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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 128/08 OLG Hamm

Leitsatz: Für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zur Durchführung der Ladungssicherung reicht es aus, dass dem Fahrzeugführer die hierfür benötigten Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stehen und er von diesen ohne Schwierigkeiten - in eigener Verantwortung - Gebrauch machen kann. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn sich die im Einzelfall benötigten Sicherungsmittel bei Fahrtantritt griffbereit im Fahrzeug befinden. Vielmehr stehen die zur Ladungssicherung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände dem Fahrzeugführer auch dann zur eigenverantwortlichen Benutzung zur Verfügung, wenn der Halter bzw. der Beförderer solche Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem Standort, von dem aus der Fahrzeugführer seine Fahrt antritt, lagermäßig vorrätig hält und sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Ladungssicherung; Verantwortlichkeit; Fahrer; Beförderer;

Normen: GGVSE 9

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen K.W.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 17. September 2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 04. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen.

Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 17.03.2008 Folgendes ausgeführt:

„I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Betroffenen am 17.09.2007 wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit (Nichtzurverfügungstellen der erforderlichen Ausrüstung für Ladungssicherung) zu einer Geldbuße in Höhe von 800,- EUR verurteilt (Bl. 75 - 85 d. A.).

Gegen dieses dem Betroffenen am 28.11.2007 zugestellte (Bl. 87 d. A.) Urteil richtet sich die am 20.09.2007 bei dem Amtsgerichts Detmold eingegangene Rechtsbeschwerde vom 19.09.2007 (Bl. 61 d. A.), die mit am 21.12.2007 bei dem Amtsgericht Detmold eingegangenem Schriftsatz vom 20.12.2007 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist (Bl. 88 ff. d. A.).

II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWIG statthafte Rechtsbeschwerde, die rechtzeitig eingelegt und fristgerecht begründet worden ist, hat mit der Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg.

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Nichtzurverfügungstellung von Ladungssicherungsmitteln als Beförderer von Gefahrgut nicht.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

“Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma H. Spedition. Am 22.11.2006 gegen 10.15 Uhr befuhr Herr T.S. als Arbeitnehmer der Firma H. Spedition mit dem LKW, Fabrikat MAN, Kennzeichen: XXXX, in Detmold den Nordring. Der Betroffene ist Halter dieses LKWs. Er ist auch Beförderer.

Auf der Ladefläche des LKWs transportierte Herr T.S. Gefahrgüter, die wie folgt gekennzeichnet waren:
UN 1263, Farbe, Klasse 3, I, Gesamt 736 Kilogramm,
UN 1263, Farbzubehörstoffe, Klasse 3, III, 2140 Kilogramm,
UN 2618, Vinyltoluene, stabilisiert, Klasse 3, III, 54 Kilogramm,
UN 2735, Amine, flüssig, ätzend, N.A.G. Klasse 8, II, 29 Kilogramm.

Die Ladesituation sah derart aus, dass an der Stirnseite der Ladefläche zwei große Kartons stehen, neben diesen Kartons steht eine Gitterbox mit einem großen Plastikbehälter darin. Auf diesen Kartons auf der Stirnseite steht ein großer Karton auf einer Holzpalette. In diesem befindet sich ein Sabo-Rasenmäher Dieser Sabo-Rasenmäher in diesem Holzkarton, der auf einer Palette steht, der wiederum auf diesen großen Kartons steht, ist völlig ohne Sicherung dort abgestellt. Der Rasenmäherkarton steht höher als die übrige Ladung.

In Fahrtrichtung hinter den beiden Kartons und der Gitterbox befinden sich Metalltonnen mit dem Gefahrengut. Diese stehen auf Holzpaletten und sind mit Schrumpffolie ummantelt. In Fahrtrichtung hinter den beiden großen Kartons befindet sich eine solche Palette mit metallenen Fässern, in denen sich Gefahrengut befindet Daneben in Fahrtrichtung zur rechten Seitenwand der Ladefläche befindet sich liegend ein Paket aus Pappe, das völlig ungesichert neben diesen Gefahrenguttonnen liegt. Daneben, also in Fahrtrichtung hinter der Gitterbox, befinden sich drei ebensolche Paletten mit Gefahrengut, auf denen sich mit Schrumpffolie “zusammengeschweißte“ Kanister befinden. Der Abstand zwischen den Kanistern auf den Paletten beträgt ca. 30 - 40 cm. In diesen Zwischenräumen ist nichts gestellt und es sich auch nicht gesichert, dass diese Kanister sich nicht zueinander verschieben können.

