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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 866/07 OLG Hamm

Leitsatz: Die ordnungsbehördliche Vorschrift des § 11 Abs. 6 LHundG NRW, wonach „große Hunde außerhalb eines befriedeten Besitztums innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen angeleint zu führen sind“, ist hinreichend bestimmt.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Anleinpflicht; Hunde; im Zusammenhnag bebauter Ortsteil;

Normen: LHundeG 11; BBauG 34

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen PP.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 04. Oktober 2007 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 01. Oktober 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 02. 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht (als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:


Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bochum hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 01. Oktober 2007 wegen fahrlässigen Führens eines großen Hundes ohne Leine entgegen § 11 Abs. 6 LHundesG NW eine Geldbuße in Höhe von 20,00 EURO verhängt. Es hat hierzu folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene ist Eigentümer eines jetzt 10 Jahre alten Hundes der Rasse „Golden Retriever“. Nach Angaben des Betroffenen hat der Hund eine Widerristhöhe von mehr als 40 cm und wiegt mehr als 20 kg (sogenannter 40/20 Hund bzw. großer Hund).

Der Betroffene geht regelmäßig mit diesem Hund in Bochum im Naherholungszentrum Nord-Ost (volkstümlich in Bochum bezeichnet als Monte-Schlacko“) spazieren. Dieses Naherholungsgebiet liegt im Bochumer Stadtteil Wattenscheid, dort wiederum in dem Bezirk Südfeldmark. Das in Rede stehende Areal besteht zumeist aus Grünflächen, wobei es zu der Anlage 4 Zugänge gibt und innerhalb der Anlage mit Asphalt oder Pflaster befestigte Wege vorhanden sind. An den Wegen befinden sich mehrere Bänke und Abfalleimer, eine Spielwiese für Kinder ist vorhanden.

Die Anlage befindet sich in Luftlinie ca. 1 km von der Wattenscheider Innenstadt entfernt. Länge und Breite des Areals betragen bei maximalen Ausdehnungen jeweils höchstens 400 m. Das in Rede stehende Naherholungsgebiet ist von den Hauptverkehrsstraßen Hansastraße, Sommerdellenstraße, Moltkestraße und Märkische Straße umrahmt. Die Bereiche um das Naherholungszentrum herum sind mit vollständiger Bebauung versehen.

Wegen der Lage des Naherholungszentrums und seiner Eigenschaften wird zu den näheren Einzelheiten gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Abbildungen und Lichtbilder Blatt 18 – 38 der Bußgeldakte verwiesen.

Am 02.04.2007 führte der Betroffene gegen 19.00 Uhr den oben genannten Hund in dem besagten Naherholungszentrum aus. Dabei wurde der Hund unangeleint vom Betroffenen in der Anlage geführt, obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass ein unangeleintes Führen des Hundes in dieser Anlage nicht erlaubt war.“

Das Amtsgericht hat einen Verstoß des Betroffenen gegen die Pflicht nach § 11 Abs. 6 Landeshundesgesetz bejaht. Der in Rede stehende Hund sei ein sogenannter großer Hund im Sinne dieser Vorschrift. Diesen habe der Betroffene außerhalb eines befriedeten Besitztums auf öffentlichen Wegen nicht angeleint geführt. Der Tatort habe sich auch „innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ im Sinne dieser Vorschrift befunden. Hierzu führt der Tatrichter u.a. Folgendes aus:

„Dieses Tatbestandsmerkmal entspricht der Formulierung in § 34 BBauG. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich dort um einen bauplanungsrechtlichen Bezug des Merkmals handelt. Hier hingegen ist der Schutzzweck des Landeshundegesetzes heranzuziehen, weswegen der in diesem Gesetz genutzte Begriff weitergeht als die bauplanungsrechtliche Definition. So ist es selbstverständlich, dass unter dem Begriff der im Zusammenhang bebauten Ortsteile auch Gebiete fallen, für die ei Bebauungsplan besteht, für die also § 34 BBauG gerade nicht gelten würde. Zweck dieses Tatbestandsmerkmales ist also, die vom Tatbestand erfasste Fläche vom Außenbereich abzugrenzen, bei dem eine Anleinpflicht für große Hunde nicht besteht. Maßgeblich kommt es dabei also insgesamt auf den Eindruck der Geschlossenheit an (vgl. Ziffer 11.6.1.2 der Verwaltungsvorschrift LHundeG NW). Bei dem hier in Rede stehenden Naherholungszentrum handelt es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne dieser Vorschrift. Dies beruht darauf, dass das Gebiet, was selbst in seiner weitesten Ausdehnung durch Länge und Breite nicht größer als 400 m ist, nur ca. 1 km vom Wattenscheider Stadtzentrum entfernt ist und von Bebauung umgeben ist. Diese Umstände schließen aus, dass das Gelände zum bloßen Außenbereich zu zählen wäre.

Hierfür spricht auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW 2007, 1014. Dort hatte der Betroffene einen großen Hund im Stadtwald von Krefeld unangeleint laufen lassen. Das OLG Düsseldorf hat den Krefelder Stadtwald ohne jegliche Problematisierung als Fläche im Sinne des § 11 Abs. 6 LHundeG angesehen. Wenn schon ein Stadtwald, der naturgemäß nicht geschlossen bebaut sein kann, unter diese Vorschrift fällt, so muss dies erst recht für ein Naherholungszentrum gelten, das lediglich 1 km vom Stadtkern entfernt und eine so geringe Ausdehnung hat wie beschrieben.

