Aktenzeichen: 3 Ss OWi 321/08 OLG Hamm |
Leitsatz: Die in Kapitel 7.5, Abschnitt 7.5.7, Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR in der ab dem 01.01.2007 geltenden Fassung getroffene Regelung unterscheidet gemäß Satz 2 des Unterabschnittes 7.5.7.1 nunmehr ausdrücklich zwischen gefährlichen Gütern (Versandstücke oder unverpackt) einerseits und anderen Gütern, also Teilen der Ladung, die kein Gefahrgut darstellen, andererseits und trifft eine eigenständige Regelung für die gemeinsame Beförderung solcher gemischen Ladungen. Nach dieser Neufassung liegt eine nicht ausreichende Sicherung bzw. Verpackung mitbeförderter, nicht gefährlicher anderer Güter (Ladungsteile) erst dann vor, wenn Kontakte mit diesen Teilen bzw. Lageveränderungen oder Bewegungen dieser Ladungsteile möglich sind, die sich dergestalt auf die gefährlichen Güter auswirken können, dass es zu einem Austritt von Gefahrgut kommen könnte. |
Senat: 3 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: |
Normen: GGBefG § 10 Abs. 1 Nr. 1; GGVSE § 9 Abs. 13; GGVSE § 11; StVO § 22 Abs. 1 |
Beschluss: Bußgeldsache In pp. hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 09.06.2009 beschlossen: Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, bis auf die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen. Diese bleiben aufrecht erhalten. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Detmold zurückverwiesen Gründe: I. Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 10.02.2008 wegen fahrlässiger nicht ordnungsgemäßer Verstauung einer Ladung mit gefährlichen Gütern zu einer Geldbuße von 300,00 verurteilt worden. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene befuhr am 23.05.2007 mit dem LKW der Marke E, amtliches Kennzeichen in M die C1 Straße. Der Betroffene transportierte auf dem LKW Gefahrgüter: UN1965, Kohlenwasserstoffgas, Gemisch, verflüssigt, N.A.G, Klasse 2 gesamt 406 kg an leeren Flaschen und 396 kg an vollen Flaschen. Im vorderen Bereich der Ladefläche standen kleine Gasflaschen in Metallgestellen. Im hinteren Bereich befanden sich große Gasflaschen. Dazwischen befand sich ein ladefreier Raum, indem vollkommen frei und ohne jegliche Sicherung eine Sackkarre stand. Diese Sackkarre war nicht gesichert und konnte jederzeit umkippen oder verrutschen. Der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass die Gasflasche nicht ordnungsgemäß gesichert war. Ihm war bekannt, dass er Gefahrengut transportierte. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. II. Die Sache war zur Fortbildung des materiellen Rechts dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG). Über die Auslegung der neugefassten Regelung in Kapitel 7.5., Abschnitt 7.5.7., Unterabschnitt 7.5.7.1. ADR in der ab dem 01.01.2007 geltenden Fassung (vgl. Anlage zur Bekanntmachung der Neufassung der Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens vom 30.09.1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der seit dem 01.01.2007 geltenden Fassung, Anlagenband zum Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 27 vom 14.09.2007) ist soweit ersichtlich bisher keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine solche der zuständigen Einzelrichterin. III. Die Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge überwiegend vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang und zu einer entsprechenden Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Detmold zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. 1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind allerdings die getroffenen Feststellungen betreffend den Standort und die unterbliebenen Sicherung der auf der Ladefläche befindlichen Sackkarre weder widersprüchlich noch verstößt die Beweiswürdigung gegen Denk- und Erfahrungssätze. Insoweit wird zu Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zu dem Rechtsmittel des Betroffenen, die dessen Verteidiger übersandt worden ist, Bezug genommen. Die Bewertung des Amtsrichters, das Eigengewicht der Sackkarre sei nicht ausreichend, um diese genügend an ihrem Platz zu halten, beinhaltete nicht die allgemeine Feststellung, die Sackkarre werde aufgrund ihres geringen Gewichts auf einer Fahrt mit dem LKW zwangsläufig ihre Position verändern, sondern bezieht sich wie sich aus den Urteilsgründen unzweifelhaft ergibt auf deren voraussichtliches Verhalten in besonderen Verkehrssituationen, nämlich auf solche, bei denen stärkere Lenkbewegungen, scharfe Lenkmanövern nach rechts oder links oder eine stärkere Bremsung oder sehr starke Lenkbewegungen in einer vielleicht verkehrskritischen Situation durchzuführen