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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 824/07 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Urteil das ganz oder jedenfalls für den angefochtenen Teil keine Beweisgründe und Beweiswürdigung enthält, weist einen auf die Sachrüge hin beachtlichen Rechtsmangel auf.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Beweiswürdigung; Anforderungen; Fahrverbot; Begründung;

Normen: StPO 267

Beschluss:


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Bußgeldsache
In PP.

1. Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Bottrop zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bottrop hat gegen den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h außerhalb der geschlossenen Ortschaft - fahrlässige Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG i.V.m. den §§ 3, 41, 49 StVO - eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro festgesetzt. Das Urteil wurde in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft verkündet. Dieser ist es aufgrund Verfügung des Vorsitzenden am 05.10.2007 zugestellt worden. Mit der am 08.10.2007 eingelegten und nach Nachholung der Urteilsgründe am 18.10.2007 fristgerecht begründeten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft mit der Antragsschrift vom 13.12.2007 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts und wendet sich gegen die Nichtanordnung eines Fahrverbots.
II.
Das Rechtsmittel hat auf die allein erhobene Sachrüge hin Erfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OwiG, da von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist, ein solches aber im Rahmen der Übersendung der Akten von der Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht schriftlich beantragt worden war. Ein solcher schriftlicher Antrag reicht aus (KK-OWiG-Senge 6. Aufl. § 69 Rdn. 22).
Die Verfolgungsverjährung ist rechtzeitig durch die schriftliche Anhörung des Betroffenen vom 26.03.2007 unterbrochen worden (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).
2.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist rechtsfehlerhaft. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH NStZ 1983, 277, 278; OLG Hamm Beschl. v. 29.08.2001 - 2 Ss 488/01, OLG Hamm Beschl. v. 02.08.2007 - 3 Ss 319/07, jew. m.w.N.).
Das Urteil unterlag allein deswegen bereits der Aufhebung, weil es zu den für die Anordnung eines Fahrverbots maßgeblichen Feststellungen keine Beweiswürdigung enthält. Ein Urteil das ganz oder jedenfalls für den angefochtenen Teil keine Beweisgründe und Beweiswürdigung enthält, weist einen auf die Sachrüge hin beachtlichen Rechtsmangel auf (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 45).
Das angefochtene Urteil enthält als einzige "Beweiswürdigung" den Satz: "Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, dem Messprotokoll vom 27.01.2007 (Bl. 4), dem Eichschein Bl. 5 sowie der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister vom 26.04.2007". Dieser Satz findet sich im Anschluss an die Feststellungen zum Tageschehen und nachdem zuvor festgestellt worden war: "Der jetzt 46 Jahre alte Betroffene ist Rechtsanwalt. Er ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 11, 13 und 16 Jahren. Seine Einkommensverhältnisse sind geregelt. Der Betroffene besitzt die Fahrerlaubnis seit dem Jahre 1981. Im Verkehrszentraregister ist eine Eintragung verzeichnet: (...)."
Nach diesem Satz der Beweiswürdigung folgen Feststellungen zum Messverfahren sowie einen weiteren Satz, der als Beweisgrund angibt: "Der Betroffene hat die Fahrt eingeräumt und auch die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Zweifel gezogen". Sodann folgt eine rechtliche Würdigung. Erst im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung, insbesondere der Begründung der Nichtanordnung des Fahrverbots, enthält das Urteil dann weitere Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des Angeklagten und insbesondere zur Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges zur Durchführung bundesweiter auswärtiger Termine. Im Urteil wird diesbezüglich aber nicht mitgeteilt, worauf diese Feststellungen beruhen. Standort und Formulierung der vorangegangenen Beweiswürdigungsabschnitte lassen es nicht zu, aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils darauf zu schließen, dass auch diese Feststellungen auf der Einlassung des Betroffenen beruhen.
b) Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre die Beweiswürdigung noch insoweit lückenhaft, als nicht näher dargelegt wird, warum das Amtsgericht die Einlassung für glaubhaft hält.
c) Wegen der Wechselwirkung zwischen der Höhe einer Geldbuße und einem Fahrverbot war das Urteil im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen.
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Urteilsgründe müssen so abgefasst sein, dass es dem Senat ermöglicht wird, zu überprüfen, ob eine vom Amtsgericht getroffene Fahrverbotsentscheidung zutreffend ist oder nicht. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und dem gemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH, NZV 1992, 286, 288; OLG Hamm Beschl. v. 24.01.2007 - 4 SsOWi 891/06). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (OLG Hamm Beschl. v. 24.01.2007 - 4 SsOWi 891/06). Zwar ist die Entscheidung des Tatrichters vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifel "bis zur Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen. Der Tatrichter muss jedoch für seine Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben (OLG Hamm Beschl. v. 24.01.2007 - 4 SsOWi 891/06; OLG Hamm Beschl. v. 29.11.2007 - 3 SsOWi 784/07).
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