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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Beförderungserschleichung, Tatbestandsvoraussetzungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 20.07.2010 - 1 Ss 336/08

Fundstellen:

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen des Tatbestands der Beförderungserschleichung nach § 265 a StGB


In pp.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurück verwiesen.
Gründe
Durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main wurde der Angeklagte am 4.3.2008 wegen Beförderungserschleichung in vier Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 5,00 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung wurde durch Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 10.6.2008 zurückgewiesen.
Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision des Angeklagten.
Sie führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen eines vollendeten Erschleichens von Leistungen nicht.
Das Landgericht ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:
„Der Angeklagte benutzte in Stadt1 am 7.3.2006 gegen 10:22 Uhr die Straßenbahn der Linie 11, am 30.3.2006 gegen 9:49 Uhr die Straßenbahn der Linie 11, am 4.11.2006 gegen 8:18 Uhr die Straßenbahn der Linie 11 und am 15.11.2006 gegen 6:24 Uhr die U-Bahn der Linie U7. Der Angeklagte wurde jeweils kontrolliert. Er konnte keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen, da er den Fahrpreis nicht entrichtet hat.“
Diese Feststellungen sind unvollständig bzw. lückenhaft und erlauben dem Senat nicht die ihm obliegenden Nachprüfung, ob das sachliche Recht zutreffend angewandt wurde.
Der Tatbestand des § 265 a StGB ist ein Erfolgsdelikt. Die Vollendung setzt ein Vermögensschaden voraus, der in dem Entgehen des Entgelts liegt und regelmäßig mit der Verwirklichung des „Erschleichens“ gegeben ist.
Ob das vom Täter entgeltsfrei erlangte tatsächliche Ereignis auch ohne sein Handeln stattgefunden hätte, ist unerheblich, denn Taterfolg ist nicht das Stattfinden des Leistungsereignisses, sondern seine Nutzung durch den Täter unter Vorenthalten des Entgelts (vgl. Senatsbeschl. v. 26.2.2010 – 1 Ss 425/08; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 265 a Rndr. 27). Vollendet ist die Tat mit dem Beginn der Beförderungsleistung (vgl. Schönke-Schröder-Lenckner/Perron, StGB, 27. Aufl., § 265 a Rdnr. 13; Fischer a. a. O. Rdnr. 28). Auszuscheiden sind aber Fälle, in denen nach der Verkehrsauffassung eine „Beförderung“ noch gar nicht vorliegt (z. B. Abbruch der Fahrt oder Entdeckung des Täters nach wenigen Metern), in denen auch ein nichterschleichender Fahrgast eine entgeltspflichtige Leistung nicht erlangt hätte (vgl. Senatsbeschl. a. a. O.; Fischer a. a. O. Rdnr. 28). Die Feststellungen im angefochtenen Urteil lassen keine Beurteilung zu, ob mit der Beförderungsleistung bereits begonnen und die Tat damit bereits vollendet wurde. Die Feststellung erschöpfen sich in der Mitteilung, dass der Angeklagte die Straßenbahnen der Linie 11 und die U-Bahn der Linie U7 in Stadt1 benutzte und er kontrolliert wurde. Die konkreten Umstände der Fahrt und der Fahrscheinkontrolle sind nicht dargelegt. So fehlen Ausführungen dazu, an welcher Haltestelle der Angeklagte in die Straßenbahn bzw. U-Bahn eingestiegen ist und was für eine Fahrtstrecke er bereits zurückgelegt hatte als er von den Kontrolleuren kontrolliert wurde. Auch lässt die Formulierung, dass er die Straßenbahn bzw. die U-Bahn benutzte, keinen Schluss auf die bereits zurückgelegte Fahrtstrecke zu und schließt nicht aus, dass die Straßenbahn bzw. U-Bahn im Zeitpunkt der Kontrolle erst angefahren war. In diesem Fall wäre aber nur ein, nach § 265 a Abs. 2 StGB ebenfalls strafbarer, Versuch des Erschleichens von Leistungen gegeben.
Im Übrigen ist der objektive Tatbestand der Leistungserschleichung nicht bereits dann erfüllt, wenn der Angeklagte das Verkehrsmittel unberechtigt nutzte. Er muss darüber hinaus für einen objektiven Beobachter den Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen erregt haben (vgl. BGH Beschl. v. 8.1.2009 – Az.: 4 StR 117/08; Beschl. d. Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt v. 6.4.2009 – Az.: 2 Ss 313/07).
Eine Beförderungsleistung wird dann im Sinne des § 265 a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter sich unter Überwindung oder Umgehung physischer Schranken durch täuschungsähnliches oder durch anderweitig manipulatives Verhalten in den Genuss der Beförderungsleistung bringt.
