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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 481/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Rüge, es sei vorschriftswidrig in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt bzw. Beweis erhoben worden, gehört allein der der Vortrag der Tatsachen, die den Verfahrensfehler belegen. Hingegen muss nicht dargelegt werden, dass dieser im Verlauf der Hauptverhandlung nicht geheilt worden ist, wenn dies tatsächlich nicht geschehen ist.

Die Urteilsgründe sind lückenhaft; wenn die Einlassung des Angeklagten nicht mitgeteilt wird.

Senat: 3

Gegenstand: Revision Rechtsbeschwerde Beschwerde Haftprüfung durch das OLG Pauschgebühr Justizverwaltungssache Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Stichworte: Anwesenheit; Angeklagter; Hauptverhandlung; Entfernungh; Verfahrensrüge; Begründung; AnforderungeN, Urteilsgründe; Einlassung; Jugendstrafe; Strafzumessung;

Normen: StPO 247; StPO 344; StPO 261; StPO 267

Beschluss:

Strafsache
gegen M.H.
wegen gefährlicher Körperverletzung.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Detmold vom 21.06.2007 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 04. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung bzw. Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Schuldausspruch aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen einer 18.06.2006 zu Lasten des Zeugen G.H. begangenen vorsätzlichen Körperverletzung sowie wegen einer am selben Tag zu Lasten des Zeugen B.F. begangenen vorsätzlichen Körperverletzung verurteilt worden ist.

Darüber hinaus wird das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Detmold zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – unter Freisprechung im Übrigen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Köperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten verurteilt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Revision hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.

1. Der Schuldausspruch unterliegt hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 StGB in zwei Fällen der Aufhebung. Soweit der der Angeklagte darüber hinaus der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen für schuldig befunden worden ist, hat der Schuldausspruch dagegen Bestand. Die Revision ist insoweit entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Denn die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben.

a) Das angefochtene Urteil ist auf die Verfahrensrüge einer Verletzung der §§ 338 Nr. 5, 247 StPO im Schuldausspruch aufzuheben, soweit der Angeklagte wegen einer 18.06.2006 zu Lasten des Zeugen G.H. begangenen vorsätzlichen Körperverletzung verurteilt worden ist.

Zur Begründung der Verfahrensrüge trägt der Angeklagte vor, er und die Mitangeklagten seien in der Hauptverhandlung aufgrund eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung der Zeugin N.F. von der Verhandlung ausgeschlossen worden und hätten aufgrund dieses Beschlusses den Sitzungssaal verlassen. Die Zeugin F. habe bei ihrer Vernehmung bekundet: „M. hat Herrn H. auf die Nase gehauen am Ausgang des Palais-Garten, das habe ich gesehen. Meine Aussage bei der Polizei stimmt.“ Sodann sei noch in Abwesenheit aller Angeklagten der Zeuge H. befragt worden und habe geantwortet: „ Das muss das zweite Mal gewesen sein.“ Erst nach Beendigung der anschließend fortgesetzten Vernehmung der Zeugin F. seien die Angeklagten wieder in den Sitzungssaal gerufen worden.

Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, die Ausführungen zu einer möglichen Heilung des gerügten Verfahrensverstoßes durch eine eventuelle Nachholung der Befragung des Zeugen H. vermisst, genügt die Begründung der Verfahrensrüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Rüge, es sei vorschriftswidrig in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt bzw. Beweis erhoben worden, gehört allein der der Vortrag der Tatsachen, die den Verfahrensfehler belegen. Hingegen muss nicht dargelegt werden, dass dieser im Verlauf der Hauptverhandlung nicht geheilt worden ist, wenn dies tatsächlich nicht geschehen ist (vgl. BGH NStZ 2007, 717).

Die somit zulässig erhobene Rüge ist auch begründet. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31.05.2007 war der Angeklagte durch den ergangenen Gerichtsbeschluss gemäß § 247 StPO nur für die Dauer der Vernehmung der Zeugin F. von der Verhandlung ausgeschlossen worden. Andere Beweiserhebungen durften in Abwesenheit des Angeklagten nicht stattfinden (vgl. BGH a.a.O.; NStZ 1993, 350; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 247 Rdnr. 7 m. w. N.). Die Befragung des Zeugen H. in Abwesenheit des Angeklagten war durch den ergangenen Beschluss über seine Ausschließung nicht gedeckt und durfte daher nicht erfolgen. Der Angeklagte war deshalb bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, nämlich einem Teil der Beweisaufnahme, nicht anwesend.

