Aktenzeichen: 3 Ws 271/08 OLG Hamm |
Leitsatz: Zu den Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung eines Widerrufsbeschlusses bezüglich einer ursprünglich gewährten Strafaussetzung wegen unbekannten Aufenthalts eines Verurteilten. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Voraussetzungen; öffentliche Zustellung; Widerrufsbeschlusses; Widereinsetzung; |
Normen: StPO 44; stPO 40; |
Beschluss: Strafsache In pp. hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 31. 07. 2008 beschlossen: Tenor: 1. Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Detmold vom 21.11.2000 wird auf seine Kosten verworfen. 2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird auf seine Kosten verworfen. 3. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold hat dem Beschwerdeführer in dem Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung entsprechend § 33a Abs. 1 StPO nachträglich rechtliches Gehör zu gewähren. Gründe Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 15.07.2008 Folgendes ausgeführt: "I. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold hat am 21.11.2000 (Bl. 34 f. BewH 4 StVK C 24/00; Bl. 35 f. BewH 4 StVK C 25/00) auf Antrag der Staatsanwaltschaften Bielefeld (BI. 31 BewH 4 StVK C 24/00) und Detmold (Bl. 33 BewH 4 StVK C 25/00) sowie nach versuchter Anhörung des Verurteilten (Bl. 34 BewH 4 StVK C 25/00) die gewährte Strafaussetzung aus dem Beschluss des Landgerichts Detmold vom 25.04.2000 (Bl. 2 f. BewH 4 StVK C 25/00) betreffend das Urteil des Landgerichts Detmold vom 06.03.1998 (Bl. 12 ff. BewH 4 StVK C 25/00) und das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12.04.1994 (Bl. 6 ff. BewH 4 StVK C 24/00) widerrufen. Mit Beschluss vom 22.05.2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold die öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses angeordnet; beide Beschlüsse waren vom 23.05.2003 bis 18.06.2003 an der Gerichtstafel des Landgerichts Detmold angeheftet (Bl. 52 ff. BewH 4 StVK C 24/00). Der Verurteilte hat gegen den Widerrufsbeschluss, der ihm am 11.06.2008 ausgehändigt wurde (Bl. 96 VH 4 VRs 101/98 StA Detmold), mit am 17.06.2008 bei dem Landgericht Detmold eingegangenem Schriftsatz seiner Verteidigerin vom selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt, verbunden mit dem Antrag, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren (Bl. 51 ff. BewH 4 StVK C 25/00). II. Die sofortige Beschwerde ist zwar gem. §§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO, 56f StGB statthaft, jedoch unzulässig, da sie ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO bei dem Landgericht Detmold eingegangen ist. Die für den Fristbeginn maßgebliche Bekanntmachung der Widerrufsentscheidung ist durch öffentliche Zustellung bewirkt worden und galt nach zweiwöchigem Aushang an der Gerichtstafel (§ 40 Abs. 1 Satz 1 StPO in der bis zum 31.08.2004 geltenden Fassung; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 40 Rdnr. 7) am 06.06.2003 als erfolgt. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses wegen unbekannten Aufenthalts des Verurteilten lagen zur Zeit der gerichtlichen Anordnung am 22.05.2003 vor, da die nach den Umständen zumutbaren Aufenthaltsermittlungsmaßnahmen der Strafvollstreckungskammer beim Einwohnermeldeamt und Ausländeramt C ebenso ohne Erfolg geblieben waren (Bl. 41 BewH 4 StVK C 25/00) wie Fahndungsmaßnahmen nach dem Verurteilten, gegen den seit dem 22.11.2000 ein Sicherungshaftbefehl bestand (Bl. 36 BewH 4 StVK C 24/00) und der seither zur Festnahme im INPOL-System ausgeschrieben war (Bl. 43 VH 4 VRs 101/98 StA Detmold) sowie für den ein Steckbrief im Bundeszentralregister notiert wurde (Bl. 44 VH 4 VRs 101/98 StA Detmold). Auch die wesentlichen Förmlichkeiten der öffentlichen Zustellung sind beachtet worden; die den Anforderungen des § 186 ZPO (in der bis zum 31.03.2005 geltenden Fassung) entsprechende Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung war in der Zeit vom 23.05.2003 bis 18.06.2003 an der Gerichtstafel des Landgerichts Detmold ausgehängt. Der Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Verurteilte hat seine Unkenntnis von dem Widerrufsbeschluss und dem Lauf der Rechtsmittelfrist selbst verschuldet, weil er trotz