In Fahrtrichtung dahinter befinden sich sodann Kanister mit Gefahrengut auf Paletten, die wiederum oben drauf mit Paletten aufgelegt und so abgesichert sind, dass sie ohne Zwischenraum zwischen diesen Paletten, die oben auf den Kanistern befestigt sind, stehen. Rechts daneben stehen jedoch zwei weitere Paletten, auf denen lediglich die Kanister in Schrumpffolie eingepackt sind, mit ebenfalls ca. 30 - 40 cm jeweils zueinander Platz als auch zu den eben beschriebenen mit oben drauf liegenden Holzpaletten zusätzlich gesicherten Paletten.

Im Hinteren Bereich die Kanister auf den Paletten, die sich auf in Fahrtrichtung Iinker Seite befinden, haben ebenfalls Ladelücken von ca. 30 bis 40 cm bis zur linken Seitenwand in Fahrtrichtung. Auch diese Ladelücken sind nicht mit Auffüllstoffen oder leeren Paletten abgesichert. Ebenfalls sind diese Tonnen nicht zusätzlich durch irgendwelche Sicherungsmaßnahmen abgesichert, wie z.B. Gurte oder Spannbalken. Auf dem hinteren Bereich der Ladefläche befinden sich sodann noch mehrere Pakete, die völlig ungesichert auf der Höhe der metallenen Tonnen mit Gefahrgut stehen bzw. liegen.

Der Rasenmäher in dem Karton war zu linken Seite und nach hinten nicht gesichert. Vorne war er bündig an die Stirnseite heran gestellt worden. Die Tonnen mit dem Gefahrengut waren weder zur Seite noch nach hinten noch nach vorne, jedenfalls soweit sie nicht oben drauf mit einer zusätzlichen Palette gesichert waren, bündig zu irgendetwas abgestellt. Zwischen diesen Tonnen befand sich jeweils noch mindestens 30 - 40cm Platz an Ladelücke. Ebenfalls war der größere, längliche Karton völlig ungesichert und auch nicht mit Gurten irgendwie befestigt, sondern konnte sich nach hinten hin frei bewegen und bei extremen Fahrsituationen auch zur linken Seite. Ebenso wie die Kartons, die im hinteren Bereich völlig ungesichert herumstanden. Der Karton mit dem Rasenmäher als auch die anderen Kartons konnten, da sie nicht hinreichend gesichert waren, während der Fahrt auf die Tonnen mit dem Gefahrgut einwirken und auch die Tonnen mit dem Gefahrgut selber zueinander konnten aufeinander einwirken und ihre Position stark verändern, da zwischen ihnen noch Ladelücken bestanden, die nicht gefüllt waren.

Zur Ausrüstung des Fahrzeuges gehörten drei Spannbalken sowie zwei bis drei große Gurte und drei kleinere Gute und auch diverse Bindegurte. Diese Gurte sind allesamt nicht eingesetzt worden, ebenso wenig wie die Spannbalken. Der Betroffene hätte als verantwortlicher Halter und Beförderer erkennen können und müssen, dass die Ladung nicht ordnungsgemäß gesichert war und der Fahrzeugführer, Herr T.S., nicht genügend Sicherungsmaterial mit an Bord gehabt hat, um die konkrete Ladungssituation ordnungsgemäß abzusichern.“

Nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE (Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen - Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn) haben der Halter und der Beförderer im Straßenverkehr dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) verfügt. Ein fahrlässiger oder vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Gebot stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 10 Nr. 16e GGVSE dar. Dass sich der Betroffene ordnungswidrig im Sinne dieser Vorschriften verhalten hat, lässt sich den tatrichterlichen Feststellungen nicht entnehmen.