sind. Ein Widerspruch zu der vorangegangenen Feststellung, die Sackkarre stehe aufgrund ihrer Konstruktion relativ sicher, weise also eine gewisse Standfestigkeit auf, besteht daher nicht. Soweit der Betroffene geltend macht, extreme Fahrweisen seien von ihm nicht durchgeführt worden und von ihm auch nicht beabsichtigt gewesen, ist anzumerken, dass die Erforderlichkeit etwaiger Voll- bzw. Notbremsungen oder Ausweichmanöver nicht allein von der Fahrweise des Betroffenen abhing, sondern durch das Fahrverhalten Dritter oder etwa durch Hindernisse auf der Fahrbahn hätte veranlasst werden können, so dass daher solche Verkehrssituationen für den Betroffenen nicht sicher vermeidbar waren. 2. Die getroffenen Feststellungen tragen aber nicht die Verurteilung des Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG,10 Nr. 17 GGVSE, 9 Abs. 13 GGVSE, in Verbindung mit Abschnitt 7.5.7.1 ADR. a) Gemäß § 9 Abs. 13 der Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn GGVSE) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. November 2006 (BGBl. I S. 2683) haben der Verlader und der Fahrzeugführer im Straßenverkehr die Vorschriften über die Beladung und Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße; im Folgenden: ADR) zu beachten. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen diese Vorschrift wird gemäß §§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG), 10 Nr. 17 GGVSE als Ordnungswidrigkeit geahndet. Der Tatrichter hat ist bei der Prüfung, ob der Betroffene als Fahrzeugführer entgegen § 9 Abs. 13 GGVSE eine Vorschrift über die Beladung und Handhabung nicht beachtet hat, bei der Anwendung der von ihm herangezogenen Vorschrift des Unterabschnittes 7.5.7.1 der Anlage A des vorgenannten Europäischen Übereinkommens (ADR) ersichtlich von dieser Vorschrift in der ab dem 01.01.2005 bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung, (Anlagenband zum Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 24 vom 07.10.2005; im Folgenden: ADR 2005) ausgegangen, die lautet: Die einzelnen Teile einer Ladung mit gefährlichen Gütern müssen auf dem Fahrzeug oder Container so verstaut oder durch geeignete Mittel gesichert sein, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeugs oder Containers nur geringfügig verändern können. Die Ladung kann z.B. durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen gesichert werden. Eine ausreichende Ladungssicherung im Sinne des ersten Satzes liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Versandstücken vollständig ausgefüllt ist. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Celle vom 15.02.1996 2 Ss (OWi 24/95), juris) hat der Amtsrichter die Auffassung vertreten, dass unter Teile einer Ladung im Sinne des oben zitierten Unterabschnittes 7.5.7.1 ADR nicht nur diejenigen Teile zu verstehen, welche als Gefahrgut einzustufen sind, sondern auch die übrigen Gegenstände auf einer Ladefläche. Er hat dementsprechend die nach den Urteilsfeststellungen völlig ungesichert auf Ladefläche stehende Sackkarre als Teil der Ladung angesehen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese zumindest bei stärkeren bzw. schärferen Lenkbewegungen und scharfen Kurvenfahrten ihre Lage nicht nur geringfügig, sondern wesentlich verändern könne, so dass entgegen § 9 Abs. 13 GGVSE die Vorschriften über die Beladung und Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR nicht beachtet worden seien. Diese Bewertung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. b) Der Tatrichter hat aber bei der Anwendung der von ihm herangezogenen Vorschrift des Unterabschnittes 7.5.7.1 der Anlage A des ADR nicht berücksichtigt, dass diese Vorschrift mit Wirkung ab dem 01.01.2007 neu gefasst worden ist. Kapitel 7.5, Abschnitt 7.5.7, Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR in der ab dem 01.01.2007 geltenden Fassung (vgl. Anlage zur Bekanntmachung der Neufassung der Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens vom 30.09.1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der seit dem 01.01.2007 geltenden Fassung, Anlagenband zum Bundesgesetzblatt Teil II Nr. 27 vom 14.09.2007; im Folgenden: ADR 2007), lautet: Die Fahrzeuge oder Container müssen gegebenenfalls mit Einrichtungen für die Sicherung und Handhabung der gefährlichen Güter ausgerüstet sein. Versandstücke, die gefährliche Güter enthalten, und unverpackte gefährliche Gegenstände müssen durch geeignete Mittel gesichert werden, die in der Lage sind, die Güter im Fahrzeug oder Container so zurückzuhalten (z.B. Befestigungsgurte, Schiebewände, verstellbare Halterungen), dass eine Bewegung