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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 360/07 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einer Tat, die mit einer anderen in Tateinheit steht, ist die Beschränkung der Berufung auf einen oder mehrere rechtliche Gesichtspunkte unzulässig.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung; Wirksamkeit; mehrere Taten; Tateinheit;

Normen: StPO 318; StGb 52

Beschluss:

Strafsache
gegen D.W.
wegen e g e n gefährlicher Körperverletzung.


Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 09. Februar 2007 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 11. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Nebenklägers bzw. des Nebenklägervertreters gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe:

I.
Das Amtsgericht Bochum verurteilte den Angeklagten durch Urteil vom 15. Dezember 2005 wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Monaten (Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen S.). Nach den Feststellungen des Amtsgerichts stand der Angeklagte zur Tatzeit unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln und Alkoholika: die Blutprobe wies einen Wert von 0,31 mg/l Cannabinoide und eine Blutalkoholkonzentration von etwa 2,5 0/oo auf. Aufgrund der vorliegenden Mischintoxikation schloss der Tatrichter eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht aus.
Soweit die Staatsanwaltschaft Bochum dem Angeklagten in ihrer Anklageschrift vom 22. Februar 2005 darüber hinaus eine gefährliche Körperverletzung zu Lasten des Nebenklägers M. M. gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 StGB zur Last gelegt hatte, sprach das Amtsgericht ihn von diesem Tatvorwurf aus tatsächlichen Gründen frei. Wegen des vorliegenden Vollrausches schied ein Teilfreispruch aus.

Gegen das Urteil haben die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Berufung eingelegt, die sie in der Berufungshauptverhandlung am 18. Januar 2007 auf die Überprüfung des Freispruchs im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen und Nebenklägers M. beschränkt haben.

Das Landgericht Bochum verhängte daraufhin gegen den Angeklagten mit Urteil vom 09. Februar 2007 wegen vorsätzlichen Vollrausches und wegen gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten. Entgegen den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kam das Landgericht unter Berufung auf die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten in das Strafbare seines Handelns sei zum Tatzeitpunkt nicht relevant gestört gewesen. Seine Steuerungsfähigkeit hingegen sei aufgrund des mittelschweren Intoxikations-zustandes zum Tatzeitpunkt im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB schloss das Landgericht sicher aus.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger fristgerecht am
16. Februar 2007 Revision eingelegt, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts gerügt sowie die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils beantragt hat.

Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2007, eingegangen beim Landgericht Bochum am selben Tag, hat er die Revision sodann näher begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum, ohne dass dabei auf die Sachrüge näher eingegangen zu werden braucht.

Das angefochtene Urteil leidet nämlich bereits insofern an einem durchgreifenden Mangel, als das Landgericht den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt hat. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben ihre zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung in der Berufungshauptverhandlung am 18. Januar 2007 darauf beschränkt, dass der Angeklagte vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers M. freigesprochen worden war. Damit sollte die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches von der Anfechtung ausgenommen sein. Die Strafkammer hat die Zulässigkeit der Beschränkung bejaht. Träfe diese Annahme zu, so wären Schuldspruch und Strafausspruch insoweit in Rechtskraft erwachsen und damit jeder Nachprüfung auch durch das Revisionsgericht entzogen. Das ist indessen nicht der Fall.

Die Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte ist nur insoweit zulässig, als diese, losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil des Urteils, sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht selbstständig beurteilt werden kann, ohne dass dabei auf die nicht angegriffenen Teile des Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht übergegriffen werden muss (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 318 Rdnr. 11 m. w. Nachweisen). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass bei einer Tat, die mit einer anderen in Tateinheit steht, die Beschränkung der Berufung auf einen oder mehrere rechtliche Gesichtspunkte unzulässig ist, weil die Schuldfrage in einem solchen Fall nur einheitlich beurteilt werden kann (vgl. hierzu auch OLG Hamm, VRS 39, 190, 191). Die Möglichkeit einer solchen Fallgestaltung war hier gegeben.
Die Körperverletzungen zum Nachteil des Zeugen S. und die durch die Strafkammer festgestellte wenige Minuten später in unmittelbarer Nähe erfolgte Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen M. können sich als einheitliche Tat eines Vollrausches nach § 323 a StGB darstellen. Bei dieser Ausgangslage konnte das Rechtsmittel nicht beschränkt werden. Ohne Belang ist insoweit, dass das Landgericht im Ergebnis zur Annahme zweier materiell-rechtlich selbstständiger Taten gekommen ist. Dies führt nicht etwa zu einer (nachträglichen) Zulässigkeit der Berufungsbeschränkung. Eine Berufungsbeschränkung ist dann unwirksam, wenn sie zu Widersprüchen zwischen den nicht angefochtenen Teilen des Urteils und der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führen kann (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rdnr. 7 m. w. Nachweisen). Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die Verurteilung des Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen M., begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, jedoch im Widerspruch zu der Feststellung einer nur einige Minuten zuvor in unmittelbarer Nähe begangenen Rauschtat bei nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB zum Nachteil des Zeugen S. steht.
Das Landgericht hätte nach alledem die tatsächliche und rechtliche Prüfung auch auf das Vergehen des Vollrausches erstrecken müssen. Das ist hier nicht geschehen, so dass ein Teil des Verfahrensgegenstandes von dem angefochtenen Urteil nicht miterfasst worden ist.
Diesen Verfahrensfehler hat der Senat auch ohne ausdrückliche Rüge zu beachten. Denn die Frage, ob eine Berufungsbeschränkung zu Recht oder Unrecht Rechtskraftwirkung hervorgerufen hat, ist von Amts wegen zu prüfen.

Der dargelegte Mangel nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

III.
Auch wenn auf die weiteren Rügen nicht näher eingegangen zu werden braucht, bemerkt der Senat ergänzend an, dass ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden kann (§ 74 StPO). Ablehnungsgrund ist danach die Befangenheit, nicht jedoch ein möglicher Mangel an Sachkunde. Letzteres kann allenfalls zur Anhörung eines weiteren Sachverständigen führen.

IV.
Soweit der Angeklagte beantragt hat, ihm Rechtsanwalt S. für das Revisions-verfahren als Pflichtverteidiger beizuordnen, war hierüber nicht zu befinden. Durch Beschluss des Landgerichts Bochum vom 14. Juni 2006 ist Rechtsanwalt S. als Pflichtverteidiger bestellt worden. Die Bestellung erstreckt sich, wenn sie nicht beschränkt wird, was vorliegend nicht der Fall ist, auch auf die Einlegung und Begründung der Revision und auf das Revisionsverfahren.



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