Zwar hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die näher bezeichneten Gefahrgüter nicht hinreichend gegen Verrutschen gesichert waren und die an Bord des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt wurden. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts können diese Mängel jedoch nicht dem Betroffenen in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Transportunternehmens, das Fahrzeughalter und Beförderer war, angelastet werden. Der Halter und der Beförderer haben nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE im Straßenverkehr lediglich dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR verfügt. Damit reicht die Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers nicht so weit wie diejenige des Verladers und des Fahrzeugführers, die gemäß § 9 Abs. 13 GGVSE im Straßenverkehr die Vorschriften über die Beladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR zu beachten haben. Während der Verlader und der Fahrzeugführer die volle Verantwortung für die Beachtung der Vorschriften über die Be- und Entladung und die Handhabung gefährlicher Güter nach Kapitel 7.5 ADR tragen - gegen den Verlader K.H. (Bl. 67 d. A.) und den Fahrer S. (Bl. 37, 41 d. A.) sind gesonderte Bußgeldverfahren anhängig gewesen -‚ erschöpft sich die Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers für die Ladungssicherung darin, dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Ein Verstoß gegen das Gebot des § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE liegt nur dann vor, wenn der Halter bzw. der Beförderer dem Fahrzeugführer die im Einzelfall zur Ladungssicherung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände nicht zur Verfügung stellt. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist, wie sich aus § 9 Abs. 13 GGVSE ergibt, allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und dem Beförderer auch keine Kontroll- und Überwachungspflicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Mai 2005 - 1 Ss OWi 98/05 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2008 - lV-2 Ss (OWi) 50/07 - (OWi) 79/07 III, 2 Ss (OWi) 50/07 - (OWi) 79/07 III -; jeweils zitiert nach juris).

Für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zur Durchführung der Ladungssicherung reicht es aus, dass dem Fahrzeugführer die hierfür benötigten Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stehen und er von diesen ohne Schwierigkeiten - in eigener Verantwortung - Gebrauch machen kann (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Zweibrücken NZV 1989, 203). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn sich die im Einzelfall benötigten Sicherungsmittel bei Fahrtantritt griffbereit im Fahrzeug befinden. Vielmehr stehen die zur Ladungssicherung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände dem Fahrzeugführer auch dann zur eigenverantwortlichen Benutzung zur Verfügung, wenn der Halter bzw. der Beförderer solche Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem Standort, von dem aus der Fahrzeugführer seine Fahrt antritt, lagermäßig vorrätig hält und sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Das angefochtene Urteil beschränkt sich auf die Feststellung, dass das Gefahrgut bei dem Transport nicht hinreichend gesichert war, da es seine Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeugs mehr als geringfügig verändern konnte, weitere ungesicherte Kartons auf die Tonnen mit dem Gefahrgut einwirken konnten und die an Bord des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt wurden. Allein hierauf kann die Verurteilung des Betroffenen aus den dargelegten Gründen indes nicht gestützt werden. Bereits die Feststellungen des Amtsgerichts dazu, ob die mitgeführten, jedoch wegen befürchteter Deformierungen der Metalltonnen nicht eingesetzten Gurte und Spannbänder eine ausreichende Ladungssicherheit geboten hätten, sind lückenhaft. Insoweit wird ohne nähere Darlegung lediglich ausgeführt, das Gericht sei auch davon überzeugt, dass die auf den Fotos dokumentierte Ladungssituation nicht mit den sich an Bord befindlichen Sicherungsmitteln von drei großen Gurten, drei kleinen Gurten und drei Spannbalken hätte ordnungsgemäß gesichert werden können (UA S. 6). Der Tatrichter hat überdies keine Feststellungen dazu getroffen, ob die erforderlichen Sicherungsmittel auf dem eigenen Betriebsgelände des Betroffenen oder dem Betriebsgelände des Verladers lagermäßig zur Verfügung standen und der Fahrzeugführer sich ihrer unschwer hätte bedienen können. So hat es der Einlassung des Betroffenen, jedes Fahrzeug verfüge in der Grundausstattung über drei Spannbalken, fünf große Gurte und zwei bis drei kleinen Gurten nebst diversen Spannbändern, ebenso wie der Aussage des Disponenten B., das Material zum Sichern - insbesondere Paletten als Füllmaterial - sei vor Fahrtantritt vorhanden gewesen, keine Bedeutung zugemessen.

Selbst wenn - was sich aus den Urteilsfeststellungen nicht hinreichend ergibt - ein sicheres Verstauen der Gefahrgüter mit Hilfe der an Bord befindlichen Sicherungsmittel nicht möglich gewesen wäre, ist nicht festgestellt, dass dem Fahrer solche nicht (ohne weiteres) zur Verfügung standen und lediglich nicht eingesetzt wurden. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind lückenhaft.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Der Senat sieht gem. § 79 Abs. 6 OWiG von der Zurückverweisung an eine andere für Bußgeldsachen zuständige Abteilung des Amtsgerichts ab. Dadurch kann bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung der bereits mit der Materie vertraute Erstrichter seine bereits gewonnene Sachkunde einsetzen, wodurch dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung Rechnung getragen wird.



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