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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ss 528/08 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung und zur Zulässigkeit der Bezugnahme auf die Feststellungen des Tatgerichts.

Senat: 5

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung; Rechtskraft; Feststellungen; Bezugnahme

Normen: StPO 318

Beschluss:

Strafsache
g e g e n pp.
w e g e n Diebstahls.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des
Landgerichts Essen vom August 2008 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts
Hamm am 8.1.2009 durch



nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines
Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts
Essen zurückverwiesen.


Gründe:

I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Essen hat den Angeklagten wegen „Diebstahls in
vier Fällen, wobei in drei Fällen geringwertige Sachen entwendet wurden“, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt und in der
Berufungshauptverhandlung vom 29. August 2008 mit Zustimmung der
Staatsanwaltschaft die Beschränkung seines Rechtsmittels auf den
Rechtsfolgenausspruch erklärt.
Mit dem angefochtenen Urteil hat die Strafkammer die Berufung des Angeklagten
mit der Maßgabe verworfen, dass eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten
verhängt wird.
In den schriftlichen Urteilsgründen des angegriffenen Urteils heißt es zur
Prozessgeschichte und zu den Feststellungen zur Person wie folgt:
„Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
Aufgrund der wirksamen Beschränkung sind die tatsächlichen Feststellungen des
erstinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen. Insoweit wird auf die Darstellung
des angefochtenen Urteils, BI. 45 bis 54 oben, Bezug genommen.
Die neuerliche Hauptverhandlung hat zu folgenden ergänzenden Feststellungen
hinsichtlich des Lebenslaufs des Angeklagten geführt: Der 50 Jahre alte Angeklagte wuchs nach der Scheidung seiner Eltern in dem Haushalt seines Vaters auf. Von
seinem 14. bis zu seinem 18. Lebensjahr lebte er bei seiner Mutter.
Er besuchte die Hauptschule nur bis zur 6. Klasse, da er einige Male………………..“

Auf Blatt 45 bis 54 oben d. A. sind ausschließlich Feststellungen des Amtsgerichts
zur Person des Angeklagten aufgeführt
.

II.

Die ausschließlich auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten ist zulässig
und hat auch in der Sache - jedenfalls vorläufig - Erfolg.
In Folge der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch
sind die zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts
bindend geworden, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, auch wenn die
fehlerhafte Formulierung, diese seien „in Rechtskraft erwachsen“, verwendet wird.
Die Feststellungen des Amtsgerichts zu den Taten sind klar und vollständig, weshalb
sie eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung
bieten.

Das angefochtene Urteil ermöglicht dem Senat gleichwohl nicht die ihm obliegende
rechtliche Überprüfung, da die Urteilsgründe lückenhaft sind. Urteilsgründe müssen
klar, eindeutig und aus sich heraus verständlich sein.

a. Soweit das Landgericht allerdings nicht auf die – infolge wirksamer
Rechtsmittelbeschränkung - bindend gewordenen Feststellungen zu den Straftaten
des Angeklagten konkret Bezug genommen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Zwar
müssen die schriftlichen Urteilsgründe nach § 267 Abs.1 S.1 StPO aus sich heraus
verständlich, klar, geschlossen und erschöpfend sein (BGH, NStZ-RR 2000,304;
NStZ-RR 1996,109; BGHNJW 1985,1089; BGHSt 30, 225). Deshalb sind
Bezugnahmen auf Aktenteile (Anklageschrift, Eröffnungsbeschluss,
Sitzungsprotokoll, schriftliche Gutachten etc.) und andere Urteile grundsätzlich
unzulässig (vgl. Gollwitzer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 267 Rn 9; Meyer-
Goßner, StPO, 51. Aufl., § 267 Rn 2). Durch dieses Erfordernis soll gewährleistet werden, dass der vom erkennenden Gericht auf Grund der Hauptverhandlung für
erwiesen erachtete Tathergang und die erhobenen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse in einer geschlossenen Darstellung geschildert werden, um dem
Revisionsgericht die Überprüfung des angefochtenen Urteils in rechtlicher Hinsicht
verlässlich zu ermöglichen.
Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber anerkannt, dass bei einem
rechtskräftigem Schuldspruch - wie hier - eine solche Bezugnahme nicht erfolgen
muss (vgl. BGH, NStZ-RR 2001,202; OLG Celle, NStZ 1989,340), da es nämlich
allein auf die ausreichende Feststellung der den rechtskräftigen Schuldspruch
tragenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil ankommt (BGH NStZ-RR
2001,202) und sich die Reichweite des Berufungsurteils als Grundlage für die
revisionsrechtliche Überprüfung klar ergibt.
Soweit das Oberlandesgericht Hamm in der Vergangenheit (OLG Hamm NStZ-RR
1997, 369) die Auffassung vertreten hat, das Berufungsgericht müsse genau
angeben, in welchem Umfang auf die tatrichterlichen Feststellungen Bezug
genommen wird, hat das Oberlandesgericht Hamm diese Rechtsprechung im
Hinblick auf die Entscheidung des BGH in NStZ-RR 2001, 202 ausdrücklich
aufgegeben (OLG Hamm VRS 102, 206,207).

