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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 205/08 OLG Hamm

Leitsatz: Grundsätzlich sind allein aufgrund der Tatsache, dass eine Betreuung eingerichtet wurde, sowie aus dem Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers keine Rück-schlüsse auf die Schuldfähigkeit möglich sind. Wesentlich ist vielmehr die Frage, aufgrund welcher Erkrankung eine solche Betreuung eingerichtet wurde und ob diese unter eines der vier Eingangskriterien des § 20 StGB zu fassen ist.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Schuldfähigkeit; unter Betreuung stehende Person; Rückschlüsse;

Normen: StPO 267; StGB 21; StGB 20

Beschluss:

Strafsache
gegen J.N.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 29. Januar 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 05. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesge-richt, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kam-mer des Landgerichts Münster zurückverwiesen, welche auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Gründe:
Der Angeklagte ist durch die angefochtene Entscheidung wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10,- DM verurteilt worden. Hiergegen wendet er sich mit seiner rechtzeitig eingelegten und form- und fristgerecht begründeten Revision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Revision hat - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung leidet an einem sachlichen Mangel. Denn die Aus-führungen des Landgerichts zur Frage der Schuldfähigkeit sind widersprüchlich und unklar. Im angefochtenen Urteil finden sich hierzu folgende Feststellungen:

„Seit dem Jahre 2004 steht der Angeklagte unter Betreuung, wobei der Aufgabenkreis der Betreuerin die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung, alle Vermögensangelegenheiten und die Befugnis zum Empfang von Post umfasst und kein Einwilligungsvorbehalt besteht“ (Bl. 3 des Urteils).

Unter V. finden sich dann folgende Ausführungen:

„Bei Begehung aller vier Taten war die Schuldfähigkeit des Angeklagten möglicherweise erheblich vermindert (§ 21 StGB). Angesichts des Umstandes, dass für den Angeklagten im Jahre 2004 eine Betreuung eingerichtet werden musste, kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte in seiner Steuerungsfä-higkeit erheblich eingeschränkt ist. Unter Berücksichtigung des Aufgabenkreises der Betreuerin war eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten jedoch auszu-schließen.“

Diese Feststellungen zur Schuldfähigkeit sind widersprüchlich und unzureichend. Zunächst ist festzuhalten, dass grundsätzlich aufgrund der Tatsache, dass eine Betreuung eingerichtet wurde, sowie aus dem Umfang des Aufgabenkreises der Betreuerin keine Rückschlüsse auf die Schuldfähigkeit möglich sind. Wesentlich ist vielmehr die Frage, aufgrund welcher Erkrankung eine solche Betreuung eingerichtet wurde und ob diese unter eines der vier Eingangskriterien des § 20 StGB zu fassen ist. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen. Das Urteil ergeht sich allein in vagen Ver-mutungen. Soweit sie auf dieser Grundlage nicht ausgeschlossen hat, dass der An-geklagte (bei Begehung der Taten ?) in seiner Steurungsfähigkeit erheblich einge-schränkt war, belastet dies den Angeklagten zwar nicht. Es stellt jedoch einen Fehler zu seinem Nachteil da, dass ausgehend von der gleichen Tatsachengrundlage die vollständige Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung verneint wurde.
Die Kammer hätte daher zunächst feststellen müssen, aufgrund welchen Defektes die Betreuung überhaupt eingerichtet wurde. Erst dann lässt sich entscheiden, ob dieser bei den konkreten Taten die Einsichtsfähigkeit oder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben hat. Die Sache war daher zur Nachholung dieser Fesstellungen aufzuheben und an eine andere kleine Kammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen. Da die Fesstellungen zur äußeren Tatseite durch die Gesetzesverletzung nicht betroffen sind, konnten diese aufrechterhalten bleiben. Sie können ergänzt werden, so die Tat in einem Zusammenhang mit der (möglichen) Erkrankung des Angeklagten steht.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte es zutreffen, dass der Angeklagte, wie im - vom Senat nicht zu berücksichtigenden - Schriftsatz des Verteidigers vom 17.03.2008 vorgetragen, tatsächlich an einer verfestigten Schi-zophrenie leidet, dürfte die Frage der Aufhebung der Schuldfähigkeit beim Erwerb der Betäubungsmittel nur mit sachverständiger Beratung zu beantworten sein. Denn es ist senatsbekannt, dass an Schizophrenie erkrankte Personen häufig bei Auftreten der Symptome, Haschisch konsumieren, um sich zu beruhigen. Dieser Substanz-missbrauch erhöht dann die Schubfrequenz der Psychose und gefährdet zudem die Medikamenteneinwirkung. Es wird dann abzuklären sein, ob der Angeklagte die an-geklagten Taten im Rahmen der akuten Phase der Psychose begangen und in wie weit dies seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt hat.



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