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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2010 - 2060 Js 46787/10
Fundstellen:
Leitsatz: Der Durchsuchungsbeschluss muss die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat konkretisieren. Bei einer Sachbeschädigung muss daher aus dem Durchsuchungsbeschluss ersichtlich sein, welche konkreten Beschädigungshandlungen dem Beschuldigte vorgeworfen werden, ob und welche Gegenstände er etwa zerstört, zerkratzt oder beschmiert haben soll und wo er die Schädigungshandlungen begangen hat.
Ferner bedarf es im Durchsuchungsbeschluss der Präzisierung, auf welchen belastenden Tatsachen und Indizien der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten beruht. Eine Verweisung auf die bisherigen Ermittlungen reicht nicht aus.
Landgericht Koblenz 2060 Js 46787/10 Beschluss In dem Strafverfahren gegen pp. Verteidiger:. - wegen Gemeinschädlicher Sachbeschädigung hier: Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss hat die 2. Strafkammer - Jugendkammer des Landgerichts Koblenz am 19.10.2010 beschlossen:
I. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsge-richts Koblenz vom 10.08.2010 rechtsfehlerhaft ist. II. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlagnahme der am 20.08.2010 aufgefundenen Unterlagen und Gegenstände wird als unbegründet verworfen. III. Von der Auferlegung der Kosten wird abgesehen.
Gründe: I. Die Staatsanwaltschaft Koblenz führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Er steht im Verdacht, im Zeitraum vom 30.04.2010 bis zum 04:05.201D zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt die Landgrafenbrücke, Wände der Fahrradunterführung und einen Schaltkasten in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit Graffitis ("Wilde Horde 96", "LHA + AllO", LS", "WH", "Ultras" und "Kings one") beschmiert zu haben.
Die ermittelnde Polizeibehörde nahm ausgehend von Erkenntnissen aus Taten, die am 14./15.04.2010 in Dernau begangen wurden, einen Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten an. In Dernau kam es nach dem jährlichen Junggesellenfest zu diversen Farbschmierereien, bei denen es sich vor allem um einen immer wieder aufgebrachten Schriftzug (Tag) LS" mit einer im unteren Bereich des Schriftzugs verlaufenden schneckenartigen Grafik handelte.
Der Zeuge D.F. übergab bei seiner polizeilichen Vernehmung-am 10.06.2010 zwei Fotos von dem Junggesellenfest. Auf diesen Fotos waren der hier Beschuldigte sowie der in diesem Verfahren Mitbeschuldigte M.R. als Besucher des Festes abgebildet. Nach Aussage des Zeugen sei der Beschuldig-te K. als Graffiti-Sprayer bekannt.
Der Zeuge U.S. gab am 22.06.2010 an, er habe am Tatabend in Dernau einen ihn unbekannten Mann beobachtet, der etwas auf ein Verkehrsschild gesprüht habe. Auf Vorhalt der vom Zeugen F. übergebenen Fotos stellte der Zeuge Steins eine große Ähnlichkeit von einer der darauf abgebildeten Personen mit dem Täter fest. In der Folge gelang es dann, die beiden Beschuldigten anhand der Fotos zu identifizieren.
Die weiteren .polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass es gegen den Beschuldigten R. bereits früher polizeiliche Erkenntnisse wegen Sachbeschädigung aufgrund von Graffiti- Schmierereien gegeben hatte. Eine Einsichtnahme in soziale Internet-Netzwerke-(wer-kennt-wen und suckerpod) ergab, dass der Beschuldigte K. der sog. Skaterszene zugehörig. sein dürfte. Ferner konnten mehrere "Tags", wie der oben beschriebene, am direkten Wohnort des Beschuldigten K. festgestellt werden. Das Amtsgericht Koblenz erließ daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 10.08.2010 den streitgegenständlichen Beschluss (Bl. 36) auf den zur Sachdarstellung und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen- wird.
