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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 328/08 OLG Hamm

Leitsatz: Der Grundsatz, dass ein Absender darauf vertrauen kann, eine normale Postsendung gehe einen Tag nach der Aufgabe bei dem Empfänger ein, gilt für die besondere Versendungsform des Einschreibens nicht.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung; Verschulden, Postlaufzeit; Einschreiben;

Normen: StPO 40, StPO 44

Beschluss:

Strafsache
In pp.

1. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist wird als unzulässig verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten wird als unzulässig verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Herne-Wanne hat den Angeklagten durch Urteil vom 22. Dezember 2005 wegen Diebstahls in zwei besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
In der Berufungshauptverhandlung am 25. Januar 2007 ist der Angeklagte nicht erschienen, worauf das Landgericht Bochum die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen hat.
Mit Beschluss vom 20. Februar 2007 hat das Landgericht Bochum die öffentliche Zustellung des Urteils vom 25. Januar 2007 gemäß § 40 StPO bewilligt, da die Zustellung an den Angeklagten nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden konnte und eine zustellungsfähige Anschrift im Ausland nicht bekannt war. Die öffentliche Zustellung ist sodann durch Aushang an der Gerichtstafel des Landgerichts Bochum vom 21. Februar 2007 bis zum 12. März 2007 erfolgt. Mit Schreiben vom Juni 2008, beim Landgerichts Bochum eingegangen am 27. Juni 2008, hat der Angeklagte um Überprüfung des Urteils auf einen möglichen Rechtsfehler gebeten. Das Landgericht hat diese Eingabe des Angeklagten als Wiedereinsetzungsantrag und als Revision gewertet und beide Rechtsmittel mit Beschluss vom 13. August 2008 als unzulässig verworfen.
Gegen diesen Beschluss, der dem Angeklagten am 27. August 2008 zugestellt worden ist, hat dieser mit Schreiben vom 31. August 2008, beim Landgericht Bochum eingegangen am 08. September 2008, sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die gemäß §§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft bereits als unzulässig zu verwerfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 20. Oktober 2008 Folgendes ausgeführt:
„a)
Die gemäß §§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist bereits unzulässig.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 31.08.2008, die er am 02.09.2008 per Einschreiben zur Post gegeben hat (Bl. 316a R Bd. II d.A.), ist nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingegangen. Da dem Angeklagten nach seinen eigenen Angaben der Beschluss des Landgerichts Bochum am 27.08.2008 zugestellt worden ist (Bl. 312 Bd. Il d.A.), hätte die sofortige Beschwerde bis zum 03.09.2008 bei dem Landgericht Bochum eingehen müssen. Tatsächlich ist sie jedoch erst am 08.09.2008 eingegangen (Bl. 312 Bd. II d.A.).
Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen ist im vorliegenden Fall kein Raum. Der Grundsatz, dass ein Absender darauf vertrauen kann, eine normale Postsendung gehe einen Tag nach der Aufgabe bei dem Empfänger ein, gilt für die besondere Versendungsform des Einschreiben nicht. Wer sich zur Einlegung eines Rechtsmittels des Postweges bedient, muss die gewöhnliche Laufzeit der Postsendung nicht nur nach der Entfernung zwischen Aufgabe- und Zustellort, sondern auch nach der gewählten Versendungsart kalkulieren, wobei die Laufzeit eines Einschreibebriefes wegen der mit seiner Beförderung verbundenen Kontrollen bei der Aufgabe und der Zustellung regelmäßig länger sein muss als die eines gewöhnlichen Briefes (zu vgl. KG, NStZ-RR 2006, 142). Zwar erscheint eine Laufzeit von sechs Tagen wie im vorliegenden Fall auch für ein Einschreiben ungewöhnlich (zu vgl. Senatsbeschluss vom 07.10.2002 – 2 Ws 385/02 -‚ wonach eine Laufzeit von vier Tagen und BVerfGE 40, 42 ff, wonach sogar eine Laufzeit von mehr als zwei Tagen als nicht vorhersehbar angesehen worden ist), doch ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den Brief erst einen Tag vor Ablauf der Beschwerdefrist aufgegeben