entsprechender Belehrung im Beschluss des Landgerichts Detmold vom 25.04.2000, ihm bekannt gemacht bei seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt am 28.04.2000 (Bl. 37 VH 4VRs 101/98 StA Detmold), seinen Aufenthalt dem Bewährungshelfer und/oder dem Gericht nicht angezeigt hat, so dass ihm persönlich trotz nachhaltiger Versuche seinen Aufenthalt zu ermitteln, der Beschluss nicht zugestellt werden konnte. Ein Verurteilter handelt schuldhaft, wenn er die öffentliche Zustellung dadurch veranlasst, dass er sich unauffindbar macht, so dass er - nach wirksamer öffentlicher Zustellung - keine Wiedereinsetzung erhalten kann (BGHSt 26, 127). Dies gilt vor allem dann, wenn ihm auferlegt war, jeden Wohnsitzwechsel anzuzeigen (OLG Hamm, Beschluss vom 03.11.2003 - 2 Ws 285/03 - NStZ-RR 2004, 46 (47) [OLG Hamm 03.11.2003 - 2 Ws 285/03]; OLG Düsseldorf NStZ 2003, 167; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.03.2008 - 1 Ws 4/08 - zit. nach [...]). Der Verurteilte unterlag hier der gerichtlichen Weisung, jede Änderung seines Wohnsitzes unverzüglich dem Landgericht Detmold mitzuteilen. Er ist dieser Weisung nicht nachgekommen, sondern hat sich nach dem Beschwerdevorbringen am 14.07.2000 in die Türkei begeben. Dass er dieses zur Vermeidung einer Abschiebung, die ihm aufgrund einer vollziehbaren Ausweisungsverfügung der Stadt C drohte, getan haben will, entschuldigt ihn nicht. Es war ihm zuzumuten, den Wohnsitzwechsel schriftlich mitzuteilen. Die Unkenntnis des Beschwerdeführers vom fristauslösenden Aushang des Beschlusses an der Gerichtstafel ist als notwendige Folge der öffentlichen Zustellung ebenfalls nicht unverschuldet. Auch der Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) erfordert weder die Bejahung der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde noch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Grundsatz ist gewahrt, wenn dem Verurteilten nachträglich eine Anhörung durch das Gericht eröffnet wird, das den Widerruf beschlossen hat. Dies kann im Wege des Nachverfahrens gemäß der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 33a StPO erfolgen (BGHSt 27, 127 (130) [BGH 16.02.1977 - 3 StR 500/76]; Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O.)." Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Aushang der Entscheidungen zu Recht an der Gerichtstafel des Landgerichts Detmold erfolgte, weil die dortige Strafvollstreckungskammer zunächst die bedingte Entlassung angeordnet hatte und sie insoweit als erstinstanzliches Gericht i.S.v. § 40 Abs. 1 StPO a.F. anzusehen ist (OLG Hamm Beschl. v. 16.08.2006 - 3 Ws 352, 353/06). Dass eine Bewährungsweisung, jeden Wohnsitzwechsel mitzuteilen, nach Ansicht einiger Gerichte keine zulässige Weisung nach § 56c StGB darstellt (vgl. OLG Köln Beschl. v. 28.03.2006 - 2 Ws 123/06) steht einer selbst verschuldeten Unkenntnis des Verurteilten nicht entgegen, da es vorliegend nicht um die Sanktionierung eines Verstoßes gegen eine solche Weisung im Rahmen des § 56 f StGB geht. Bei der vorliegenden Frage einer selbst verschuldeten Unkenntnis spielt ein entsprechender Hinweis im Bewährungsbeschluss - selbst wenn er als Bewährungsweisung unzulässig gewesen sein sollte, was hier offen bleiben kann - aber durchaus eine Rolle, da er nur die für den Verurteilten ohnehin bestehende Obliegenheit, sich nicht für die Strafverfolgungsbehörden unauffindbar zu machen, verdeutlicht. Der Senat hat erwogen, ob es vorrangig gewesen wäre, zunächst eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer entsprechend § 33a StPO herbeizuführen, welche - je nach Ausgang - möglicherweise bereits dem Begehren des Verurteilten Rechnung tragen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Ein solcher Vorrang ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Der anwaltlich vertretene Verurteilte hat auch ausdrücklich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sofortige Beschwerde eingelegt. Diese gilt es, zu bescheiden. Dem Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs wird - wie oben ausgeführt - durch die umgehende Nachholung der Anhörung Rechnung getragen. III. Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 und Abs. 7 StPO |
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