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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 287/08 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Strafrahmenverschiebung nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Trunkenheit im Verkehr, erheblich verminderte Schuldfähigkeit, fakultative Strafrahmenverschiebung, Alkoholaufnahme wegen einer Persönlichkeitsstörung, Bewährung, Behandlung der Persönlichkeitsstörung

Normen: StGB 316, StGB 21, StGB 49 Abs. 1, StGB 56 Abs. 1

Beschluss:

Strafsache gegen A. O.,
wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 27. März 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht im Umfang der Verwerfung der Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Unter Verwerfung der weitergehenden Revision wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe: I. Der Angeklagte ist durch das Amtsgericht Steinfurt wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einem Fahrverbot von drei Monaten Dauer verurteilt worden. Außerdem ist die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, ihm vor Ablauf von (weiteren) zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Seine dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Münster durch das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung formellen Rechts und der näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Aufhebung des Urteils zu neuer Verhandlung und Entscheidung durch eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster erstrebt.
II. Die zulässige Revision hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen zumindest vorläufigen Erfolg.
1. Soweit sich der Angeklagte mit der nicht ausgeführten und deshalb unzulässigen Verfahrensrüge und der zulässigen Sachrüge gegen den Schuldspruch wendet, ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft offensichtlich unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen - jedenfalls - die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr.
2. Keinen Bestand haben kann jedoch der Rechtsfolgenausspruch. Insoweit weist das angefochtene Urteil durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a. Soweit das Landgericht dem Angeklagten ausgehend von einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,01 Promille 40 Minuten nach der Tat die Voraussetzungen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit zugute gehalten hat, hat es sich im Folgenden nicht dazu geäußert, ob der Strafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern war oder nicht.
Wenn auch eine Strafrahmenverschiebung nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - insbesondere bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr - häufig ausscheiden dürfte, liegen hier jedoch Besonderheiten vor, die eine nähere Erörterung einer Strafrahmenverschiebung erfordern. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Alkoholkonsum des Angeklagten ihre eigentliche Ursache in einer Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, der gegenüber anderen Menschen ausgesprochen schüchtern und gehemmt ist und dem es nur nach erheblichem Alkoholkonsum möglich ist, kommunikativ mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Weil er Sehnsucht hat, andere Menschen kennenzulernen, dies aber nur unter Alkoholeinfluss kann, sucht er abends gerne Gaststätten auf und trinkt dort in größeren Mengen Bier bis zur Trunkenheit. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von üblichen Fallgestaltungen.
Angesichts der Strafhöhe von immerhin sechs Monaten kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass eine mögliche Strafrahmenverschiebung Einfluss auf die konkrete Strafhöhe gehabt hätte.
b. Ein weiterer Rechtsfehler betrifft die Erwägungen des Landgerichts zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, die § 56 Abs. 1 StGB nicht gerecht werden.
Bei der Frage, ob zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, hat die Strafkammer zu Unrecht die begonnene Therapie zur Behebung der Persönlichkeitsstörung für unerheblich gehalten. Es handelt sich vielmehr um eine Verhalten nach der Tat, dass die Prognose entscheidend beeinflussen kann.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in der Vergangenheit nur dann - und dann im Übermaß - Alkohol getrunken, wenn er in Kontakt zu Mitmenschen kommen wollte. Eine Therapie mit einem entsprechenden Ansatz hat er erst am 18. September 2007 beginnen können. Es liegt auf der Hand, dass die bisherigen Therapien als "reine" Alkoholentwöhnungstherapien aufgrund ihres für den Angeklagten ungeeigneten Ansatzes wenig erfolgversprechend sein konnten. An der begonnenen Therapie zur Behandlung seiner sozialen Ängste und Unsicherheiten als Ursache für seine Alkoholexzesse hat der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen bisher motiviert teilgenommen, so dass nahe liegt, dass er diese Therapie mit ausreichender Wahrscheinlichkeit wird erfolgreich abschließen können. Insoweit drängen sich in einer neuen Hauptverhandlung ergänzende aktuelle und konkrete Feststellungen insbesondere zur Erfolgsaussicht der begonnenen Therapie auf. Falls die Therapie hinreichende Erfolgsaussicht aufweisen sollte, dürften jedoch erneute (Straßenverkehrs-)Delikte unter Alkoholeinfluss nach den bisher getroffenen Feststellungen unwahrscheinlich sein. Den Blick hierauf hat sich das Landgericht jedoch verstellt, indem es isoliert auf den "Strafzumessungsgesichtspunkt" abgestellt hat, der Angeklagte sei trotz zweifacher Bewährungszeit und Vorwarnung leichtfertig erneut einschlägig in Erscheinung getreten, ohne Vorkehrungen gegen eine erneute einschlägige Straftat zu treffen, so dass nunmehr die Strafe zu verbüßen sei.
Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und insoweit an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.



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