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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 34 - 38/2009 OLG Hamm

Leitsatz: Bei fehlender Nichtabhilfeentscheidung kann das Beschwerdegericht entsprechend § 309 Abs. 2 StPO bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Beschwerde eine eigene Entscheidung treffen, ohne die Akten zum Nachholen der Nichtabhilfenetscheidung zuvor zurückgegeben zu haben.

Über den Wortlaut des § 305 Satz 1 StPO hinaus, der sich auf Entscheidungen bezieht, die der Urteilsfällung vorausgehen, gilt der Ausschluss des Rechtsmittels auch für die der Beschlussfassung nach § 57 Abs. 1 StGB

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sachverständiger; Ablehnung; Befangenheit; Beschwerde; Zulässigkeit; Nichtabhilfe; eigene Entscheidung; Beschwerdegericht;

Normen: StPO 309; StPO 305

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.,
(hier: Beschwerde gegen die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs gegen den Sachverständigen).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 30. Dezember 2008 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 12. Dezember 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 02. 2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird als unzulässig auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil der großen Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtgericht Bocholt vom 13. Dezember 2001 (10 KLs 20 Js 180/01 – 19/01) wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen sowie versuchter räuberischer Erpressung in einem minderschweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Darüber hinaus sind seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sowie der Vorwegvollzug der gesamten Strafe angeordnet worden. Nachdem er zunächst weitere Strafen in den Verfahren 149 VRs 6816/95 = 49 Js 873/95 und 71 VRS 99/99 – jeweils Staatsanwaltschaft Essen - sowie 64 VRs 7359/96 = 64 Js 378/96 – Staatsanwaltschaft Dortmund teilverbüßt hat, befindet er sich seit dem 22. Oktober 2003 in dieser Sache in Strafhaft. Gemeinsamer Zwei-Drittel-Zeitpunkt ist am 19. Februar 2009; Strafende ist auf den 23. März 2014 notiert. Der hiesigen Verurteilung lagen Banküberfälle zugrunde, die der Verurteilte begangen hatte, nachdem er von einem Hafturlaub in dem Verfahren 71 VRs 99/99 – Staatsanwaltschaft Essen - am 02. Dezember 2000 nicht in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne zurückgekehrt war. Erst am 27. Mai 2001 wurde der Verurteilte vorläufig festgenommen und befand sich seit dem 28. Mai 2001 bis zu der Anlassverurteilung in Untersuchungshaft.

In der Vergangenheit hat der Verurteilte mehrfach die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel beantragt, in den Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB verlegt zu werden, da er in der Haft depressiv und perspektivlos sei. Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 17. Dezember 2003 (61 StVK 582/03) in Verbindung mit dem Beschluss des Senats vom 16. Februar 2004 (2 Ws 49 und 50/04) sowie durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 20. Januar 2005 (61 StVK 588/04) in Verbindung mit Beschluss des Senats vom 03. März 2005 (2 Ws 41/05) wurden entsprechende Anträge des Verurteilten in der Vergangenheit abgelehnt.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat durch Beschluss vom 27. November 2008 gemäß § 454 Abs. 2 S. 2 StPO in Verbindung mit §§ 57 Abs. 1, 66 Abs. 1, 253, 255, 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) bzw. § 67 Abs. 3 StGB die Einholung eines Gutachtens dazu angeordnet, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht und ob die angeordnete Maßregelunterbringung gemäß § 64 StGB noch erforderlich ist. Zum Sachverständigen hat sie Herrn Dr. O. B. bestellt. Mit privatschriftlichem Schreiben – welches sich nicht bei den Akten befindet – hat der Verurteilte den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Tatsache, dass der Sachverständige bereits in einem vergangenen Verfahren tätig gewesen und dort zu einem Ergebnis gelangt sei, mit dem der Verurteilte nicht einverstanden gewesen sei, sei kein geeigneter Grund, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte durch privatschriftliches Schreiben vom 30. Dezember 2008 „sofortige Beschwerde“ eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Sachverständige habe sich lediglich 15 Minuten mit ihm unterhalten und sei dennoch zu einem völlig anderen Ergebnis als die Anstaltspsychologin gekommen, mit der er – der Verurteilte – bereits seit sieben Jahren täglich zu tun habe. Ferner wiederholte der Verurteilte sein Befangenheitsgesuch.

Durch Verfügung vom 16. Januar 2009 legte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Sache dem Senat über die Staatsanwaltschaft Münster – Zweigstelle Bocholt – zur Entscheidung vor, ohne zuvor über die (Nicht-)Abhilfe zu entscheiden.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat am 04. Februar 2009 Stellung genommen und beantragt wie beschlossen.