Die Durchsuchung wurde am 24.08.2010 durchgeführt. Dabei wurden zwei USB-Stick6, Speicherkarten, eine externe Festplatte, ein PC-Tower mit Netzteil, ein Mundschutz und 2 Mini-Discs beschlagnahmt.
Mit Verteidigerschreiben vom 31.08.2010 legte der Beschuldigte gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde ein. Am 22.09.2010 erfolgte die Beschwerdebegründung mit dem Antrag, der Beschwerde abzuhelfen und die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben. Für den Fall der Nichtabhilfe beantragt er im Rahmendes beschwerdegerichtlichen Verfahrens, den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.08.2010 aufzuheben und die Herausgabe der bei der Durchsuchung vom 20.08.2010 beschlagnahmten Dokumente und Gegenstände anzuordnen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Beschluss bezeichne die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht ausreichend. Es werde lediglich auf den gesetzlichen Tatbestand des § 304 Abs. 1 StGB verwiesen. Im Übrigen seien die Angaben in dem Durchsuchungsbeschluss zur Konkretisierung der Tat nicht ausreichend. Ferner sei die Tatzeit nur unzureichend wiedergegeben. Schließlich liege ein Anfangsverdacht für die gegenständlichen Taten nicht vor, da sich der Akteninhalt nur auf die Vorgänge nach dem Junggesellenfest in Dernau und nicht auf die Graffitis an der Landgrafenbrücke bezögen. Dag Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde als unbegründet 'zu verwerfen..
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit sie die Feststellung der Rechtsfehlerhaftigkeit des Durchsuchungsbeschlusses vom 10.08.2010 begehrt, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lag zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses allerdings ein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten vor. .Dieser ergibt sich aus den gesamten polizeilichen Ermittlungen bis zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses, die entgegen der Darstellung der Verteidigung nicht allein aus Ermittlungen zu der Tat in Dernau bestehen. Die weitergehenden Erkenntnisse zu den persönlichen Verhältnissen der beiden Beschuldigten, ihrer Beziehung zueinander sowie insbesondere der Umstand, dass das "LS'`-Tag sowohl bei der Tat in Dernau, am Wohnort des Beschuldigten als auch bei den hier gegenständlichen Taten gesprüht wurde, lassen es nach kriminalistischer Erfahrung als möglich erscheinen, dass der Beschuldigte (auch) die Landgrafenbrücke sowie andere Örtlichkeiten beschmiert hat.
Der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 10.08.2010 genügt jedoch inhaltlidh nicht den Anforderungen des .5 .105 StPO.
Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212, 219 f.; 96, 27, 40); Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein.
Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfG; BayVB1 2009, 207).
Die Anordnung der Durchsuchung muss daher. Rahmen, Grenzen und Ziel der Maßnahme definieren. In dem Durchsuchungsbeschluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermittlungsrichter die Ein-griffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat (BVerfG, NJW 2008, 1937). Dazu gehören Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs, die zu suchenden Beweismittel und die zu durchsuchenden Räume. Für den Tatvorwurf gilt dabei: Die Schilderung braucht nicht so vollständig zu sein wie die Formulierung eines Anklagesatzes oder gar die tatsächlichen Feststellungen eines Urteils. Aber die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen berücksichtigt werden. Es müssen ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die - wenn sie erwiesen sein sollten diese zentralen Tatbestandsmerkmale erfüllen (BVerfG NJW 2007, 1443; Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 105 Rn. 4).
Diesen Vorgaben genügt der angegriffene Beschluss nicht vollständig, soweit er zur Konkretisierung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Täten lediglich aufführt: Nach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht der gemeinschädlichen Sachbeschädigung gemäß § 304 Abs. 1 StGB, begangen an verschiedenen Orten im Bereich Bad Neuerahr-Ahrweiler in der Zeit vom 30.04. bis 04.052010".
