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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 338/08 OLG Hamm

Leitsatz: Im Ordnungsmittelverfahren wegen Ungebühr in der Sitzung ist angesichts der Bedeutung, die dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) als einem überragenden Prinzip des Verfahrensrechts zukommt, eine vorherige Anhörung des Betroffenen grundsätzlich unabdingbar.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ordnungsmittelbeschluss; Hauptverhandlung; Erlass; rechtliches Gehör;

Normen: GVG 178; GVG 177; GVG 176

Beschluss:

Strafsache
gegen Ö-A.
wegen Beleidigung (hier: Beschwerde des Angeklagten gegen einen Ordnungsgeldbeschluss).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 14. April 2008 gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 28. März 2008 und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 06. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:#
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gewährt.

2. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 28. März 2008 aufgehoben.

Gründe:
Das Amtsgericht hat gegen den Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 28. März 2008 ein Ordnungsgeld in Höhe 250 € ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft verhängt, weil der Angeklagte erklärt haben soll: „Das ist hier ein Kaspertheater.“ Gegen diesen in seiner Anwesenheit verkündeten und ihm mit Rechtsmittelbelehrung am 11. April 2008 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte am 14. April 2008 zu Protokoll der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt, die mit Schreiben seines Verteidigers vom 29. April 2008 näher begründet wurde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u. a. wie folgt Stellung genommen:

„Die gem. §§ 178, 181 GVG statthafte Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 28.03.2008 hat in der Sache Erfolg.

Soweit die Beschwerdefrist des § 181 Abs. 1 GVG – eine Woche nach Bekanntmachung des Ordnungsmittels – nicht eingehalten worden ist, ist dem Beschwerdeführer von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da – soweit ersichtlich – eine Belehrung nach § 35 a StPO im Anschluss an die Beschlussverkündung nicht erfolgt ist und der Vermerk „Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt“ am Ende des Hauptverhandlungsprotokoll sich auf das verkündete Urteil bezieht.

Gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG kann gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den „Gerichtsfrieden“ und damit auf die Würde des Gerichts (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Rdnr. 1 ff. zu § 178 GVG).

Offen bleiben kann, ob die in Rede stehende Äußerung nach den vorbezeichneten Maßstäben als Missfallensäußerung gegenüber dem Gericht aufzufassen ist. Dahinstehen kann auch, ob der angefochtene Beschluss nicht schon deshalb an einem formellen Mangel leidet, weil er nicht mit einer für das Beschwerdegericht aus sich heraus verständlichen Begründung versehen worden ist. Der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss ist aber aufzuheben, weil dem Beschwerdeführer vor dessen Erlass das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist. Dies stellt einen Verfahrensfehler dar. Auch im Ordnungsmittelverfahren wegen Ungebühr in der Sitzung ist angesichts der Bedeutung, die dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) als einem überragenden Prinzip des Verfahrensrechts zukommt, eine vorherige Anhörung des Betroffenen grundsätzlich unabdingbar (Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 14 m. w. N.; vgl. Senatsbeschluss vom 15.03.2007 – 1 Ws 173/07 -). Die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs soll insbesondere sicherstellen, dass die Ordnungsmaßnahme auf Grund der frischen und damit verlässlichen Erinnerung über den Vorgang ergeht, dessen Gesamtbeurteilung erst dann möglich ist, wenn der Betroffene Gelegenheit zu einer erklärenden oder entschuldigenden Äußerung gehabt hat. Von der Anhörung des Betroffenen darf das Gericht nur in Ausnahmefällen absehen, wenn nämlich Ungebühr und Ungebührwille völlig außer Frage stehen und bei Gewährung des rechtlichen Gehörs nach dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers nur mit weiteren groben Ausfällen gerechnet werden müsste. Dass dies hier der Fall gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es ist nicht dafür ersichtlich, dass eine weitere ins Gewicht fallende Störung des justizförmigen Fortgangs der Hauptverhandlung zu befürchten gewesen wäre, wenn das Amtsgericht dem Beschwerdeführer noch vor Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses rechtliches Gehör gewährt hätte. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dessen Vorbringen möglicherweise das Amtsgericht veranlasst hätte, von Ordnungsmaßnahmen abzusehen, wenn – was von dem Beschwerdeführer vorgebracht wird – der Vorsitzende tatsächlich den „Vergleich“ mit einem Kasper(le)theater selbst „aufgeworfen“ haben sollte.

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Castrop-Rauxel ist somit aufzuheben.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung. Eine Zurückverweisung der Sache zu erneuter Bescheidung an das Amtsgericht kam nicht in Betracht, weil die (damalige) Sitzungsgewalt des Amtsrichters nach Beendigung der Sitzung nicht mehr besteht (Löwe-Rosenberg- Wickern, StPO, 25. Aufl., § 181 GVG Rn. 13).

Der Senat hat davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen (Löwe-Rosenberg-Wickern, a.a.O.,Rdnr. 15).



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