Aktenzeichen: 2 Ws 153/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Für eine Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung von Strafaufschub ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Verurteilte sich bis zum Tage der Urteilsverkündung in Untersuchungshaft befand. Auch wenn mit dem Tag der Rechtskraft die vollzogene Untersuchungshaft automatisch in Strafhaft übergeht, ohne dass es der förmlichen Einleitung der Strafhaft bedarf, so lässt sich hieraus nicht zwangsläufig auf die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer schließen. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Zuständigkeit; Strafvollstreckungskammer; StVK, Beschwerde; Verurteilter; Ablehnung, Strafaufschub |
Normen: StPO 455; StPO 458 Abs. 2; StPO 462a Abs. 2 S. 1 |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, (hier: Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung von Strafaufschub, §§ 455, 458 Abs. 2 StPO). Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 27. April 2009 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 22. April 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 06. 2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der für die Entscheidung in der Sache berufenen Strafkammer des Landgerichts Hagen vorbehalten. Gründe: Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 22. April 2009 aufzuheben, die hierzu Folgendes ausgeführt hat: I. Das Landgericht Hagen verurteilte den Beschwerdeführer am 27.03.2008 rechtskräftig seit demselben Tag wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Der Verurteilte befand sich in der Zeit vom 26.09.2007 bis zum 27.03.2008 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum. An diesem Tag wurde er durch den Außervollzugsetzungsbeschluss des Landgerichts Hagen von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont. In dem Haftprüfungstermin vom 25.02.2008 war der Anstaltsarzt der Justizvollzugsanstalt Bochum als sachverständiger Zeuge zur Frage der Haftfähigkeit des Verurteilten vernommen worden. Der Anstaltsarzt schilderte die umfänglichen, verschiedenen Krankheitsbilder des Verurteilten und stufte diese als nicht vollzugshinderlich ein. Mit Verfügung vom 01.04.2008 wurde der Verurteilte zum Strafantritt innerhalb einer Woche geladen. Mit Telefaxschriftsatz seines Verteidigers vom 09.04.2008 beantragte der Verurteilte Strafaufschub von zwei Wochen gern. § 456 StPO. Den Antrag beschied die Staatsanwaltschaft Hagen am 10.04.2009 abschlägig. Nachdem sich der Verurteilte nicht zum Strafantritt gestellt hatte, erging am 21.04.2008 Vollstreckungshaftbefehl, der wegen unbekannten Aufenthalts des Verurteilten zunächst nicht vollstreckt werden konnte. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 30.07.2008 beantragte der Verurteilte unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung vom 18.07.2008.ihm im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand und der damit aus seiner Sicht einhergehenden Haftunfähigkeit Strafaufschub gern. § 455 StPO zu gewähren. Zur Begründung führte er an, dass er in Geisteskrankheit verfallen sei und ihm von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr drohe. Den Haftbefehl vollstreckte die Staatsanwaltschaft Hagen daher zunächst nicht, sondern veranlasste die amtsärztliche Untersuchung des Verurteilten. Das Gesundheitsamt des Ennepe-Ruhr-Kreises kam im Rahmen seiner Begutachtung vom 13.01.2009 zu dem Ergebnis, bei dem Verurteilten sei die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in einem Justizvollzugskrankenhaus, in dem eine psychiatrische medizinische Versorgung gewährleistet sei, vertretbar. In ihrer Stellungnahme vom 20.02.2009 wies das Justizvollzugskrankenhaus NW in Fröndenberg darauf hin, dass die Justizvollzugsanstalten des Landes in ausreichendem Maße medizinisch, psychiatrisch und vollzuglich darauf eingestellt seien, die bei dem Verurteilten diagnostizierten Krankheiten zu behandeln. Im Übrigen schließe weder die Diagnose einer Encephelopathia disseminata, einer wahnhaften Erkrankung noch eine evt. dissoziative Störung eine Haftfähigkeit aus. Da nach Angaben des Gesundheitsamtes Witten vom 13.01.2009 der psychopathologische Befund bei dem Verurteilten bis auf eine reaktiv bedingte gedrückte Stimmung aktuell unauffällig sei, spreche nichts gegen eine Aufnahme des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt. Die Staatsanwaltschaft Hagen hat den Verurteilten mit Verfügung vom 09.03.2009 erneut zum Strafantritt geladen, allerdings ohne ihn ausdrücklich über den gestellten Antrag vom 30.07.2008 auf Strafaufschub gem. § 455 Abs. 1 und Abs. 2 StPO zu bescheiden. Mit Telefaxschriftsatz seines Verteidigers vom 17.03.2009 hat der Verurteilte Einwendungen gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hagen, die Freiheitsstrafe zu vollstrecken, erhoben. Mit Beschluss vom 22.04.