Aus diesen Angaben ist nicht ersichtlich, welche konkreten Beschädigungshandlungen dem Beschuldigten vorgeworfen werden, ob und welche Gegenstände er etwa zerstört, zerkratzt oder beschmiert haben soll. Dass es sich um Graffiti.-Schmierereien handeln dürfte, ergibt sich allenfalls aus einer Zusammenschau mit den im Beschluss aufgeführten zu suchenden Gegenständen (u.a. Sprühflaschen). Dies genügt insgesamt aber nicht dem rechtsstaatlich zu fordernden Grad der Konkretisierung. Ferner fehlt eine nähere Präzisierung. der Schadensorte, was anhand der Ermittlungsakte auch möglich gewesen wäre. Schließlich wird in dem Beschluss nicht ausreichend deutlich, auf welchen belastenden Tatsachen und Indizien ,der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten beruht. Hier wird lediglich auf die "bisherigen Ermittlungen" verwiesen.
Nicht zu beanstanden ist demgegenüber die bloße Benennung eines Tatzeitraums. Dieser umfasst hier lediglich fünf Tage und war anhand des Ermittlungsergebnisses zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses auch gar nicht näher eingrenzbar.
2. Die Beschlagnahme der bei dem Beschuldigten gefundenen Gegenstände ist rechtmäßig. Aus der Unvollständigkeit des Durchsuchungsbeschlusses folgt:-hier kein zwingendes Verwertungsverbot. Von der Fehlerhaftigkeit einer Durchsuchungsanordnung ist die Frage der Verwertbarkeit der Beweismittel zu unterscheiden, die auf der Grundlage des Beschlusses erlangt wurden. Fehler bei der Durchsuchung lösen grundsätzlich noch kein Verwertungsverbot für die sichergestellten Beweismittel aus (BVerfG NStZ 2002, 371; BGH NStZ 1997, 147; KK t § 105-Rn. 21; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 94 Rn. 21). Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Erlass der Durchsuchungsanordnung keine rechtlichen Hindernisse entgegengestanden hätten und die tatsächlich sichergestellten Beweismittel als solche der Verwertung als 'Beweismittel. rechtlich zugänglich gewesen wären (KK, a.a.O.). Bei allen Fehlern der Durchsuchung oder der ihr zugrunde liegenden Anordnung ist unter Zugrundelegung des hypothetischen Ersatzeingriffs daher zu prüfen, ob dem Erlass einer ordnungsgemäßen Durchsuchungsanordnung keine rechtlichen Hindernisse entgegen gestanden hätten. und die sichergestellten Beweismittel einer Verwertung zugänglich. gewesen wären (BGH NStZ-RR 2007, 242; KK, a:a.O.).
In Anwendung dieser Kriterien begegnet die Beschlagnahme der aufgefundenen Gegenstände insgesamt keinen Bedenken. Wie unter Ziff. 1 ausgeführt, wäre eine Durchsuchungsanordnung gem.' §§ 102, 105 StPO nicht zu beanstanden gewesen, 'wenn sie die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten sowie den Anfangsverdacht nur ein wenig näher konkretisiert hätte Bei, dem vorliegenden Begründungsmangel handelt es sich aber im Ergebnis nicht um einen derart schwerwiegenden - etwa auf bloßer Willkür beru-henden - Fehler, dass dieser in Abwägung der Interessen der Strafverfolgungsbehörden mit den Interessen des Beschuldigten ein Verwertungsverbot nach sich ziehen müsste. 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 74 JGG, 473 Abs. 1 und 4 StPO. Das hauptsächliche Ziel der Beschwerde war die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände. Vor diesem Hintergrund tritt der Umfang des Teilerfolgs des Rechtsmittels hinter den Umfang des Unterliegens zurück. : Als Leitsatz dürfen wir vorschlagen: Für den Fall des Abdrucks bitten wir Sie höflich, als Einsender Rechtsanwalt Dr. Ingo E. Fromm, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht und Referendar H. Gorius, Koblenz, zu nennen. Mit fr ichen kollegialen Grüßen D r. F r m m Rechts alt Fachanwalt für Strafrecht
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