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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 802/08 OLG Hamm

Leitsatz: Die Eintragung im VZR ist keine mit einem Fahrverbot vergleichbare Nebenfolge, welche neben der Geldbuße als zusätzliche Sanktion zur Einwirkung auf den Betroffenen verhängt werden kann.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Eintragung; Verkehrszentralregister; VZR; Nebenfolge; Zulassung

Normen: OWiG 80

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 25. Juni 2008 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2. Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
3. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
4. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Recklinghausen hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 125,- € verurteilt und zudem angeordnet, dass der Punkt im Verkehrszentralregister entfällt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen und die Rechtsfolge wie folgt begründet:

„Der Betroffene ist bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

Am 11.05.2007 erließ der Landrat des Kreises Recklinghausen gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am 30.03.2007 gegen 11.05 Uhr in Recklinghausen, Hohenzollernstraße als Führer eines Lkw mit dem Kennzeichen XXXXXX, Fabrikat Renault die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritten zu haben. Gegen ihn wurde eine Geldbuße in Höhe von 62,50 Euro sowie 1 Punkt festgesetzt.

Der Betroffene hat keine Einwendungen gegen die Messung erhoben.

Das Gericht hat in analoger Anwendung der Grundsätze betreffend die Festsetzung eines Bußgeldes in Verbindung mit einem Fahrverbot die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße verdoppelt sowie bestimmt, dass der Punkt entfällt.

Das Gericht hat dabei die Grundsätze der Festsetzung einer Geldbuße in Verbindung mit einem Fahrverbot (Bußgeldkatalog-Verordnung-BKatV) in analoger Anwendung zu Grunde gelegt.

Bezüglich des Punktes besteht eine planwidrige Regelungslücke. Es bestehen auch vergleichbare Interessen bei der Festsetzung einer Geldbuße in Verbindung mit einem Fahrverbot. Die vom Gericht getroffene Regelung ist auch nicht zum Nachteil des Betroffenen, so dass die Umwandlung des Fahrverbotes durch eine Erhöhung der Geldbuße in analoger Anwendung erfolgen konnte.

Darüber hinaus sind weder in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen Umstände hervorgetreten, die darauf schließen lassen, dass gerade bei diesem Betroffenen eine Besinnung auf seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer durch eine Geldbuße nicht zu erwarten ist.

Nach alledem war die Geldbuße nach Ansicht des Gerichts zu verdoppeln und zu bestimmen, dass der Punkt entfällt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 StPO, 46 OWiG.“

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bochum Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und die Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Diesem Antrag ist die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beigetreten und hat wie erkannt beantragt.

II.
Der in zulässiger Weise eingelegte und begründete Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Bei der Frage, ob § 4 Abs. 4 BKatV und die zum Absehen vom Fahrverbot entwickelten Grundsätze auf die nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG vorgesehene Eintragung der Verurteilung im Verkehrszentralregister analog angewendet werden können, handelt es sich um eine klärungsbedürftige, abstraktionsfähige Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebietet.

III.
Die sich an die Zulassung der Rechtsbeschwerde anschließende Überprüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat führt zu seiner Aufhebung mitsamt den Feststellungen unter Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Recklinghausen.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen schon nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Feststellungen beschränken sich auf die Darstellung des Inhalts des gegen den Betroffenen erlassenen Bußgeldbescheides und die Mitteilung, dass sich der Betroffene „nicht gegen das Messergebnis gewandt“ habe. Das Urteil enthält jedoch keinerlei Angaben dazu, welchen Sachverhalt das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung als erwiesen angesehen hat. Sollte die Darstellung des Inhalts des Bußgeldbescheides so zu verstehen sein, dass es sich dabei um die von dem Gericht getroffenen Feststellungen handeln soll, tragen diese die Verurteilung ebenfalls nicht, weil weder das angewandte Messverfahren dargestellt, noch mitgeteilt wird, ob und ggf. in welcher Höhe ein Toleranzabzug vorgenommen wurde. Die Mitteilung des Toleranzabzuges war vorliegend auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sich der Betroffene ausweislich des Urteils „nicht gegen das Messergebnis gewandt“ hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1993, 3081 ff.) kann zwar eine Verurteilung wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich auf ein - uneingeschränktes und glaubhaftes - Geständnis des Betroffenen gestützt werden. Aber auch wenn dieses vorliegt, muss das Urteil Angaben dazu enthalten, ob und in welcher Höhe ein Toleranzabzug vorgenommen wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Februar 2008 - 5 Ss OWi 42/08 -). Im Übrigen setzt ein glaubhaftes Geständnis des Betroffenen voraus, dass dieser eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern zusätzlich nach den konkreten Umständen auch einräumen konnte, gerade die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Auch hierzu enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen.

Darüber hinaus kann auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben, weil das von dem Amtsgericht ausgesprochene Entfallen des Punktes im Verkehrszentralregister gesetzlich nicht vorgesehen ist und eine planwidrige Regelungslücke nicht besteht. Das Amtsgericht hat wegen einer vermeintlichen Regelungslücke die zum Absehen vom Fahrverbot entwickelten Grundsätze und im Ergebnis die Vorschrift des § 4 Abs. 4 BKatV auf die nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG gesetzlich vorgeschriebene Eintragung der Verurteilung im Verkehrszentralregister analog angewendet. Dabei handelt es sich um eine unzulässige Analogie, da eine Regelungslücke nicht besteht. Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist keine mit einem Fahrverbot vergleichbare Nebenfolge, welche neben der Geldbuße als zusätzliche Sanktion zur Einwirkung auf den Betroffenen verhängt werden kann. Vielmehr soll die Bestimmung des § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG sicherstellen, dass Ordnungswidrigkeiten ab einer gewissen Bedeutung zentral erfasst und bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigt werden können (vgl. OLG Hamm, VM 1997, Nr. 39
m.w.N.). Das Punktsystem bezweckt eine Vereinheitlichung der Behandlung von Mehrfachtätern (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 4 StVG Rand-
ziffer 2) und stellt damit keine Sanktion dar, die Aufnahme in den Urteilstenor eines ordentlichen Gerichts finden kann.

IV.
Das Amtsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. November 2008 den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen hat. Die Rücknahme eines Einspruchs ist zwar grundsätzlich nur bis zur Verkündung des Urteils des Amtsgerichts möglich bzw. nach Beginn der Hauptverhandlung zur Sache nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft (§ 71 OWiG i.V.m. § 411 Abs. 3 StPO). Kommt es jedoch nach vollständiger Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsbeschwerdegericht zu einer neuen Hauptverhandlung im ersten Rechtszug bzw. ist die Sache wieder im ersten Rechtszug rechtshängig, ist die Einspruchsrücknahme erneut bis zur Urteilsverkündung zulässig (vgl. OLG Hamm, NJW 1980, 251).



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