Aktenzeichen: 2 Ss 291/08 OLG Hamm |
Leitsatz: Die Wahrnehmung beruflicher Pflichten entschuldigt das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin nur dann, wenn sie unaufschiebbar und derart gewichtig sind, dass dem Betroffenen ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann. Der Angeklagte hat sein Entschuldigungsvorbringen so weit wie möglich zu konkretisieren und zu substantiieren. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Revision |
Stichworte: Berufungshauptverhandlung; Ausbleiben; Verwerfung; Entschuldigung; berufliche Gründe; Darlegungspflicht |
Normen: StPO 329 |
Beschluss: Strafsache gegen A.E. wegen Beleidigung Auf die Revision des Angeklagten vom 3. April 2008 gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 18. März 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 31. 07. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen: 1. Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren wird abgelehnt. Gründe: I. Das Amtsgericht Lüdenscheid hat den Angeklagten am 30. Januar 2007 wegen Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 35,- verurteilt. Auf seine rechtzeitige Berufung hat der Vorsitzende der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten auf den 18. März 2008 anberaumt. Zu dieser Hauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen hat daraufhin mit Urteil vom 18. März 2008 die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 StPO verworfen und in den Urteilsgründen ausgeführt, der Angeklagte habe zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, sei aber in dem Termin zur Hauptverhandlung am 18. März 2008 ungeachtet der durch die Urkunde vom 29. Februar 2008 nachgewiesenen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden. Nach Zustellung des Urteils am 2. April 2008 hat der Angeklagte zu Protokoll der Rechtspflegerin beim Landgericht Hagen am 30. April 2008 Revision eingelegt. Er hat neben der Rüge der Verletzung materiellen Rechts eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO beanstandet und dazu vorgetragen: Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Hagen wurde schließlich auf den 18.03.08 terminiert. Bereits im Vorfeld hatte ich dem Gericht mitgeteilt, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht in Deutschland sein werde. Ich bat um Mitteilung, welche Belege notwendig sind um meine Abwesenheit zu begründen und eine Terminsverlegung herbeizuführen. Hierzu habe ich keine Antwort erhalten, sondern der Antrag auf Verlegung des Termins wurde durch das Gericht abgelehnt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen. II. Die gemäß § 333 StPO statthafte, form- und fristgerecht gemäß §§ 341, 342 StPO eingelegte Revision des Angeklagten war zu verwerfen. 1. Soweit der Angeklagte die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO gerügt hat, hat er sein Rechtsmittel nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Form begründet. Wird das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren angefochten, müssen in der Revisionsbegründung die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Allgemein gilt der Satz, dass die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau sein muss, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 344 Rdnr. 24 m.w.N.). 2. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Angeklagten nicht. Mit der Generalstaatsanwaltschaft ist davon auszugehen, dass der Angeklagte mit der Revision die Verletzung des § 329 StPO geltend macht. Um dem Revisionsgericht eine dahingehende Prüfung zu ermöglichen, müssen gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO die Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich hier ergibt, dass das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt und daher seiner Entscheidung nicht alle in diesem Zeitpunkt erkennbaren Entschuldigungsgründe zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht hat sich nämlich, wie den schriftlichen Urteilsgründen zu entnehmen ist, mit konkreten Entschuldigungsgründen überhaupt nicht beschäftigt. Das ist indes nur dann rechtfehlerhaft gewesen, wenn Umstände erkennbar gewesen sind, die eine Auseinandersetzung und weitere Begründung der Entscheidung geboten hätten (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rdnr. 18). Es ist danach Sache des Revisionsführers gewesen, solche Umstände vorzutragen, aus denen sich ergeben hätte, dass sich das Berufungsgericht mit Entschuldigungsgründen nicht auseinander gesetzt hat, obwohl ihm solche bekannt gewesen sind oder hätten bekannt sein können. Im vorliegenden Fall beruft sich der Angeklagte darauf, zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht in Deutschland gewesen zu sein. In derartigen Fällen kann das Gericht die genügende Entschuldigung nur prüfen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen vorgetragen werden (vgl. BayObLG NStZ 2003, 98; OLG Karlsruhe VRS 89, 130). Soweit der Angeklagte aus beruflichen Gründen der Hauptverhandlung ferngeblieben sein sollte, gilt, dass berufliche Verpflichtungen gegenüber der öffentlich-rechtlichen Pflicht, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten, zurückzutreten haben. Die Wahrnehmung beruflicher Pflichten entschuldigt nur dann, wenn sie unaufschiebbar und derart gewichtig sind, dass dem Betroffenen ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 28 m.w.N.). Die näheren Umstände, die das Ausbleiben entschuldigen sollen, kennt nur der Betroffene. Er hat sein Entschuldigungsvorbringen daher so weit wie möglich zu konkretisieren und zu substantiieren (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 5. September 2005 in 2 Ss OWi 526/05). Nur wenn das Landgericht das konkretisierte und substantiierte Vorbringen des Angeklagten im Rahmen der Abwägung zwischen der beruflichen Verpflichtung und der öffentlich-rechtlichen Pflicht, Ladungen Folge zu leisten, als grundsätzlich geeignet ansieht, den Betroffenen als entschuldigt anzusehen, stellt sich ggf. die Frage weiterer Nachforschungen, um die Angaben des Angeklagten auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die bloße, nicht näher konkretisierte und substantiierte Mitteilung des Betroffenen, er habe sich im Ausland befunden und sei nicht vor August 2008 zurück in Deutschland, die Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit dieser beruflichen Tätigkeit nicht erkennen lässt. Die Ladung zum Hauptverhandlungstermin am 18. März 2008 ist dem Betroffenen am 29. Februar 2008 zugestellt worden. Er hatte daher ausreichend Zeit, seine berufliche Tätigkeit im Ausland entsprechend zu regeln. Das tatsächliche Vorbringen des Angeklagten in seiner Revisionsbegründungsschrift war daher nicht geeignet, sein Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin vom 18. März 2008 zu entschuldigen. Es bot keinen Anlass für eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob er wegen unaufschiebbarer und dringlicher beruflicher Verpflichtungen verhindert gewesen ist. III. Die von dem Angeklagten erhobene Verletzung materiellen Rechts führt nur zur Prüfung, ob im Revisionsverfahren Verfahrenshindernisse entstanden sind. Das ist hier nicht der Fall. IV. Die Kosten des Rechtsmittels waren dem Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 StPO aufzuerlegen. V. Soweit der Angeklagte beantragt hatte, ihm für das Revisionsverfahren einen Pflichtverteidiger beizuordnen, war dieser Antrag abzulehnen. Für die Beiordnung eines Verteidigers für die Revisionsinstanz kommt nur die Vorschrift des § 140 Abs. 2 StPO in Betracht, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Da das Revisionsverfahren durch die zu treffende Entscheidung des Senats endgültig abgeschlossen wird, scheidet eine Beiordnung ohnehin aus. Eine rückwirkende Bestellung eines Verteidigers zur Honorierung der Revisionsbegründung aus der Staatskasse ist schlechthin ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 2005 in 2 Ws 167 u. 168/05; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 141 Rdnr. 8). Weitere Verteidigungshandlungen sind im Rahmen des vorliegenden Revisionsverfahrens nicht erforderlich. Bei der Entscheidung über die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers handelt es sich nicht um eine Entscheidung des Senats, sondern um eine solche des Vorsitzenden gemäß § 141 Abs. 4 StPO. |
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