während der Beförderung, durch die die Ausrichtung der Versandstücke verändert wird oder die zu einer Beschädigung der Versandstücke führt, verhindert wird. Wenn gefährliche Güter zusammen mit anderen Gütern (z.B. schwere Maschinen oder Kisten) befördert werden, müssen alle Güter in den Fahrzeugen oder Containern so gesichert oder verpackt werden, dass das Austreten gefährlicher Güter verhindert wird ( Fettdruck-Hervorhebung durch den Senat). Die Bewegung der Versandstücke kann auch durch das Auffüllen von Hohlräumen mit Hilfe von Stauhölzern oder durch Blockieren und Verspannen verhindert werden. Wenn Verspannungen wie Bänder oder Gurte verwendet werden, dürfen diese nicht überspannt werden, so dass es zu einer Beschädigung oder Verformung des Versandstücks kommt. Wie sich aus Satz 2 der Neufassung des Unterabschnittes 7.5.7.1 ADR 2007 ergibt, unterscheidet diese nunmehr ausdrücklich zwischen gefährlichen Gütern (Versandstücke oder unverpackt) einerseits und anderen Gütern, also Teilen der Ladung, die kein Gefahrgut darstellen, anderseits und trifft eine eigenständige Regelung für die gemeinsame Beförderung solcher gemischten Ladungen. Hiernach liegt eine unzureichende Sicherung nicht schon dann vor, wenn Teile der Ladung, die kein Gefahrgut darstellen bzw. enthalten, mehr als nur geringfügig ihre Lage verändern können, wovon das Amtsgericht auf der Grundlage des Unterabschnittes 7.5.7.1 ADR 2005 ausgegangen ist. Eine nicht ausreichende Sicherung bzw. Verpackung liegt nach der Neufassung vielmehr erst dann vor, wenn Kontakte mit diesen Teilen bzw. Lageveränderungen oder Bewegungen dieser Ladungsteile möglich sind, die sich dergestalt auf die gefährlichen Güter auswirken können, dass es zu einem Austritt von Gefahrgut kommen könnte. Dazu, ob ein Rollen oder Kippen der ungesicherten Sackkarre zu Beschädigungen, einem Verrutschen oder gar zu einem Umkippen der Gasflaschen und dadurch zu Verformungen oder sonstigen Schäden an den Gasbehältern hätte führen können, die ein Austreten von Gas zu Folge hätten haben können, hat das Amtsgericht keine Festsstellungen getroffen. Derartige gefahrvolle Auswirkungen liegen angesichts der Umstände, dass die Sackkarre wohl kein erhebliches Gewicht aufwies, dass davon auszugehen ist, dass die Gasflaschen aus Stahl bestanden und nach den in den Akten befindlichen Fotos, auf die der Amtsrichter gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen hat, teilweise in Stahlregale eingestellt, teilweise durch ein Stahlgestell von der Sackkarre abgetrennt waren und insbesondere die Gefahr einer Beschädigung der Ventile der Gasflaschen und eines damit möglicherweise verbundenen Austretens von Gas ohne nähere Kenntnis der Art und Absicherung dieser Ventile nicht abgeschätzt werden kann, auch nicht auf der Hand. Vielmehr wird zu Klärung dieser Frage die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein. Der Umstand, dass § 11 GGVSE in der Fassung vom 24.11.2006 als Übergangsvorschrift vorsieht, dass bis zum 30. Juni 2007 die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und Schiene noch nach den Vorschriften dieser Verordnung in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung durchgeführt werden kann, diese verweist in § 1 Abs. 3 Nr. 1 auf die Teile 1-9 der Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung (ADR 2005), macht die Klärung der oben erörterten Frage nicht entbehrlich. Vielmehr folgt aus dieser Übergangsregelung, dass dem Betroffenen die Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG,10 Nr. 17 GGVSE, 9 Abs. 13 GGVSE, in Verbindung mit Abschnitt 7.5.7.1 ADR erst dann zur Last gelegt werden kann, wenn er die zuletzt genannte Vorschrift des ADR weder in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung noch deren ab dem 01.01.2007 gültigen Neufassung eingehalten hat. Dies lässt sich aus dem angefochtenen Urteil aber nicht entnehmen. Das angefochtene Urteil konnte daher keinen Bestand haben. Es war bis auf die Feststellungen zu dem äußeren Tatgeschehen, die sich auf den Standort und die unterbliebene Sicherung der Sackkarre beziehen diese sind fehlerfrei getroffen worden und konnten daher aufrecht erhalten werden aufzuheben und wie geschehen, an das Amtsgericht Detmold zurückzuverweisen. Sollte in der erneuten Hauptverhandlung ein Verstoß gegen Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR in der ab dem 01.07.2007 geltenden Fassung nicht festgestellt werden, wäre zu prüfen, ob dem Betroffenen gegebenenfalls ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 StVO zur Last zu legen ist. |
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