II.
1. Das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel des Verurteilten vom 30. Dezember 2008 ist gemäß § 300 StPO als einfache Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO auszulegen. Die Entscheidung über die Ablehnung eines Sachverständigen kann grundsätzlich mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden. Dem steht die Regelung des § 28 StPO nicht entgegen. Denn die Verweisung in § 74 Abs. 1 StPO bezieht sich lediglich auf die Ablehnungsgründe, nicht auf das Verfahren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Juni 1999 – 1 Ws 199/99 -, zitiert nach juris Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 03. September 2001 – 1 AR 1004/015 Ws 518/01-, zitiert nach juris Rn. 3).

2. Zwar hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen entgegen § 306 Abs. 2 erster Halbsatz StPO keine Nichtabhilfeentscheidung getroffen, da sie die ausdrücklich als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Eingabe des Verurteilten vom 30. Dezember 2008 wohl als solche verstanden hat. Dies führt aber nach Auffassung des Senats nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer. Fehlt eine (Nicht-)Abhilfeentscheidung hat das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde darüber zu befinden, ob es selbst entscheiden oder dem Erstrichter Gelegenheit geben will, die unterbliebene Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 373; vom 05. Februar 2009 - 2 Ws 16/2009 -; Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2003, § 306 Rn. 21 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, eine Zuleitung an das Erstgericht zur Nachholung der (Nicht-)Abhilfeentscheidung komme stets in Betracht, wobei es sich nicht um eine die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung voraussetzende „Zurückverweisung“ handele (Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 306 Rn. 19 – ohne weitere Begründung). Nach anderer Meinung ist eine Zurückverweisung ausnahmsweise nur dann angezeigt, wenn das Verfahren dadurch beschleunigt wird, weil die tatsächliche Richtigkeit des Beschwerdevorbringens vom sachnäheren Erstrichter leichter und schneller festgestellt werden kann und zu erwarten ist, dass dieser seine Entscheidung aufgrund dessen selbst korrigiert (Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2003, § 306 Rn. 21) und das Beschwerdegericht andernfalls an einer eigenen Sachentscheidung im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO gehindert wäre (Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 306 Rn. 10). Denn die Nichtabhilfe ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts (Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vom 05. Februar 2009 - 2 Ws 16/2009 -; Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2003, § 306 Rn. 21; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 306 Rn. 10). Eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprechend § 309 Abs. 2 StPO ist danach bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Beschwerde geboten, bei der ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zu begründen vermag (Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374; vom 05. Februar 2009 - 2 Ws 16/2009). Dies ist vorliegend der Fall – wie nachfolgend unter 3) auszuführen sein wird – , so dass der Senat entsprechend § 309 Abs. 2 StPO selbst in der Sache entschieden hat.

3. Die Beschwerde des Verurteilten ist bereits unzulässig. Die Beschwerdemöglichkeit nach § 304 Abs. 1 StPO ist nämlich nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift nur insoweit gegeben, als sie nicht durch § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen ist.
Dies ist in entsprechender Anwendung des § 305 S. 1 StPO vorliegend der Fall, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 04. Februar 2009 zutreffend hingewiesen hat. Über den Wortlaut des § 305 S. 1 StPO hinaus, der sich auf Entscheidungen bezieht, die der Urteilsfällung vorausgehen, gilt der Ausschluss des Rechtsmittels auch für die der Beschlussfassung nach § 57 Abs. 1 StGB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Juni 1999 – 1 Ws 499/99 -, zitiert nach juris Rn. 4) bzw. § 67 Abs. 3 StGB vorausgehenden Entscheidungen. Denn die mit dem Rechtsmittelausschluss verfolgte Intention, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten, wenn Entscheidungen des erkennenden Gerichts sowohl auf eine Beschwerde als auch auf ein gegen das Urteil gerichtetes Rechtsmittel hin überprüft werden müssten, gilt auch für das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB bzw. § 67 Abs. 3 StGB bzw. für eine gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuches gegen einen Sachverständigen gerichtete Beschwerde (vergleiche zu der entsprechenden Anwendung des § 305 S. 1 StPO: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Juni 1999 – 1 Ws 499/99 -, zitiert nach juris Rn. 4; Beschluss vom 09. Februar 1989 – 1 WS 149/89 -; KG Berlin, Beschluss vom 03. September 2001 – 1 AR 1004/015 Ws 518/01 -, zitiert nach juris Rn. 4). Denn der Verurteilte kann die für ihn eventuell nachteilige Begutachtung durch einen möglicherweise befangenen Sachverständigen mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung bzw. die Ablehnung der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge gerichtlich überprüfen lassen, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungsnahme vom 04. Februar 2009 gleichfalls zutreffend hingewiesen hat.

Nach alledem war die Beschwerde des Verurteilten als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



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