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Rechtsprechung

Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 95/09 OLG Hamm

Leitsatz: Bei Anwendbarkeit des Europäischen Auslieferungsübereinkommens findet grundsätzlich eine Prüfung des hinreichenden Tatverdachts nicht statt.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungssache

Stichworte: Auslieferungsverfahren; Prüfung; Tatverdacht

Normen: IRG 10

Beschluss:

Auslieferungssache
(förmlicher Auslieferungshaftbefehl, Zulässigkeit der Auslieferung und Fortdauer der Auslieferungshaft)
betreffend die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige I,
wegen Auslieferung der Verfolgten nach Bosnien und Herzegowina zur Strafverfolgung wegen Betruges und Inverkehrbringens von Falschgeld,
(hier: förmlicher Auslieferungshaftbefehl, Zulässigkeit der Auslieferung und Fortdauer der Auslieferungshaft).
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 6. Juli 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 07. 2009 durch
beschlossen:
1. Gegen die Verfolgte wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
2. Die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung auf der Grundlage des Haftbefehls des Richters Tankic Izo vom 23. Januar 2007 (Az: KPS-178/06) in Verbindung mit der Anklage der Staatsanwaltschaft von Bosnien-Herzegowina vom 22. November 2006 (Az.: KT-197/06) ist zulässig.
3. Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird angeordnet.
Gründe:
1.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29. Mai 2009 gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Mit Verbalnote der Botschaft von Bosnien und Herzegowina vom 23. Juni 2009 (Az.: 119 – 6 – 14 – 1 – 1645 – 1/08) haben die bosnischen-herzegowinischen Behörden die vollständigen Auslieferungsunterlagen auf diplomatischem Wege übermittelt. Die förmliche Auslieferungshaft konnte somit nunmehr angeordnet werden. Hinsichtlich des Vorliegens der förmlichen Verfahrensvoraussetzungen wird auf den Senatsbeschluss vom 29. Mai 2009 Bezug genommen.
2. und 3.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung und der Fortdauer der Auslieferungshaft hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift wie folgt Stellung genommen:
„Anlässlich der Verkündung der Haftanordnung hat die Verfolgte ohne nähere Begründung Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Auslieferung erhoben. Zuvor, und zwar anlässlich der Anhörung zum Auslieferungsersuchen hatte die illegal im Bundesgebiet aufhältige Verfolgte den Tatvorwurf in Abrede gestellt und angeführt,,,ihre Unschuld“ habe sich im dem zu Grunde liegenden Verfahren,,herausgestellt“, weshalb sie aus der Untersuchungshaft,,entlassen worden sei“.
Die Einwendungen der Verfolgten rechtfertigen die Feststellung der Unzulässigkeit der Auslieferung nicht.
Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 10 Abs. 2 IRG, die Anlass zur Prüfung geben könnten, ob die Verfolgte des ihr zur Last gelegten Sachverhalts hinreichend verdächtig erscheint, bestehen nicht.
Eine Prüfung des hinreichenden Tatverdachts nach § 10 Abs. 2 IRG ist im Auslieferungsverkehr nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) grundsätzlich ausgeschlossen (Schomburg/Ladogny/GIeß/ Hackner, Internationale Rechtshilfe, 4. AufI., II A; Art. 2 EuAlÜbk Rdnr. 8). Zu den Vertragsstaaten, die grundsätzlich nur eine solche formelle Prüfung vornehmen, gehört die Bundesrepublik Deutschland. Wie der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung BGHSt 2, 44(48 ff.) = NJW 1952, 232 näher ausgeführt hat, ist das deutsche Auslieferungsverfahren kein Strafverfahren, sondern lediglich ein Verfahren zur Unterstützung einer ausländischen Strafverfolgung. Es überlässt deshalb jedenfalls im vertraglichen Auslieferungsverkehr die – ganz überwiegend auf tatsächlichem Gebiet liegende – Prüfung des Tatverdachts dem ausländischen Verfahren und überträgt dem inländischen Richter, der über die Zulässigkeit der Auslieferung zu befinden hat, nur die Prüfung der in den Auslieferungsbestimmungen geschaffenen – formellen – Sicherungen gegen eine unzulässige Unterstützung des ausländischen Verfahrens (vgl. auch BGHSt 25, 374 ff. = NJW 1974,2191). Eine solche Prüfung ist jedoch zulässig und geboten, wenn und soweit hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der ersuchende Staat seinen Anspruch auf Auslieferung missbräuchlich geltend macht, oder die besonderen Umstände des Falles befürchten lassen, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung einem Verfahren ausgesetzt wäre, das gegen unabdingbare, von allen Rechtsstaaten anerkannte Grundsätze und damit gegen den völkerrechtlichen verbindlichen Mindeststandard i.S. des Art. 25 GG verstoßen würde, und die Tatverdachtsprüfung darüber Aufschluss geben kann ( BGH, Beschluss vom 15.03.1984 – 4 ARs 23/83NJW 1984, 2046).
Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unrechtmäßigen Verfolgung liegen hier indes nicht vor, so dass für eine Nachprüfung des Tatverdachts kein Raum ist. Gründe, die der Zulässigkeit einer Auslieferung nach den §§ 3 bis 7 und 9 IRG entgegenstehen könnten, sind weder ersichtlich noch von der Verfolgten vorgetragen worden.
Gründe, nach denen die Auslieferung nach § 73 IRG unzulässig sein könnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Bei diesem Sachverhalt sind auch die Voraussetzungen für die Fortdauer der Auslieferungshaft gegeben, zumal die drohende Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe einen erheblichen Fluchtanreiz bietet. Es ist zu besorgen, dass die sich illegal im Bundesgebiet aufhältige Verfolgte im Falle der Freilassung in Deutschtand an einem den Behörden unbekannten Ort verborgen halten wird, um sich seiner Übergabe an die bosnisch-herzegowinischen Behörden zu entziehen.
Die Fortdauer der Auslieferungshaft und ihr Vollzug stehen auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache.“
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei.




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