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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 327/08 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einer geringfügigen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (und einem nicht in Haft befindlichen Beschuldigen) reicht zu deren Kompensationdie bloße Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 EMRK aus.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verfahrensverzögerung; Kompensation, Zulässigkeit;

Normen: StGB 46; MRK Art. 6

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2008 beschlossen:

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Zusatz:
Das Verfahren ist beim Amtsgericht – wie aus der Darstellung des Verfahrensgangs im angefochtenen Urteil deutlich wird – aus Gründen, die allein im Verantwortungsbereich der Justiz liegen, etwa um vier Monate verzögert wurde. Diese Verzögerung begründet einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK.
Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge ist ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin zu beachten, wenn sich die Verfahrensverzögerung aus den Urteilsgründen ergibt ( BGHSt 49, 342 ff. ). Der Senat sieht hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in folgenden Umständen: Aus der Darstellung zum Verfahrensgang im angefochtenen Urteil ergibt sich eine Untätigkeit des Amtsgerichts zwischen der Bestellung des Pflichtverteidigers am 03.02.2006 und der Anberaumung vorläufiger Hauptverhandlungstermine am 30.04.2006. „Wegen Urlaubs bzw. stationärer ärztlicher Behandlung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts wurde Termin zur Hauptverhandlung vorläufig für den 14.08.2006 festgesetzt“. Wegen Überlastung verlegte der Vorsitzende die anberaumten Termine mit Verfügung vom 07.07.2006 auf den 27.09.2006. Die weitere Verzögerung des Beginns der Hauptverhandung ist hingegen nicht dem Gericht zuzurechnen.
Nach Verfügung der Zustellung der Anklage am 13.11.2005 hätte hier – unter Berücksichtigung des Umfangs und der Bedeutung der Sache, angesichts der Tatsache, dass seit der Tat bereits mehr als 3 Jahre vergangen waren und angesichts des Umstandes, dass sich der Angeklagte nicht in Untersuchungshaft befand – eine Eröffnung und Terminsanberaumung innerhalb von drei Monaten vorgenommen werden können. Unter Zubilligung eines weiteren Zeitraums von drei Monaten zwischen Eröffnungsbeschluss und Beginn der Hauptverhandlung hätte dann spätestens am 13.05.2006 mit der Hauptverhandlung begonnen werden müssen. Statt dessen begann sie erst am 19.10.2006, wobei die Umterminierung vom 27.09. auf den 19.10.2006 nicht der Justiz zuzurechnen ist, so dass sich insgesamt ein Verzögerungsumfang von gut vier Monaten ergibt. Der Senat erkennt an, dass die Wahrnehmung des Urlaubsanspruchs und die stationäre ärztliche Behandlung sowie Überlastung keine Umstände sind, die dem einzelnen Richter vorwerfbar wären. Indes fällt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts generell in den Verantwortungsbereich der Justiz, wenn aufgrund des Mangels an personellen Mitteln Verfahren nicht innerhalb angemessener Zeit abgeschlossen werden können ( BVerfG Beschl.v. 02.07.2003 – 2 BvR 273/03 = BeckRS 2003, 24461; vgl. auch EGMR wistra 2004, 177, 179; Krehl/Eidam NStZ 2006, 1, 4).
Diese Verfahrensverzögerung ist jedoch gering. Der Angeklagte befand sich nicht in Untersuchungshaft, war allerdings einer nicht unerheblichen psychologischen Belastung durch das Verfahren ausgesetzt. Der Senat kann unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung, dass die Strafkammer strafmildernd nicht nur gewertet hat, dass die Tat bereits lange zurücklag, sondern auch ausdrücklich die psychische Belastung des Angeklagten durch die lange Verfahrensdauer gewürdigt hat, ausschließen, dass der Tatrichter dem Angeklagten zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung über die bloße Feststellung des Rechtsverstoßes hinaus eine weitergehende Entschädigung zugebilligt hätte (vgl. hierzu: BGH Beschl.v. 13.06.2008 – 2 StR 200/08 ). Die im vorliegenden Fall zur Kompensation ausreichende Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK hat der Senat hiermit nachgeholt.




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