hat. War sich der Angeklagte über die Besonderheit im Klaren, trifft ihn das Verschulden, mit der Aufgabe der Sendung erst einen Tag vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist wissentlich das Risiko eingegangen zu sein, dass die Einschreibsendung verspätet bei dem Landgericht eintraf. War er sich der Besonderheit nicht bewusst, liegt sein Verschulden darin, dass er sich trotz der gegenüber gewöhnlicher Briefpost deutlich andersartigen Versendungsart nicht nach den Laufzeitverhältnissen erkundigt, sondern einfach auch insoweit mit den für die gewöhnliche Post geltenden gerechnet hat (zu vgl. KG, a.a.O.). Dass er sich bei Aufgabe der Sendung erkundigt habe und ihm das Eintreffen der Sendung auch als Einschreiben schon am nächsten Tag zugesichert worden sei, ergibt sich aus der Akte nicht. Hätte er sich erkundigt, hätte er noch einen Übermittlungsweg beschreiten können, bei dem die Frist eingehalten worden wäre.
Unabhängig davon ist die sofortige Beschwerde jedenfalls unbegründet. Das Landgericht Bochum hat das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zu Recht bereits als unzulässig verworfen.
Dabei waren die Rechtsmittelfristen bereits in Gang gesetzt worden. Das Urteil des Landgerichts Bochum ist gemäß § 40 Abs. 3 StPO öffentlich zugestellt worden, da die Zustellung an den Angeklagten nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden konnte und eine zustellungsfähige Anschrift im Ausland nicht bekannt war. Diese Zustellungsform war im vorliegenden Fall rechtens, auch wenn der Verteidiger Zustellungsvollmacht gemäß § 145a StPO besaß (Bl. 74 Bd. I d.A.). Dem Verteidiger ist das Urteil zwar ebenfalls zugestellt worden, allerdings erfolgte diese Zustellung nicht förmlich (Bl. 267 Bd. II d.A.). § 145a StPO begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen für den Angeklagten an den bevollmächtigten Verteidiger zu bewirken (zu vgl. OLG Düsseldorf, VRS 97, 132 ff; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 145a Rn. 6 m.w.N.). Das Landgericht konnte demnach trotz der bestehenden Zustellungsvollmacht auch von § 40 Abs. 3 StPO Gebrauch machen.
Die öffentliche Zustellung ist auch ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die in § 40 Abs. 1 StPO in der bis zum 31.08.2004 gültigen Fassung enthaltene Bestimmung, dass die öffentliche Zustellung als erfolgt gilt, wenn das zuzustellende Schriftstück zwei Wochen an der Gerichtstafel des ersten Rechtszuges angeheftet gewesen ist, ist in der durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24.08.2004 (BGBI. 2004 Teil I Nr. 45) abgeänderten und ab dem 01.09.2004 gültigen Fassung des § 40 Abs. 1 StPO nicht mehr enthalten. Nach der Neufassung der Vorschrift gilt die Zustellung als erfolgt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StPO).
In der Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, bei weichem Gericht auf der Grundlage des § 40 StPO n.F. im Strafverfahren die öffentliche Zustellung zu bewirken ist.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine eindeutige gesetzliche Regelung bestehe nicht (Senatsbeschluss vom 04.05.2006, NStZ-RR 2006, 344 f.), zum anderen wird unter Bezugnahme auf die Regelungen in der ZPO die Ansicht vertreten, eine öffentliche Zustellung habe an der Gerichtstafel desjenigen Gerichtes zu erfolgen, das für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung zuständig ist ( OLG Hamm, NJW 2007, 933 ff.; OLG Stuttgart, NJW 2007, 935 ff.; OLG Rostock, NJ 2007, 517; Meyer-Goßner, a.a.O., § 40 Rn. 7).
Für die Ausführung der öffentlichen Zustellung sollen nach dem Willen des Gesetzgebers über die Verweisung in § 37 StPO die §§ 186, 187 ZPO gelten. § 40 StPO regelt nur noch die spezifisch auf den Strafprozess zugeschnittenen und abgestuften Regeln zur Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung und zur Dauer des Aushangs, die von den §§ 185, 188 ZPO abweichen (BTDrucks. 