b. Aufzuheben war das angegriffene Urteil aber gleichwohl, da die Strafkammer es
unterlassen hat, eigene - vollständige - Feststellungen zu den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen.
Zwar verbietet es sich nicht, auch hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse im Berufungsurteil auf die amtsgerichtlichen Urteilsfeststellungen
Bezug zu nehmen ( so auch OLG Stuttgart NJW 1968, 1792, NStZ- RR 2003, 83 f).
Voraussetzung für eine wirksame Bezugnahme insoweit ist aber, dass das
Berufungsgericht selbst die gleichen Feststellungen zu den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen wie das Amtsgericht getroffen hat und dies auch
eindeutig und unmissverständlich im Berufungsurteil zum Ausdruck. Darüber
hinaus muss genau angegeben werden, in welchem Umfang die erstinstanzlichen
Feststellungen zur Person und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen vom
Berufungsgericht übernommen werden.
Diesen Anforderungen wird das vorliegende landgerichtliche Urteil nicht gerecht. 5

Ausweislich der Urteilsgründe ging die Strafkammer davon aus, dass die
tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils „in Rechtskraft erwachsen“.
Insoweit hat die Strafkammer aber ausschließlich auf die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten Bezug genommen.
Weiterhin hat das Landgericht vorliegend zu den persönlichen Verhältnissen nur
ergänzende Feststellungen getroffen.

Diese Formulierungen lassen befürchten, dass das Landgericht seiner Verpflichtung,
die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen selbst zu
treffen, nicht nachgekommen ist, sondern fälschlich davon ausging, diese seien
aufgrund der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch für das
Berufungsgericht ebenfalls bindend. .
Mangels eigener hinreichender Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen
Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere seinen Vorstrafen, unterlag das Urteil
der Aufhebung.

Mit diesem Fehler korrespondiert auch eine unzureichende Darlegung der
Voraussetzungen des § 47 StGB.
Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung
kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch
ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen (vgl.
BGHSt 24, 40, 42 f.; Fischer, StGB, 55 A., § 47 Rn. 1). Die Verhängung einer
Freiheitsstrafe unter 6 Monaten hat danach regelmäßig nur dann Bestand. wenn sie
sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden
Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. hierzu Fischer, a.a.O., § 47 Rn. 7. Lackner,
StGB, 20 A.. § 47 Rdnr. 6, jeweils m. Rspr.-Nachw.). Dem wird das angefochtene
Urteil nicht gerecht.
Ein durchgreifender Rechtsfehler liegt daher auch darin, dass sich das Landgericht
bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB mangels eigener
Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des
Angeklagten nicht mit dessen Person, insbesondere seinen Vorstrafen hinreichend
auseinandergesetzt hat. Allerdings legt deren Anzahl (mehr als 20) nahe, dass die
Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen vorliegen dürften.

Wegen dieser aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil - wie tenoriert -
aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen
zurückzuverweisen.



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