Aktenzeichen: 1 Ss 441/07 OLG Hamm |
Leitsatz: Ein pauschales Schuldanerkenntnis, auch in Verbindung mit der Angabe der Personalien, wird regelmäßig den Anforderungen einer ausreichenden Aufklärung des Unfallsgeschehens nicht entsprechen und damit weitere dem Feststellungsinteresse des Geschädigten dienende Ermittlungen durch die Polizei nicht erübrigen und schließt deshalb eine Bestrafung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht aus. |
Senat: 1 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort; Schuldanerkenntnis; pauschales; |
Normen: StGB 142 |
Beschluss: Strafsache gegen J.P wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 22. Juni 2007 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 02. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen: Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der evision an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Dortmund den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,00 verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte bislang zwei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten. So verurteilte ihn das Amtsgericht Dortmund am 25. August 2005 wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,00 . Darüber hinaus ist durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 02. November 2006 gegen ihn wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 verhängt und ein Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt worden. In der Sache selbst hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen: Am 20.10.2006 befuhr der Angeklagte gegen 4.51 Uhr mit dem Pkw der Marke Polo, amtliches Kennzeichen XXXXX, u. a. die Mindener Straße, um drei Freunde von ihm, die sich ebenfalls im Fahrzeug befanden, nach Hause zu fahren. Das oben genannte Fahrzeug ist auf den Vater des Angeklagten, Herrn S.P., zugelassen. Infolge Unachtsamkeit verursachte er einen Verkehrsunfall, bei welchem ein Schaden an dem Fahrzeug des Zeugen H. in Höhe von 1.000,00 entstand. Unmittelbar nach dem Unfall begaben sich der Angeklagte sowie die drei Mitfahrer aus dem Fahrzeug zu dem Geschädigten H.. Der Angeklagte bot ihm an, den Schaden zu regulieren. Nachdem der Zeuge H. darauf bestand, die Polizei zu rufen, parkte der Angeklagte sein Fahrzeug am Straßenrand und entfernte sich mit seinen Freunden vom Unfallort, ohne dem Ge- schädigten H. die Feststellung seiner Person ermöglicht zu haben. Hierbei nahm er zumindest billigend in Kauf, dass diese Feststellungen nicht unverzüglich ermöglicht werden können. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tat in der Hauptverhandlung sofort und unumwunden eingeräumt hat und dass der Schaden durch seinen Vater reguliert worden ist. Zu Lasten des Angeklagten sind dessen Vorstrafen, insbesondere eine einschlägige, gewertet worden. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,00 für tat- und schuldangemessen. Desweiteren ist ausgeführt, dem Angeklagten sei gem. § 44 StGB ein einmonatiges Fahrverbot aufzuerlegen, da er die Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen habe und ihm die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten. II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg, allerdings lediglich hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene materiell-rechtliche Nachprüfung des Urteils lässt in Bezug auf den Schuldspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Die tatrichterlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Gegen § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstößt, wer als Unfallbeteiligter gegen den Willen des Geschädigten sich vom Unfallort entfernt, solange dem Feststellungsinteresse des Geschädigten nicht oder nicht in vollem Umfang genüge getan ist, d. h. solange der Unfall im Ausmaß der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgezählten Kriterien noch nicht aufgeklärt ist. Der Geschädigte kann zwar die erforderlichen Feststellungen in Gegenwart des Schädigers selbst treffen, muss dies jedoch nicht, sondern ist regelmäßig befugt, die Hilfe der Polizei bei der Aufnahme des Unfalls in Anspruch zu nehmen und die Anwesenheit des anderen Unfallbeteiligten bis zu deren Eintreffen zu verlangen. Ein pauschales Schuldanerkenntnis, auch in Verbindung mit der Angabe der Personalien, wird regelmäßig den Anforderungen einer ausreichenden Aufklärung des Unfallsgeschehens nicht entsprechen und damit weitere dem Feststellungsinteresse des Geschädigten dienende Ermittlungen durch die Polizei nicht erübrigen (OLG Stuttgart, NJW 1978, 900; OLG Hamm, NJW 1972, 1383; OLG Karlsruhe, NJW 1973, 378; Schönke-Schröder-Cramer/Sternberg-Lieben, StGB, 27 Aufl., § 142 Rdnr. 27). Der Geschädigte hat schon nicht die Möglichkeit einer verlässlichen Überprüfung, ob die ihm angegebenen Personalien auch zutreffen. Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung mit der Versicherung können insbesondere auftreten, wenn Halter und Fahrer nicht identisch sind. Darüber hinaus muss der Geschädigte spätere Einwendungen gegen die Schadenshöhe befürchten. Jedenfalls in Fällen, in denen der Fremdschaden nicht unerheblich ist, muss der Schädiger auf Verlangen des Geschädigten abwarten, bis die Polizei erscheint. Dies hat der Angeklagte vorliegend nicht getan. Nach den Feststellungen des Urteils hat er sich vielmehr vom Unfallort entfernt, ohne seine Personalien zu hinterlassen. Soweit der Verteidiger in der Revisionsbegründung unter Berufung auf ein Urteil des OLG Oldenburg (NJW 1968, 2019) die Auffassung vertritt, das Verhalten des Angeklagten sei als Selbstbegünstigung straflos, wird verkannt, dass es sich bei dem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall um einen besonders gelagerten Ausnahmefall, der keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann ( so auch OLG Stuttgart, a.a.O. ), gehandelt hat, da dem Geschädigten der Schädiger bekannt war und es sich um einen geringfügigen Schaden an einem Weidezaun gehandelt hat. Eine vergleichbare Sachlage ist hier nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass der Angeklagte den von ihm geführten Pkw am Unfallort zurückgelassen hat, beseitigt nicht seine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dass die Feststellungen auch ohne seine Anwesenheit nicht erschwert wären, ändert an der Anwesenheitspflicht nichts (Fischer, StGB, 55. Aufl., § 142 Rdnr. 27). Auch die Feststellungen des Amtsgerichts zum bedingten Vorsatz genügen den Anforderungen. Der subjektive Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert, dass der Unfallbeteiligte weiß oder damit rechnet, dass noch Feststellungen zu treffen sind. Da der Angeklagte sich hier vom Unfallort entfernt hat, ohne seine Personalien anzugeben, war ihm bewusst, dass weitere Aufklärungen erforderlich waren. Ein etwaiger Irrtum des Angeklagten über den Umfang der ihm zuzumutenden Wartepflicht wäre lediglich ein vermeidbarer Verbotsirrtum. Im Hinblick auf den Schuldspruch war die Revision daher als unbegründet zu verwerfen. Allerdings hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Der Generalstaatsanwalt hat insoweit ausgeführt: Allerdings begegnet der Rechtsfolgenausspruch rechtlichen Bedenken. Das Amtsgericht hat bei der Strafzumessung nicht bedacht, dass die hier verfahrensgegenständliche Tat vor dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 02.11.2006 begangen wurde. Hinsichtlich der Vorverurteilung sind die Feststellungen lückenhaft. Dem Revisionsgericht ist es mangels entsprechen- der Feststellungen nicht möglich, zu überprüfen, ob gem. § 55 StGB eine Gesamtstrafe hätte gebildet werden müssen. Darüber hinaus vermögen die Urteilsgründe die Anordnung des Fahrverbots nicht zu tragen. Die Verhängung des Fahrverbots steht im Ermessen des Gerichts. Dementsprechend müssen sich die Urteilsgründe zu den für das Gericht maßgeblichen Kriterien verhalten, da es ansonsten dem Revisions- gericht nicht möglich ist, zu überprüfen, ob das Gericht das ihm eingeräumte Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt hat. Zu prüfen ist, ob der Täter die Fahrerlaubnis derart zur Störung der Rechtsordnung missbraucht hat, dass die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe angebracht erscheint. Den Urteilsgründen ist eine entsprechende Prüfung nicht zu entnehmen. Diesen Ausführungen schließt der Senat sich nach eingehender Prüfung an und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Demgemäss war das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückzuverweisen. |
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