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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 158/09 OLG Hamm

Leitsatz: Sind weder in den Vorinstanzen noch im Revisionsverfahren Verfahrenshindernisse ersichtlich, so braucht die Frage nicht entschieden zu werden, ob ausschließlich Verfahrenshindernisse beachtlich sind, die erst in der Berufungsinstanz eingetreten sind, oder ob auch solche Berücksichtigung finden, die bereits in erster Instanz vorlagen, aber übersehen worden sind. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gibt es insoweit keine Einschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts auf ausschließlich in der Berufungsinstanz eingetretene Verfahrenshindernisse.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verfahrenshindernis; Revisionsinstanz, Berücksichtigung;

Normen: StPO 206a; StPO 260 Abs. 3; StPO 329

Beschluss:

Strafsache
wegen Betruges,
(hier: Revision des Angeklagten).
Auf die Revision des Angeklagten vom 26. Januar 2009 gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 19. Januar 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. 05. 2009 durch

auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:
Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen lässt (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Angeklagten zur Last (§ 473 Abs. 1 StPO).
Zusatz:
Da mit der Revision ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist nur zu prüfen, ob Verfahrenshindernisse vorliegen (Beschluss des 5. Strafsenats des OLG Hamm vom 26. Februar 2009 – 5 Ws 518/08; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 329 Rn. 49 mit weiteren Nachweisen). Dazu zählen unter anderem der Eintritt der Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 StGB, im Hinblick auf das Verbot der Doppelbestrafung aus Art. 103 Abs. 3 GG die anderweitige Rechtshängigkeit der Sache, die absolute Strafunmündigkeit des Angeklagten nach § 19 StGB, das Fehlen der Unterworfenheit unter die deutsche Gerichtsbarkeit wegen diplomatischer Immunität (§§ 18 – 20 GVG), das Fehlen eines wirksamen Strafantrags bei Antragsdelikten (vergleiche zum Beispiel §§ 183 Abs. 2, 194, 230, 248a, 294 StGB), das Fehlen des behördlichen Strafverlangens (§ 104a StGB), der behördlichen Ermächtigung (§§ 90 Abs. 4, 90b Abs. 2, 97 Abs. 3, 104a, 194 Abs. 4, 353a Abs. 2, 353b Abs. 4 StGB) oder das Fehlen der Erklärung der Staatsanwaltschaft über die Bejahung des öffentlichen Interesses (zum Beispiel nach den §§ 230 Abs. 1 S. 1, 303c StGB), aber auch das Fehlen einer wirksamen Anklageschrift oder das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (vergleiche dazu und zu weiteren Prozesshindernissen: Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, Einl. Rn. 141 ff., 145).
Ob im Rahmen dieser Prüfung ausschließlich Verfahrenshindernisse beachtlich sind, die erst in der Berufungsinstanz eingetreten sind, oder ob auch solche Berücksichtigung finden, die bereits in erster Instanz vorlagen, aber übersehen worden sind, ist streitig.
Nach einer vor allem in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Berufung – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des unentschuldigten Fernbleibens trotz ordnungsgemäßer Ladung – bei Bestehen eines Verfahrenshindernisses nur dann nicht gemäß § 329 Abs. 1 StPO zu verwerfen, wenn dieses erst in der Berufungsinstanz eingetreten ist. Dann soll vielmehr eine Erstentscheidung in Form einer Verfahrenseinstellung nach § 206a StPO beziehungsweise nach § 260 Abs. 3 StPO ergehen. Danach sollen versehentlich in der ersten Instanz übersehene Verfahrenshindernisse bei der Entscheidung über die Verwerfung nach § 329 Abs. 1 StPO unberücksichtigt bleiben. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass nur beim Erscheinen des Angeklagten in der Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht die Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils eröffnet ist, der Strafprozessordnung aber eine Entscheidung über die Begründetheit der Berufung durch Beschluss fremd sei. Die ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Berufung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 StPO verworfen werden muss, sei nicht dahin umzudeuten, dass – in erster Instanz übersehene – Verfahrenshindernisse doch Berücksichtigung finden dürften (vergleiche zu all dem: Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 329 Rn. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach der vom Bundesgerichtshof und vertretenen Auffassung findet § 329 Abs. 1 StPO auch dann keine Anwendung, wenn das Berufungsgericht ein Verfahrenshindernis feststellt, welches bereits in der ersten Instanz vorgelegen hat. Eine Einschränkung der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts auf ausschließlich in der Berufungsinstanz eingetretene Verfahrenshindernisse wird danach nicht gesehen. Dies folge nicht aus der Funktion der Verfahrenshindernisse, ein weiteres Prozessieren zu vermeiden, da im Revisionsverfahren gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO gerade noch keine Sachentscheidung vorliege ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00 –, zitiert nach juris Rn. 16). Auch aus dem Regelungszweck der Verfahrensbeschleunigung des § 329 Abs. 1 StPO sei eine derartige Einschränkung der Prüfungskompetenz nicht herzuleiten, da die beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung bereits durch das Unterbleiben einer zweiten Sachprüfung eingetreten sei ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00 –, zitiert nach juris Rn. 17). Zuletzt sei eine solche Einschränkung der Prüfungskompetenz ebenfalls nicht aus Gründen der Gleichbehandlung anzunehmen. Zwar sei richtig, dass eine amtsgerichtliche Verurteilung, die mit einem groben sachlich-rechtlichen Fehler behaftet sei, mit der Revision nicht korrigiert werden könne, wenn sie sich gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO richte, Rechtsfehler bei dessen Anwendung aber nicht vorlägen. Im Gegensatz zu unzulässigen Revisionen, bei denen es um eine Abwägung sonstiger Verfahrenshindernisse und der Rechtskraft gehe und daher in erster Instanz übersehende Verfahrenshindernisse unberücksichtigt bleiben könnten ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00 –, zitiert nach juris Rn. 18 mit Verweis auf BGHSt 16, 115, 119 zu dem Fall einer unzulässigen Revision), bestehe bei zulässigen Rechtsmitteln kein Grund dafür, die vorrangige – von Amts wegen – vorzunehmende Prüfung des Fehlens von Verfahrenshindernissen, die das gesamte Verfahren beträfen, einzuschränken ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00 –, zitiert nach juris Rn. 18). Die Nichtberücksichtigung sachlichrechtlicher Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung sei Ausfluss der Dispositionsmaxime des unentschuldigt nicht erschienenen Angeklagten, die sich in der Rechtsfolge des Verwerfungsurteils nach § 329 abs. 1 StPO niederschlage. Eine solche Dispositionsbefugnis bestehe indes für Verfahrensvoraussetzungen gerade nicht ( BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00 –, zitiert nach juris Rn. 18).
Vorliegend braucht der Senat die Frage nach dem Umfang der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht zu entscheiden. Denn weder in den Vorinstanzen noch im Revisionsverfahren sind Verfahrenshindernisse ersichtlich, worauf bereits die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm in ihrer Stellungnahme vom 06. April 2009 zutreffend hingewiesen hat.




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