Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 812/07 OLG Hamm |
Leitsatz: In Strafvollzugssachen muss die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Betroffenen, den für erwiesen erachteten Sachverhalt und die von der Vollzugsbehörde zugrundegelegten entscheidungserheblichen Tatsachen in den Gründen ihres Beschlusses wenigstens in gedrängter Form darlegen, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Justizverwaltungssache |
Stichworte: Strafvollstreckungssache; Entscheidung; Begründung; Anforderungen; |
Normen: StVollzG 116 |
Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen K.S. wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden (hier: Gewährung von Vollzugslockerungen). Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 15. November 2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 23. Oktober 2007 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 12. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen beschlossen: Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen. Gründe: I. Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen und dazu ausgeführt: Bei der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller keinen Urlaub und keinen Ausgang zu gewähren, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die das Gericht nur unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensüberschreitung und eines Ermessensfehlgebrauchs überprüfen darf. Außerdem handelt es sich bei den Voraussetzungen für die Gewährung der erwähnten Lockerungen um unbestimmte Rechtsbegriffe, bei denen der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zusteht. Das Gericht darf nur überprüfen, ob die Antragsgegnerin von einem richtigen Sinngehalt der Rechtsbegriffe sowie von einer vollständigen und zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Eine solche Überprüfung deckt hier keinen Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil des Antragstellers auf. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller die erwähnten Lockerungen zu versagen, stellt weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensfehlgebrauch dar. An den von der Antragsgegnerin zugrundegelegten Tatsachen hat das Gericht nichts auszusetzen. Auch der Antragsteller wehrt sich lediglich gegen die darauf basierenden Einschätzungen und Schlussfolgerungen der Antragsgegnerin. Die betreffenden Tatsachen lassen die getroffene Entscheidung indessen als vertretbar erscheinen. Die von der Antragsgegnerin zugrundegelegten Tatsachen vermögen ihre Entscheidung auch dann noch zu tragen, wenn man die vom Antragsteller daran geübte Kritik in die Prüfung einbezieht. Auch dann nämlich können die Einschätzungen und Beurteilungen der Antragsgegnerin jedenfalls nicht von der Hand gewiesen werden. Dies gilt insbesondere für das wohl ausschlaggebende Argument der Antragsgegnerin für die hier getroffene Entscheidung, dass nämlich der Antragsteller daran festhält, seine Straftaten zu leugnen und deswegen konsequenter- weise jegliche Tataufarbeitung zu verweigern. Der Antragsteller irrt, wenn er davon ausgeht, dass er für diese Einstellung durch die Versagung von Lockerungen unzulässigerweise bestraft werden solle. Richtig ist vielmehr, dass ihm die Lockerungen nicht wegen dieser seiner Haltung, sondern wegen der sich daraus ergebenden Unmöglichkeit versagt werden, das bei ihm im Lockerungsfall bestehende Missbrauchsrisiko hinreichend sicher einzuschätzen. Sogar in der vom Antragsteller angeführten für ihn positiven Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt Schwerte lautet die Gesamtbeurteilung des Missbrauchsrisikos nur auf günstig bis unklar, ist mithin keineswegs uneingeschränkt günstig. Ob hier aufgrund der vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte möglicherweise auch eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können, kann dahingestellt bleiben, da das Gericht nicht befugt ist, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Antragsgegnerin zu setzen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er ist der Auffassung, dass die von der Strafvollstreckungskammer angeführten Gründe die Ablehnung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nicht tragen. Konkrete Ansatzpunkte zum eigentlichen Sachverhalt und zum Vortrag des Antragstellers seien nicht ersichtlich. Die Strafvollstreckungskammer sei offensichtlich der Auffassung, dass einem Strafgefangenen, der die ihm vorgeworfenen Tat auch im Nachhinein nicht gestehe, die Urlaubstauglichkeit abzusprechen sei. Schließlich habe die Strafvollstreckungskammer auch nicht überprüft, ob die Justizvollzugsanstalt das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt habe. II. Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG) und hat auch in der Sache ein zumindest vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zurückzuverweisen, denn der Beschluss leidet an einem durchgreifenden Mangel. Ihm ist nicht in der gebotenen Weise zu entnehmen, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wie auch der übrigen mit Strafvollzugssachen befassten Oberlandesgerichte gilt mit Rücksicht auf die Besonderheiten des revisionsrechtlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahrens in Strafvollzugssachen, dass die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Betroffenen, den für erwiesen erachteten Sachverhalt und die von der Vollzugsbehörde zugrundegelegten entscheidungserheblichen Tatsachen in den Gründen des Beschlusses wenigstens in gedrängter Form darzulegen hat, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 28. Juli 2005 1 Vollz (Ws) 124/05). Diese Anforderungen sind auch durch das 7. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 über die Ergänzung des § 115 Abs. 1 StVollzG nicht grundlegend geändert worden. Danach sollen die Strafvollstreckungskammern in ihrer Entscheidung nämlich auch weiterhin den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form zusammenstellen. Auf bei den Akten befindliche Schriftstücke, die genau zu bezeichnen sind, darf nur wegen der Einzelheiten des zu beurteilenden Sachverhalts verwiesen werden. Denn nur dann ist für das Rechtsbeschwerdegericht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die Strafvollstreckungskammer eine eigene Überprüfung des Antragsvorbringens und der entgegenstehenden Entschei-dung der Vollzugsbehörde vorgenommen haben. Von einer eigenen Begründung ihrer Entscheidung in rechtlicher Hinsicht darf die Strafvollstreckungskammer schließlich nur absehen, wenn sie die Gründe der angefochtenen Entschließung der Vollzugsbehörde unter Berücksichtigung der zuvor getroffenen tatsächlichen Feststellungen für ausreichend und zutreffend erachtet und dies ausdrücklich feststellt. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Eine Sachverhaltsschilderung selbst in gedrängter Form oder eine Bezugnahme auf Aktenbestandteile, die der näheren Erläuterung des Sach- und Streitstandes dienen, enthält der Beschluss nicht. So teilt die Strafvollstreckungskammer lediglich mit, dass der Betroffene um Urlaub bzw. Ausgang erfolglos nachgesucht habe und an den von der Vollzugsbehörde zugrundegelegten Tatsachen .... nichts auszusetzen sei. Der Betroffene wehre sich lediglich gegen die darauf basierenden Einschätzungen und Schlussfolgerungen der Antragsgegnerin. Um welche Tatsachen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen es sich dabei handelt und warum jedenfalls nach Auffassung des Betroffenen - die ablehnende Entschließung der Vollzugsbehörde falsch sein soll, ist dem angefochte-nen Beschluss nicht zu entnehmen. Soweit die Strafvollstreckungskammer außerdem darauf abstellt, dass der Betroffene daran festhalte, seine Straftaten zu leugnen wird nicht mitgeteilt, um welche Taten es sich handelt und warum sich daraus eine mögliche Flucht- oder Missbrauchsgefahr ergeben soll. Auch die in dem angefochtenen Beschluss erwähnte für den Betroffenen offensichtlich positive Stellungnahme des psychologischen Dienstes der Justizvollzugsanstalt wird nur im Ergebnis (günstig bis unklar) erwähnt. Angesichts des wie oben ausgeführt nur äußerst lückenhaft mitgeteilten Sachverhalts kann der Senat eine rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entschei-dung nicht vornehmen. Deswegen war der in sich nicht hinreichend unverständliche Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbe-schwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Aus gegebenen Anlass bemerkt der Senat ergänzend, dass die Strafvollstreckungs-kammer dem Erfordernis einer eigenen Schilderung des Sach- und Streitstandes aber auch dann nicht ausreichend Rechnung trägt, wenn sie in ihren Entscheidungsgründen lediglich die bei den Akten befindlichen Schriftstücke wortgleich und ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung für das gerichtliche Verfahren wiedergibt (kopiert) und damit letztlich einen bloßen Aktenauszug erstellt. Auch diese Art der Sachbehandlung ersetzt nicht die von der Strafvollstreckungskammer vorzunehmende eigene (geraffte) Darstellung des zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Sachverhalts und der dazu angestellten rechtlichen Erwägungen. |
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