Daneben genügt es allerdings auch, dass er ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen. Nicht notwendig ist, dass der Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen gerade gegenüber dem Beförderungsbetreiber oder seinen Bediensteten erregt wird. Es genügt vielmehr, dass der Täter lediglich allgemein einen entsprechenden Anschein erweckt (vgl. BGH sowie OLG des Landes Sachsen-Anhalt a. a. O.). Damit muss jedenfalls der Angeklagte für einen objektiven Beobachter den Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen erregt haben, wobei im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob der Täter gemessen an den jeweils geltenden Geschäftsbedingungen ein äußerlich erkennbares Verhalten zeigte, das einem objektiven Beobachter erlaubte, durch Subsumtion unter die Voraussetzungen der Geschäftsbedingungen den Schluss zu ziehen, der Täter sei zur Benutzung des Verkehrsmittels berechtigt. Hierfür kann es schon genügen, wenn er das Verkehrsmittel betritt und mitfährt, ohne sich um die Erlangung eines Fahrausweises zu kümmern oder einen Fahrausweis vorzuzeigen oder zu entwerten. Dies gilt jedoch nur dann, wenn dieses Verhalten nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers keinen Anlass zu Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Benutzung des Verkehrsmittels bietet, etwa weil ein objektiver Beobachter davon ausgehen kann, dass der Täter im Besitz eines Dauerfahrscheines ist und er diesem Anschein auch nicht entgegen getreten ist. Letzteres ist etwa anzunehmen, wenn er bereits beim Betreten des Beförderungsmittels deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er wolle den geschuldeten Fahrpreis nicht entrichten. Ebenso ist der objektive Tatbestand z. B. dann nicht erfüllt, wenn der Fahrgast verpflichtet ist, beim Betreten des Beförderungsmittels einen Fahrausweis zu erwerben, zu entwerten oder dem Personal unaufgefordert vorzuzeigen und der Täter das Verkehrsmittel benutzt, ohne eine dieser Handlungen vorzunehmen. Um feststellen zu können, ob der Täter den Anschein der nach den Geschäftsbedingungen berechtigten Benutzung des Verkehrsmittels erweckt hat, müssen deshalb die nach den Geschäftsbedingungen dafür aufgestellten Voraussetzungen sowie das äußerlich erkennbare Verhalten des Täters, das den Schluss zulässt, er erfülle diese Voraussetzungen, ermittelt werden (Beschl. d. Oberlandesgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt a. a. O.). Beides ist in dem Urteil mitzuteilen.
Feststellungen dazu sind nicht konkret getroffen worden.
Desweiteren ist die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern. Die Einlassung des Angeklagten ist im Urteil nicht hinreichend wiedergegeben. Es wird konkret lediglich dargelegt, dass der Angeklagte den unter III festgestellten Sachverhalt eingeräumt habe, im Übrigen aber unzulässigerweise auf die in der Berufungsverhandlung verlesene Berufungsbegründung vom 15.4.2008, die als Anlage dem Urteil beigefügt wurde, verwiesen, was eine unzureichende Wiedergabe der Einlassung darstellt. Aus den Urteilsgründen selbst lässt sich nicht entnehmen, wie sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat. Grundsätzlich hat der Tatrichter die Einlassung des Angeklagten zum Schuldvorwurf in den Urteilsgründen erschöpfend aufzunehmen und zu würdigen. Ohne die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten und ihre Würdigung kann das Revisionsgericht in der Regel nicht erkennen, ob der Beurteilung des Sachverhalts rechtlich fehlerfreie Erwägungen zugrunde liegen (vgl. Senatsbeschl. v. 2.5.2007 – 1 Ss 365/06 m. w. N.). Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen auf die Wiedergabe der Einlassung ohne Verstoß gegen die materiell rechtliche Begründungspflicht verzichtet werden. Der vorliegende Sachverhalt ist zwar einfach gelagert, der Angeklagte hat sich aber umfängliche zur Sache eingelassen, wie sich daraus zeigt, dass auf eine Berufungsbegründung in der Anlage verwiesen wurde. Dieser Verweis ersetzt nicht die Wiedergabe der Einlassung zu jedem einzelnen Fall. Es wird nur ersichtlich, dass die Berufungsbegründung mit dem Angeklagten erörtert wurde und er diese vehement verteidigte, ohne neue Sachargumente hinzuzufügen. Bezugnahmen auf Aktenteile sind unzulässig, auch wenn sie „angesiegelt“ werden. Grundsätzlich muss jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 267 Rdnr. 2). Durch die Bezugnahme auf die Berufungsbegründung wird insgesamt die Einlassung des Angeklagten nicht verständlich, klar, geschlossen und erschöpfend dargestellt.
Danach war das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 2, 354 StPO).
Der Senat weist für die erneute Hauptverhandlung daraufhin, dass sich der Vorsatz des Täters auf die gesamten Merkmale des objektiven Tatbestands erstrecken muss (§ 16 Abs. 1 StGB). Die Feststellung, dass der Angeklagte gewusst habe, zur Benutzung des Verkehrsmittels nicht berechtigt gewesen zu sein, genügt dazu nicht (vgl. Beschl. d. Oberlandesgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt a. a. O.).
Der Angeklagte wird sich allerdings nicht pauschal darauf stützen können, dass er berechtigt sei, die Verkehrsmittel ohne Bezahlung zu benutzen, wenn „Kosten die 6 % Grenze“ (gemeint dürften damit 6 % seines Arbeitslosengeldes II sein) überschritten seien. Im jeweiligen Einzelfall wird vielmehr zu überprüfen sein, ob ggfls. ein Rechtfertigungsgrund nach § 34 StGB oder ein Entschuldigungsgrund nach § 35 StGB gegeben ist. Darüber hinaus bedarf es für die Strafzumessung der Feststellung der unmittelbaren Tatfolgen, hier der Höhe des verursachten Vermögensschadens.
Dieser bestimmt sich allein nach dem für den Beförderungsleistung geschuldeten Entgelt bzw. Fahrpreis und lässt ein erhobenes erhöhtes Beförderungsentgelt unberücksichtigt.


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