15/3482, S. 20). Die Ausführung einer gemäß § 40 StPO angeordneten öffentlichen Zustellung richtet sich daher – mit Ausnahme der Dauer des Aushangs – nach § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 186, 187 StPO. Nach § 186 Abs. 1 ZPO entscheidet über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung das Prozessgericht. Das ist dasjenige Gericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist. In der Zwangsvollstreckung ist Prozessgericht im Sinne dieser Vorschrift das Vollstreckungsgericht (Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 186 Rn. 1). Da eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Frage, wo die öffentliche Zustellung zu bewirken ist, fehlt, spricht vieles dafür, auch insoweit das Prozessgericht als zuständig anzusehen (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze erscheint es plausibel, auch im Strafverfahren das Gericht für den Aushang einer öffentlichen Zustellung als zuständig anzusehen, das auch über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entschieden hat. Dies wäre im vorliegenden Fall das Landgericht Bochum. Mithin wäre die öffentliche Zustellung bei dem zutreffenden Gericht erfolgt, wodurch die öffentliche Zustellung als wirksam anzusehen ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag muss jedoch Angaben nicht nur über die versäumte Frist und den Hinderungsgrund, sondern auch über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 45 Rn. 5 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten nicht. Der Antragsbegründung lässt sich lediglich entnehmen, dass der Angeklagte durch seine Ehefrau erfahren hat, dass ein Urteil ergangen sein soll. Diese ungenauen Angaben genügen jedoch nicht der Darlegung zum konkreten Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses, da sich anhand dieser Angaben die Einhaltung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nicht überprüfen lässt.
Dass die Tatsachen, welche für die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrages von Bedeutung sind, in der Antragsschrift aus Juni 2008 nicht gem. § 45 Abs. 2 S. 1 StPO glaubhaft gemacht worden sind – die eigene Erklärung des Antragstellers genügt insoweit nicht (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 45 Rn. 9 m.w.N.) – ist dagegen nicht zu beanstanden, da die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versicherung der früheren Betreuerin X vom 01.09.2008 (Bl. 313 Bd. II d.A.) im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden ist. Dies ist nach § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO möglich.
b)
Das Schreiben des Angeklagten aus Juni 2008 (Bl. 300f Bd. II d.A.) könnte darüber hinaus gemäß § 300 StPO als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist auszulegen sein. Ein solcher wäre jedoch aus den oben genannten Erwägungen ebenfalls unzulässig, da der Wiedereinsetzungsantrag schon den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses nicht enthält.
c)
Soweit in dem Vorbringen des Angeklagten aus Juni 2008 auch das Rechtsmittel der Revision gesehen werden kann, ist diese ebenfalls bereits unzulässig.
Zwar ist die Revision gegen das Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO auch neben einem Wiedereinsetzungsantrag zulässig (§ 342 StPO). Dabei ist mit endgültiger Erledigung des Antrags auf Wiedereinsetzung eine Entscheidung des Senats auch über die Revision veranlasst (§ 342 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Unabhängig davon, dass die Revision nicht fristgemäß nach § 341 Abs. 2 StPO eingelegt worden ist, entspricht sie in keiner Weise den Formvorschriften des § 345 Abs. 2 StPO.
Der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 13.08.2008 (Bl. 307 Bd. II d.A.), soweit er die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen hat, ist gegenstandslos. Zum einen hätte die gerichtliche Entscheidung über die Revision bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag aufgeschoben werden müssen. Zum anderen entscheidet insoweit nicht das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, sondern das Revisionsgericht (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 342 Rn. 2 m.w.N.).“
Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung, so dass sämtliche Rechtsmittel des Angeklagten mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen waren.




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