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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 318 u. 319/07 OLG Hamm

Leitsatz: Die Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich auswählen, bei welchem von mehreren nach den §§ 7 ff. StPO örtlich zuständigen Gerichten sie die Anklage erheben will. Sie darf lediglich ihre Auswahl nicht auf unsachliche, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernende Erwägungen stützen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Anklageerhebung; Zuständigkeit; Auswahlermessen; Staatsanwaltschaft;

Normen: StPO 7; StPO 8; StPO 9

Beschluss:

Strafsache
gegen H.G.,
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, (hier: Nichteröffnung des Hauptverfahrens sowie Verbinung von Verfahren).

Auf die Beschwerden der Staatsanwaltschaft Bochum vom 15. August 2007 gegen den Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 17. Juli 2007 und vom 24. August 2007 gegen den Beschluss derselben Strafkammer vom 15. Juni 2007, soweit sich diese unter Punkt 2 für eine Sachentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens für örtlich unzuständig erklärt hat, hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 12. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeschuldigten beschlossen:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der unter Punkt 2 der Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 01. Februar 2007 aufgeführten Straftat sowie zur Entscheidung über die Verbindung von Verfahren an das insoweit zuständige Landgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte in dem Verfahren 46 Js 77/05 gegen den Angeschuldigten H.G. sowie gegen A.B., O.K. und andere Anklage wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Heroin in nicht geringer Menge in mehreren Fällen erhoben, worauf der Angeschuldigte in jenem Verfahren durch seit dem 10. November 2006 rechtskräftiges Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 27. April 2006 wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bandenmäßigem unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden ist. Diese Strafe verbüßt er derzeit in der Justizvollzugsanstalt Bochum.

Gegen die früheren Mitangeklagten B. und K. ist das Verfahren am 27. bzw. 30. März 2006 abgetrennt und ausgesetzt worden. Gegen sie soll nach Erhebung einer weiteren Anklage vom 29. Januar 2007 (46 Js 99/06) und Verbindung mit dem früheren Verfahren 46 Js 77/05 ab Februar 2008 vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum die Hauptverhandlung stattfinden.

Unter dem Aktenzeichen 46 Js 100/06 wurde gegen den Angeschuldigten G. aufgrund seiner Angaben, die er in Bezug auf die früheren Mitangeklagten in Vernehmungen am 23. und 24. März 2006 gemacht hatte, ein neues – nämlich das vorliegende – Verfahren wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingeleitet und zunächst am 24. April 2006 im Hinblick auf die in dem Verfahren 46 Js 77/05 zu jenem Zeitpunkt noch zu erwartende - und inzwischen rechtskräftig verhängte - Freiheitsstrafe gem. § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft im August 2006 aufgrund der Angaben eines festgenommenen Drogenkuriers neue Erkenntnisse gewonnen hatte, die mit den Feststellungen im Urteil gegen den Angeschuldigten vom 27. April 2006 nicht in vollem Umfang in Einklang zu bringen waren, wurde das vorliegende Verfahren wieder aufgenommen und unter dem 01. Februar 2007 Anklage wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen vor der Strafkammer des Landgerichts Bochum erhoben. Der Gegenstand der neuen Anklage ist identisch mit demjenigen der Anklage vom 29. Januar 2007 in dem Verfahren 46 Js 99/06 gegen B. und K. und betrifft zum Einen das Handeltreiben mit rd. 2 kg Heroin im Spätsommer 2004 und zum Anderen mit rd. 3 kg Heroin Ende September/Anfang Oktober 2004. Die erste zur Last gelegte Tat soll zumindest teilweise auch in Bochum begangen worden sein, während hinsichtlich der zweiten Tat insoweit für sich gesehen keine örtliche Zuständigkeit ersichtlich ist.
Die Staatsanwaltschaft ging bei Anklageerhebung deshalb insgesamt von der örtlichen Zuständigkeit der Strafkammer in Bochum aus und beantragte sodann mit späterer Verfügung vom 21. März 2007 die Verbindung mit dem Verfahren 46 Js 99/06 bzw. 46 Js 77/05 gegen B. und K..

Durch Beschluss vom 15. Juni 2007 hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Bochum die Zulassung der Anklage hinsichtlich des ersten Falles (Tat von Spätsommer 2004) und die Eröffnung des Hauptverfahrens insoweit abgelehnt, weil nicht auszuschließen sei, dass es sich in diesem Fall möglicherweise um eine identische Rauschgiftmenge handelt und der Angeschuldigte deswegen bereits durch das Urteil vom 27. April 2006 verurteilt worden ist.
Hinsichtlich des zweiten Falles hat die Strafkammer eine Sachentscheidung nicht getroffen und insoweit lediglich ihre örtliche Zuständigkeit verneint, da ein Gerichtsstand nicht ersichtlich sei.