Diese Auslegung entspricht auch der Systematik des Gesetzes und dem mit dem Gesetz verbundenen Schutzzweck. Eine Anleinpflicht besteht für alle Hunde, egal ob groß oder klein, in den engumschriebenen Bereichen des § 2 Abs. 2 LHundeG. Dort handelt es sich um Örtlichkeiten, die von besonders vielen Menschen frequentiert werden, so dass selbst bei kleineren Hunden ohne Leine erhebliche Gefahren bestehen. Demgegenüber hat das Gesetz in § 11 Abs. 6 LHundeG für größere und damit vom Gesetz her als gefährlich eingestufte Hunde das Gebiet des Leinenzwanges ausgedehnt. Solche Hunde dürfen nur im Außenbereich unangeleint geführt werden. Das bedeutet, dass das Merkmal „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ funktional und in Abgrenzung zum Außenbereich auszulegen ist. Dies führt dazu, aus den dargestellten Gründen das hier in Rede stehende Naherholungszentrum auch unter diesen Tatbestand zu fassen.“

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Betroffenen. Er ist der Auffassung, dass eine obergerichtliche Klärung der Frage, wie das Tatbestandsmerkmal „innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ in § 11 Abs. 6 Satz 1 LHundG NRW auszulegen sei, noch ausstehe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Der nach §§ 80 Abs. 1 und 3, 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341 ff. StPO rechtzeitig gestellte und form- und fristgerecht begründete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

Da die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 Euro beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den sogenannten weniger bedeutsamen Fällen wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von materiellen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 OWiG) zuzulassen oder, wenn das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Bei einer Verurteilung bis 100,00 Euro kann die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden; die Zulassung ist insoweit bei Verstößen bis 100,00 Euro noch weiter eingeschränkt.

Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt vorliegend nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts gebietet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hiezu in ihrer Stellungnahme vom 27. Dezember 2007 u.a. Folgendes ausgeführt:

„Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt indes nicht zur Aufdeckung einer solchen Rechtsfrage. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, welche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm zur Anleinpflicht von Hunden zu stellen sind (OLG Hamm, Beschluss vom 04.10.2007 – 3 Ss OWi 663/07 OLG Hamm -; OLG Hamm, Beschluss vom 17.07.2003 – 3 Ss OWi 439/03 -).
Die mit dem Zulassungsantrag aufgeworfene Frage, welche Anforderungen im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz für Rechtsnormen, welche die Anleinpflicht für Hunde begründen, ergeben, ist ebenfalls in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt (OLG Hamm, Beschluss vom 17.07.2003 – 3 Ss OWi 439/03 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2003 – IV 2 b Ss (OWi) 201/02 – (OWi) 86/02 I). Soweit der Zulassungsantrag darlegt, der Begriff „im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ werde dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht, wird verkannt, dass dem Bestimmtheitsgebot der Tatbestandsumschreibung Genüge getan ist, wenn die mit Geldbuße bedrohte Handlung ihrem Typus nach so gekennzeichnet ist, dass für den Bürger grundsätzlich vorausschauend erkennbar ist, ob sein Handeln mit Geldbuße geahndet werden könnte oder nicht (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 3 Rdn. 5 m.w.N.). Bei Bußgeldtatbeständen darf das Bestimmtheitsgebot jedoch wegen der weniger einschneidenden Unrechtsfolgen als im Strafrecht nicht überspannt werden. Eindeutige Klarheit, die keinen Auslegungszweifel entstehen lässt, kann dabei nicht verlangt werden; vielmehr ist wegen der Vielgestaltigkeit der denkbaren Lebensvorgänge eine zur praktischen Handhabung ausreichende Bestimmtheit, die auch durch Auslegen zu ermitteln sein kann, genügend (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.07.2003 – 3 Ss OWi 439/03 -). Der Begriff „im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch hinreichend klar bestimmt werden; unzumutbare Unklarheiten verbleiben insofern nicht.
Der Betroffene wendet sich daher im Ergebnis gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall, was eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu rechtfertigen mag (§ 80 Abs. 2 OWiG).“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Ergänzend ist noch Folgendes anzumerken:
Die ordnungsbehördliche Vorschrift des § 11 Abs. 6 LHundG NRW, wonach „große Hunde außerhalb eines befriedeten Besitztums innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen angeleint zu führen sind“, ist hinreichend bestimmt. Das Tatbestandsmerkmal „im Zusammenhang bebauter Ortsteile“ lässt sich nämlich nach Wortlaut und Zweck der Regelung ausreichend eingrenzen. Der Begriff wurde in Anlehnung an § 34 Abs.1 Satz 1 BBauGB in das LHundG NRW aufgenommen. Insoweit besteht eine durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisierte Definition. Er geht – worauf auch das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil hingewiesen hat – entsprechend dem Schutzzweck des LHundG NRW weiter als die bauplanungsrechtliche Begriffsbestimmung. Die Anleinpflicht besteht nämlich auch in zusammenhängend bebauten Gebieten, für die ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB (z.B. Ausweisung als reines Wohngebiet) besteht. Bei der Beurteilung des tatsächlichen Bebauungszusammenhangs ist maßgebend, inwieweit eine aufeinander-folgende Bebauung auch unter Berücksichtigung von Baulücken und Freiflächen den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Letztlich kommt es dabei auf die allgemeine Verkehrsauffassung an. In der Regel kann auch der Laie bei verständiger Betrachtung ein Gebiet als „im Zusammenhang bebaut“ erkennen. Von dem betroffenen Normadressaten wird deshalb keine Kenntnis der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich erwartet. Für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter ist ohne Weiteres erkennbar, dass er seinen Hund dort anleinen muss, wo gewöhnlich mit dem Erscheinen von Personen und/oder Tieren zu rechnen ist, deren Schutz beabsichtigt ist (VV LHundG NRW v. 02. Mai 2003). Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn nicht nur eine vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht.

III.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs kommt ebenfalls nicht in Betracht; eine entsprechende Rüge ist auch nicht erhoben worden.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).




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