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Einwendungen des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hagen zurückgewiesen. Gegen diesen, dem Verteidiger und dem Verurteilten jeweils am 24.04.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde vom 27.04.2009, die am selben Tage per Telefaxschriftsatz seines Verteidigers bei dem Landgericht Hagen eingegangen ist. II. Die gern. §§ 458 Abs. 2, 462 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und gem. § 311 Abs. 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen war für die von ihr getroffene Entscheidung sachlich nicht zuständig. Zuständig für die Entscheidung nach den §§ 458 Abs. 2, 455 StPO war gem. § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO vielmehr das Gericht des ersten Rechtszuges und damit die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hagen. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Verurteilte sich bis zum Tage der Urteilsverkündung in Untersuchungshaft befand. Zwar geht nach der Rechtsprechung mit dem Tag der Rechtskraft die vollzogene Untersuchungshaft automatisch in Strafhaft über, ohne dass es der förmlichen Einleitung der Strafhaft nach § 451 StPO bedarf (vgl. BGHSt, 38, 63 ff ). Jedoch lässt sich hieraus nicht zwangsläufig auf die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer schließen. Hinzu kommen muss, dass zum Zeitpunkt des Befasstseins des Gerichts mit der Sache gegen den Verurteilten Strafhaft vollstreckt wird, so dass in Fällen, in denen wie im vorliegenden Fall nur Untersuchungshaft vollzogen worden ist, eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht gegeben ist (vgl. OLG Hamm, NStZ 2002, 223). Selbst wenn der Haftbefehl erst nach Rechtskraft des Urteils aufgehoben worden wäre und der Verurteilte sich eine juristische Sekunde in Strafhaft befunden hätte, wäre hierdurch nicht die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer begründet worden, da es nicht der Intention der gesetzlichen Regelung des § 462a Abs. 1 StPO entspricht, mit einer Sekundenstrafhaft die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen zu begründen (vgl. OLG Hamm, aaO). Soweit über den vom Verurteilten durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 27.04.2009 gestellten Antrag nach § 455 Abs. 3 noch nicht durch die Staatsanwaltschaft Hagen entschieden worden ist, wird diese nach Rückleitung der Vorgänge noch vor Vorlage der Akten an das Gericht des ersten Rechtszuges das Erforderliche veranlassen. Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und zum Gegenstand seiner Entscheidung. Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Eine Entscheidung des Senats in dieser Sache ist ausgeschlossen. Zwar hat das Beschwerdegericht nach § 309 Abs. 2 StPO grundsätzlich die Sache anstelle des Erstgerichts selbst zu entscheiden. Dies gilt aber nicht für die Fälle, in denen wie vorliegend die angefochtene Entscheidung nicht von dem gesetzlich vorgesehen Spruchkörper getroffen worden und der Mangel im Beschwerdeverfahren nicht in dem Sinne auszugleichen ist, dass das Beschwerdegericht voll an die Stelle des an sich zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers treten kann (vgl. BGH St 38, 312; KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 309 Rdnr. 7). Die Staatsanwaltschaft wird die Akten der zur Entscheidung berufenen 1. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen vorzulegen haben. Da es sich bei der Entscheidung des Senats nicht um eine das Verfahren abschließende Entscheidung im Sinne des § 464 StPO handelt, war die Kosten- und Auslagenentscheidung der zuständigen Strafkammer vorzubehalten. |
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