Eigentumsrecht des Herstellers gerade nicht leugnet und sich somit auch nicht die Sachsubstanz zueignen wollte. Ebenso wenig liegt die Absicht vor, sich den Sachwert des Leergutes zuzueignen, weil der Täter dem Eigentümer nicht den in der Sache selbst unmittelbar verkörperten Wert entzieht. Denn der Hersteller erlangt das Leergut unversehrt zurück. Insoweit möchte sich der Täter auch nicht den spezifischen Funktionswert des Leergutes verschaffen, weil dieser Vorteil nicht aus dem Vermögen des Eigentümers, sondern aus dem des Händlers stammt.
Im Falle der Entwendung von individualisiertem Leergut eines bestimmten Herstellers liegt hingegen eine Pfandkehr nach § 289 Abs. 1 2. Alternative StGB vor, falls die Wegnahme erfolgt, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Insoweit erfolgte die Wegnahme zugunsten des Eigentümers, nämlich des Getränkeherstellers.
Im Hinblick auf diese vorzunehmende rechtliche Differenzierung lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, welche Fallkonstellation vorliegt. Zwar teilt das angefochtene Urteil verschiedene Markennamen mit, jedoch lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen, ob es sich um Einzelhersteller, um eine organisierte Herstellergruppe oder um standardisiertes Leergut unbestimmter vieler Hersteller handelt. Hierbei handelt es sich auch nicht um eine Frage, die offenkundig ist oder schon anhand der Nennung der Hersteller eindeutig beantwortet werden kann."
Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass für den Fall der Erforderlichkeit eines Strafantrages (§ 248 a, 289 StGB) als Strafverfolgungsvoraussetzung - der Wert der entwendeten Kisten und deren Inhalts ist unklar, die Staatsanwaltschaft hat bisher das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung eines (jedenfalls teilweise) denkbaren Diebstahls geringwertiger Sachen i.S.d. § 248 a StGB nicht bejaht - die rechtzeitige Erstattung eines Strafantrages durch den Geschädigten Su. nicht zweifelsfrei feststeht. Der Strafantrag, der die Tat vom 5. Dezember 2006 betrifft, soll ausweislich der Akte angeblich am 21. August 2006 entgegengenommen worden sein. Obwohl es sich hierbei um ein offensichtliches Schreibversehen handeln dürfte, ist auch dieser Umstand in der neuen Hauptverhandlung näher aufzuklären.



zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".