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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 368/09 OLG Hamm

Leitsatz: Nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde/Revision beginnt die Frist zur Ergänzung der abgekürzten Urteilsgründe mit dem Eingang der Akten bei dem für die Ergänzung zuständigen Gericht.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung; Urteilsgründe; Ergänzung; Fristbeginn;

Normen: StPO 44; StPO 275; StPO 345

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit,
(hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde)
Auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerte vom 24. Oktober 2008 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 05. Mai 2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbe-schwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerte vom 24. Oktober 2008 gewährt.


Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Beschluss des Amtsgerichts Schwerte vom 24. Oktober 2008 im schriftlichen Verfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts eine Geldbuße in Höhe von 275,00 € verhängt worden. Außerdem ist ihm unter Beachtung des § 25 Abs. 2a StVG für die Dauer von zwei Monaten verboten worden, Kraftfahrzeuge aller Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Eine nähere Begründung enthält der Beschluss nicht, sondern wegen des festgestellten Sachverhalts ist auf den Inhalt des Bußgeldbescheides vom 05. Mai 2008 verwiesen worden, nachdem die Staatsanwaltschaft zuvor gemäß § 72 Abs. 6 OWiG mit Verfügung vom 12. August 2008 auf eine Begründung verzichtet hatte. Der Betroffene hatte ein dahingehendes Einverständnis zwar nicht ausdrücklich erklärt. Er hatte aber auf die Mitteilung des Amtsgerichts vom 22. September 2008, es sei beabsichtigt, in dem Beschluss auf den Bußgeldbescheid Bezug zu nehmen und von einer weiteren Begründung – außer dem Verweis auf den Bußgeldbescheid – abzusehen und eine unterbliebene Äußerung als Verzicht auf eine Begründung zu werten, nicht reagiert.

Der angefochtene Beschluss vom 24. Oktober 2008 ist dem Betroffenen am 20. Oktober 2008 durch Einlegung in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Januar 2009, der beim Amtsgericht Schwerte am 02. Februar 2009 per Telefax eingegangen ist, hat der Betroffene gegen den Beschluss „Beschwerde“ eingelegt sowie deren Zulassung beantragt und zugleich unter näherer Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

„Die im Wege der Auslegung (§ 300 StPO) als Rechtsbeschwerde anzusehende „Beschwerde“ ist nicht rechtzeitig eingelegt worden. Sie hätte gem.
§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 1 StPO bis zum 06.11.2008 bei dem Amtsgericht Schwerte eingehen müssen, ist dort aber erst am 02.02.2009 und somit verspätet eingegangen.

Dem Betroffenen ist jedoch gem. § 44 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert war.

Der Verteidiger des Betroffenen hat dem Wiedereinsetzungsantrag eine eidesstattlichen Versicherung des Bruders des Betroffenen, des Zeugen M.K., beigefügt. In dieser eidesstattlichen Versicherung gibt
der Zeuge an, dass er mit dem Betroffenen zusammen die Anschrift T-Straße 9 in Hagen bewohne, er regelmäßig den Briefkasten leere und sodann die für den Betroffenen bestimmte Post diesem aushändige. So habe er ihm auch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Hagen vom 09.01.2009, mit welchem der Betroffene unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts Schwerte vom 24.10.2008 dazu aufgefordert worden ist, den Führerschein bei der Staatsanwaltschaft Hagen einzureichen (Bl. 33, 33 R d.A.), übergeben. Der Betroffene habe ihn daraufhin gefragt, ob auch im Oktober des Jahres 2008 ein Schreiben des Amtsgerichts Schwerte angekommen sei, das er - der Zeuge - sodann in seinen Unterlagen gefunden habe. Er habe dieses Schreiben bei Erhalt irrtümlich als ihn betreffend angesehen, zu seinen Unterlagen genommen und sodann vergessen. Den Beschluss des Amtsgerichts Schwerte vom 24.10.2008 habe er noch am 24.01.2009 (Wochentag Samstag) dem Betroffenen übergeben.

Bei dieser Sachlage ist zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gehindert war.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist am 02.02.2009 (Wochentag Montag) fristgemäß eingegangen und zugleich ist die versäumte Rechtshandlung nachgeholt worden.

Dem Betroffenen ist mithin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Eine Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist indes noch nicht veranlasst, da die einmonatige Frist zur Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung gem. § 345 Abs. 1 StPO erst mit der Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses beginnt (zu vgl. Meyer-Goßner, 51. Aufl., § 345 Rdnr. 6 m.w.N.).“

Diese zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung.