Die Staatsanwaltschaft hat die Entscheidung der Strafkammer, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich des ersten Falles abgelehnt worden ist, zwar nicht für zutreffend gehalten, insoweit eine sofortige Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens jedoch nicht eingelegt.
Sie hat aber im Übrigen mit Verfügungen vom 03. und 12. Juli 2007 hinsichtlich der verbliebenen Tat zu 2 die Verbindung des Verfahrens mit den Verfahren 46 Js 99/06 bzw. 46 Js 77/05 erneut beantragt.
Darauf hin hat die Strafkammer durch Beschluss vom 17. Juli 2007 die Verbindung mit diesen Verfahren abgelehnt, da sie für das vorliegende Verfahren im Hinblick auf die Bestandskraft des die Eröffnung ablehnenden Beschlusses vom 15. Juni 2007 nicht mehr zuständig sei.

Gegen den Beschluss vom 17. Juli 2007 betreffend die Verbindung der Verfahren hat die Staatsanwaltschaft sodann mit Verfügung vom 15. August 2007 Beschwerde eingelegt, der die Strafkammer mit Beschluss vom 20. August 2007 nicht abgeholfen hat.
Mit weiterer Verfügung vom 24. August 2007 hat die Staatsanwaltschaft sodann auch gegen den Beschluss vom 15. Juni 2007, soweit die Strafkammer unter Nr. 2 eine Sachentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen örtlicher Unzuständigkeit abgelehnt hat, Beschwerde eingelegt, der die Strafkammer durch weiteren Beschluss vom 28. August 2007 ebenfalls nicht abgeholfen hat.


II.
Die Beschwerden sind zulässig und führen zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.

Vorab ist dabei anzumerken, dass die Tenorierung des Beschlusses vom 15. Juni 2007 zumindest missverständlich sein könnte, soweit unter Nr. 1 die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens insgesamt ausgesprochen und insoweit eine Sach-entscheidung über die gesamte Anklage ergangen sein könnte. Aus der Nr. 2 des Beschlusstenors sowie aus den Beschlussgründen ergibt sich jedoch, dass die Strafkammer hinsichtlich der zweiten Tat in eine Prüfung der Frage des hinreichenden Tatverdachts gar nicht eingetreten ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 10. September 1998 in 2 Ws 376/98, dort unter II letzter Absatz = NStZ-RR 1999, 16, 17/18 = StV 1999, 240 = wistra 1999, 35).
Daher ist, soweit die Strafkammer ihre örtliche Zuständigkeit verneint hat, die (einfache) Beschwerde gegen diesen Beschluss statthaft.

Die Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich auswählen, bei welchem von mehreren nach den §§ 7 ff. StPO örtlich zuständigen Gerichten sie die Anklage erheben will. Sie darf lediglich ihre Auswahl nicht auf unsachliche, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernende Erwägungen stützen.

Angesichts der oben dargelegten Sachlage handelt es sich bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Bochum, die Anklage vom 01. Februar 2007 zum Landgericht Bochum zu erheben, nicht um eine willkürliche Entscheidung, auch wenn die Strafkammer hinsichtlich einer der angeklagten Strafen wegen eines von ihr für gegeben erachteten Verfahrenshindernisses die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat.
Für die unter Nr. 2 angeklagte Tat ist das Landgericht Bochum nämlich gem. §§ 3, 13 Abs. 1 StPO wegen des Gerichtsstands des Zusammenhangs auch örtlich zuständig.
Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht bei der Entscheidung vom 15. Juni 2007 möglicherweise nicht bedacht.
Die Strafkammer hätte daher ihre örtliche Zuständigkeit annehmen und in die sachliche Prüfung eintreten müssen, ob hinsichtlich der unter 2 angeklagten Tat eine zur Eröffnung des Hauptverfahrens berechtigende Beweislage vorliegt. Durch die außer Frage stehende örtliche Zuständigkeit für die unter 1 angeklagte Tat ergab sich gem. §§ 3, 13 StPO die Zuständigkeit auch für die weitere Tat, wobei sich zudem aus § 207 Abs.2 Nr. 1 StPO ergibt, dass über die angeklagten Taten ein einheitlicher Eröffnungsbeschluss zu ergehen hat (vgl. auch BGH NStZ 2004, 100).

Auch wenn die Strafkammer diesen einheitlichen Beschluss aufgrund der inzwischen teilweise eingetretenen Rechtskraft hinsichtlich der Nichteröffnung nicht mehr erlassen kann, wird sie aufgrund ihrer nicht verloren gegangenen Zuständigkeit die bisher unterbliebene Sachentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nachzuholen haben.
Zu diesem Zweck ist die Sache an das Landgericht Bochum zurückzuverweisen.

Zugleich war auch die allein mit der örtlichen Unzuständigkeit begründete Ablehnung der Verbindung von Verfahren aufzuheben.
Allerdings wird insoweit eine erneute und endgültige Entscheidung über die Verbindung der – alle bei der selben Kammer anhängigen – Verfahren erst dann zu treffen sein, wenn in sachlicher Hinsicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden sein wird.

Bei der gegebenen Sachlage ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, da eine abschließende Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens noch nicht getroffen worden ist.



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