Der somit hier gegebene absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO führt allerdings nur zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu Lasten des Zeugen H. verurteilt worden ist. Denn die verfahrensfehlerhafte Befragung des Zeugen H. während der Vernehmung der Zeugin F. betraf nach dem Revisionsvorbringen und dem damit übereinstimmenden Inhalt der Sitzungsniederschrift nur die dem Angeklagten vorgeworfene Körperverletzung zu Lasten des Geschädigten H.. Denn nur darauf hatte sich die Aussage der Zeugin F. bezogen, die der Zeuge H. bei seiner Befragung während dieser Vernehmung in der oben wieder gegebenen Weise kommentiert hat. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagten in zwei aufeinander folgenden Teilakten, die durch eine Flucht des Zeugen H. unterbrochen waren, auf diesen eingeschlagen. Soweit dem Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil weitere Körperverletzungsdelikte zu Lasten anderer Geschädigter vorgeworfen werden, werden diese Fälle durch den Verfahrensfehler nicht berührt. Bei einer solchen Fallgestaltung führt ein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 338 Nr.5, 247 StPO nur zu einer Urteilsaufhebung in Bezug auf diejenigen Fälle, auf die sich der Verstoß überhaupt auswirken kann (vgl. BGH NStZ 2007, 717).

b) Auf die erhobene Sachrüge war außerdem die Verurteilung des Angeklagten wegen einer zu Lasten des Zeugen B.F. am 18.06.2006 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung aufzuheben.

In Bezug auf diese Verurteilung ist nämlich die Beweiswürdigung in den Urteilsgründen als lückenhaft zu beanstanden.

Um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung der getroffenen Entscheidung zu ermöglichen, muss in den Urteilsgründen die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise gewürdigt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 267 Rdnr. 12). Daran fehlt es hier. Denn das angefochtene Urteil teilt in Bezug auf die Tat zu Lasten des Zeugen F. nicht mit, ob und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte zu dem erhobenen Vorwurf, den Zeugen B.F. mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben, eingelassen hat.

2. Aufgrund der teilweisen Aufhebung des Schuldausspruches ist auch der Strafausspruch aufzuheben. Dieser ist darüber hinaus auch nicht frei von Rechtsfehlern.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, ist die Annahme, dass in den Taten des Angeklagten schädliche Neigungen zutage getreten sind, noch ausreichend begründet worden. Soweit allerdings zur Begründung der Annahme schädlicher Neigungen ein weiteres anhängiges Verfahren herangezogen worden ist worden ist, was grundsätzlich zulässig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2005 – 5 StR 122/05 -) hätte es näherer Feststellungen zu dem erhobenen Tatvorwurf bedurft.

Die konkrete Bemessung der Jugendstrafe ist nicht rechtsfehlerfrei erfolgt. Wie auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme dargelegt hat, sind unter Berücksichtigung des § 54 Abs. 1 JGG an die Begründung der Rechtsfolgenentscheidung gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO im Jugendstrafrecht besondere Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 13.08.2001 und vom 07.12.1999 - 2 Ss 1237/99 - m.w.N.; ebenso OLG Jena NStZ-RR 1998, 119 = StV 1998, 340; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 3. Aufl. § 54 Rn. 4). Dazu gehört u.a. eine gründliche Auseinandersetzung mit der Biographie des Angeklagten, eine Bewertung seiner Tat im Zusammenhang mit seinen Lebensverhältnissen sowie eine eingehende Begründung für die Erforderlichkeit der verhängten Rechtsfolge (OLG Hamm, Beschluss vom 13.08.2001 - 2 Ss 710/01 -).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, das sich im Wesentlichen mit einer Bewertung der Taten begnügt. Das Schöffengericht hätte sich außerdem hinsichtlich der beiden gefährlichen Körperverletzungen vom 08.04.2006 und 02.12.2006 näher mit dem Einfluss des an beiden Tattagen von dem Angeklagten konsumierten Alkohols, der immerhin zu Blutalkoholkonzentrationen von 1,99 o/oo bzw. 1,81 o/oo geführt hatte, wobei eine Rückrechnung auf die Tatzeitpunkte noch nicht einmal erfolgt war, sowie dem zusätzlichen Konsum von Cannabis vor der Tat vom 08.04.2006 bei der Strafzumessung unter den Gesichtspunkten einer etwaigen erheblich verminderten Schuldfähigkeit oder zumindest eines in Betracht kommenden Strafmilderungsgrundes befassen müssen. Soweit in dem angefochtenen Urteil dazu ausgeführt wird, der Alkohol- und/oder Drogenkonsum vor den Taten entlaste den Angeklagten nicht entscheidend, er müsse sein Verhalten unter der Einwirkung von Drogen nur allzu gut kennen, ist nicht nachvollziehbar, worauf sich die letztere Annahme gründet. Aus den Urteilsgründen lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Angeklagte bereits vor dem 08.04.2006 unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss Straftaten der hier in Rede stehenden Art begangen hatte. Es hätte auch erörtert werden müssen, ob gegen den Angeklagten der durch Urteil des Amtsgericht Hameln vom 19.09.2006 verhängte vierwöchige Dauerarrest bereits vollstreckt worden ist, da andernfalls eine Einbeziehung der Vorverurteilung nach § 31 JGG hätte geprüft werden müssen. Ebenso hätte die Wirkung einer etwaigen Vollstreckung auf den Angeklagten erörtert werden müssen, da dieser Gesichtspunkt sowohl für die Frage der Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe als auch für die Frage einer etwaigen Strafaussetzung zur Bewährung von Bedeutung ist. Da gegen den Angeklagten bisher noch keine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe verhängt worden ist, hätte auch die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung näher begründet werden müssen.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Detmold zurückzuverweisen.



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