III.
Über die Rechtsbeschwerde hatte der Senat noch nicht zu befinden. Gemäß § 72 Abs. 6 Satz 2 OWiG ist der Beschluss zunächst nachträglich vom Amtsgericht Schwerte innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG für die Absetzung eines Urteils geltenden Frist zu begründen, nachdem dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist. Nicht ausdrücklich geregelt ist indes, wann diese Frist beginnt. In Rechtsprechung und Literatur war streitig, ob hierfür der Erlass des Wiedereinsetzungsbeschlusses durch das Rechtsmittelgericht oder der danach erfolgende Eingang der Gerichtsakten beim Tatgericht maßgeblich ist.

Der 2. Strafsenat der Bundesgerichtshofs hat die Rechtsfrage nunmehr auf Vorlage durch das Oberlandesgericht Frankfurt mit Beschluss vom 10. September 2008 – 2 StR 134/08 – (BGHSt 52, 349 ff.) dahin entschieden, dass die Frist zur Ergänzung der abgekürzten Urteilsgründe mit dem Eingang der Akten bei dem für die Ergänzung zuständigen Gericht beginnt (so auch Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 267 Rdn. 30; Rieß NStZ 1982, 441, 445 Fn. 101; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. Rdn. 618; a.A. BayObLGSt 1979, 148, 149; OLG Düsseldorf VRS 82, 38; JMBl. NW 1982, 139, 140; JurBüro 1984, 722; KG NZV 1992, 123, 124 [zu § 77 b Abs. 2 OWiG]; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 267 Rdn. 144; Schlüchter in SK-StPO § 267 Rdn. 69; Schlüchter/Frister in SK-StPO § 275 Rdn. 13; Engelhardt in KK-StPO 5. Aufl. § 267 Rdn. 39; Pfeiffer StPO 5. Aufl. § 267 Rdn. 23). Auch wenn es insoweit an einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz fehle, könne doch der Formulierung der fraglichen Bestimmung im Zusammenhang mit den Gesetzgebungsmaterialien der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, dass dem zur Ergänzung der Urteilsgründe berufenen Richter die volle Frist von im Regelfall fünf Wochen und nicht ein im Einzelfall nicht vorhersehbarer kürzerer Zeitraum zur Ergänzung des Urteils zur Verfügung steht. Dies stehe auch in Einklang damit, dass auch sonst die Strafprozessordnung den Lauf einer Frist für Rechtsbehelfe gegen schriftliche Entscheidungen nicht an den Erlass, sondern an die Zustellung bzw. die Kenntniserlangung durch den Anfechtungsberechtigten knüpfe. Würde man hingegen – wie das BayObLG es vertritt – den Lauf der Frist des § 267 Abs. 4 Satz 3 StPO mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Wiedereinsetzungbeschluss „in den Gerichtslauf“ gegeben werde, so würde dies zu Unsicherheiten führen; denn dieser Zeitpunkt müsse in den Akten nicht hinreichend genau dokumentiert werden. Hieran anzuknüpfen bestehe auch bei einer gerichtsinternen Frist keine Veranlassung. Auch Sinn und Zweck der Regelung erfordere, dass dem Tatrichter die vollständige Frist zur Ergänzung seiner Urteilsgründe zur Verfügung stehe, die er zur sorgfältigen Absetzung benötige. Die hierfür erforderliche Frist habe der Gesetzgeber generalisierend in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO mit fünf Wochen festgelegt. Diese Frist stehe dem Tatrichter - ähnlich der Urteilsabsetzungsfrist nach Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung - zuverlässig nur dann zur Verfügung, wenn auf den Eingang der Akten bei seinem Gericht abgestellt werde (vgl. auch BayObLGSt 1977, 77, 78). Hingegen würde die Annahme des Fristbeginns bereits mit dem Erlass des Wiedereinsetzungsbeschlusses (oder dessen Zustellung) selbst im Fall einer äußerst zügigen Rückleitung der Strafakten dazu führen, dass die Ergänzungsmöglichkeit ohne sachlichen Grund in zeitlicher Hinsicht beschränkt werde; Verzögerungen bei der Rücksendung der Akten und späte Kenntnis des Tatgerichts von der Wiedereinsetzung könnten sogar zur Folge haben, dass eine fristgerechte Ergänzung des Urteils von vornherein unmöglich wäre ( BGH NStZ 2004, 508, 509). Dass der Gesetzgeber diese Folge, die sich aus der unterlassenen Verweisung auf § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO ergebe (vgl. OLG Hamburg MDR 1978, 247 f.; Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 30; Rieß NStZ 1982, 441, 445; zw Gollwitzer aaO § 267 Rdn. 146), bewusst in Kauf genommen hätte (so BayObLGSt 1979, 148, 151), sei nicht zu erkennen.
Eine Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung sei nicht zu besorgen. Die beteiligten Justizorgane seien verpflichtet, für eine zügige Rückleitung der Akten und eine ohne vermeidbare Verzögerungen vorgenommene Urteilsergänzung zu sorgen.

III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 7 StPO.



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