Aktenzeichen: 1 Ss OWi 506/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Sachverständigengutachten; Urteilsgründe; Anforderungen; Beweiswürdigung; |
Normen: StPO 267 |
Beschluss: Bußgeldsache gegen V.P. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 21. Mai 2007 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 12. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 1 OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 395,00 verurteilt und daneben ein Fahrverbot von 3 Monaten festgesetzt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Betroffene am 17.05.2006 um 17.24 Uhr außerhalb der geschlossenen Ortschaft Kreuztal-Buschhütten auf der B 54N/HTS in Höhe der Anschlussstelle Buschhütten in Fahrtrichtung Siegen mit einem PKW mit einer Geschwindigkeit von 177 km/h (abzüglich der Toleranz), obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle 100 km/h betrug. Der Betroffene hat bestritten, Fahrer des PKW gewesen zu sein. Seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen hat der Tatrichter u. a. wie folgt begründet: Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. handelt es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des abgelichteten Pkw´s. Nach Ausführungen des Sachverständigen ist das Messfoto nicht von guter Qualität, jedoch zur Identifizierung des Fahrers geeignet. Das Foto wurde von vorne links aufgenommen. Die Blickrichtung des Fahrers reicht dabei nach vorne. Wesentliche Verdeckungen des Gesichts, die die Beurteilungsmöglichkeit einschränken könnten, liegen nicht vor. Das Gesicht des Fahrers ist schmal, lang mit einer angedeuteten elliptischen Grundform. Die Stirn ist mittelhoch und steil stehend. Die Augenbrauen sind kräftig gezeichnet und verlaufen in einem flachen Bogen. Die Nasenwurzel ist schmal, der Nasenrücken gradlinig und mittellang und die Nasenkuppe ist in spitzer Form. Das Kinn ist rund und der Unterkieferast deutlich abgesetzt vom Hals. Das linke Ohr ist eingeschränkt abgebildet, die Form des Ohrläppchens ergibt sich aus dem Bild nicht eindeutig. Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestehen zwischen dem auf dem Messfoto abgebildeten Fahrer und dem Betroffenen keine Unähnlichkeiten bezüglich folgender Punkte: Zwischen dem abgelichteten Fahrer und dem Betroffenen stimmen die hohe Stirn, die Stirnhaargrenze sowie die linke Schläfenhaargrenze überein. Ebenso wie der abgebildete Fahrer weist der Betroffene ausgeprägte Augenbrauen auf, deren Verlauf mit denen des Betroffenen übereinstimmt. Fahrer und Betroffener weisen jeweils eine schmale Nasenwurzel sowie eine spitze Nasenkuppe auf. Ferner besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem Betroffenen und dem abgelichteten Fahrer hinsichtlich der Hauptoberlippe sowie der Schleimhautoberlippe. Nach dem Gutachten des Sachverständigen liegt zudem eine Übereinstimmung zwischen dem abgelichteten Fahrer und dem Betroffenen hinsichtlich des Kinns, des Unterkieferastes und der Form des linken Ohres vor. Vorbehaltlich der Vergleichbarkeit mit blutsverwandten Angehörigen des Betroffenen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Betroffenen und dem abgelichteten Fahrer höchstwahrscheinlich eine Identität besteht. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der noch ausreichend eine Sachrüge zu entnehmen ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen. II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufig Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt: Das Amtsgericht hat sich nicht rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt. Das Gericht hat entgegen der Auffassung des Betroffenen gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in den Akten befindlichen Beweisfotos Bezug genommen. Unschädlich ist, dass das Gericht die Vorschrift des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht ausdrücklich genannt hat, da die Verwendung des Gesetzestextes in den Urteilsgründen ausreicht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 09.02.2005 4 SsOWi 68/05 m. w. N.). Im Übrigen ist aus den Urteilsgründen nicht zweifelhaft, zu welchem Grund die Bezugnahme erfolgte und worauf sie sich bezog, zumal das Bußgeldverfahren hier nur einen Messvorgang mit den dabei gefertigten Fotos zum Gegenstand hatte, so dass Unklarheiten und Verwechselungen ausgeschlossen sind. Darüber hinaus hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Identität des Betroffenen eingeholt. Insoweit kann das Urteil jedoch keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten nicht gerecht werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 2000, 1351; NJW 1992, 3081). Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses kann allerdings ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat und von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081). Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt sich aber nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (vgl. BGH NJW 2000, 1350), so dass sich dessen Darstellung im Urteil nicht im wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachten beschränken kann. Um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Schlüssigkeit eines solchen Gutachtens zu ermöglichen, bedarf es daher u. a. einer Darlegung, auf welche und wie viel übereinstimmende Körpermerkmale der Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt hat und auch welche Art und Weise er die Übereinstimmungen ermittelt hat (OLG Hamm, Beschl. v. 14.06.2007 3 SsOWi 387/07). Zwar sind elf Merkmale aufgeführt, die für eine Identität zwischen Betroffenem und Fahrer sprechen sollen. Auf welche Art und Weise der Sachverständige den Aussagewert der in Betracht kommenden morphologischen Übereinstimmungen im Hinblick auf die Häufigkeit oder Seltenheit des jeweils betroffenen Merkmals beurteilt hat (vgl. BGH NStZ 1991, 596; OLG Celle, NZV 2002, 472; Thüringer OLG, VRS 110, 115), ergibt sich aus den Urteilsgründen ebenso wenig wie spezifische Ausprägungen der von dem Tatrichter aufgezählten Gesichtsmerkmale. Die Bewertung der Beweisbedeutung der Merkmale im einzelnen bzw. in ihrer Gesamtheit durch den Sachverständigen wird nicht mitgeteilt. Es hätte darüber hinaus Angaben dazu bedurft, auf welchem biostatistischen Vergleichsmaterial das Begutachtungsergebnis des Sachverständigen beruht (vgl. BGH NJW 2000, 1350). Auch hierzu lässt sich aus dem amtsgerichtlichen Urteil nichts entnehmen. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 18.04.2007 1 SsOWi 106/07 und den Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen vom 23. Januar 2007 3 SsOWi 430/06 an und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Das Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen. |
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