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Entscheidungen

StPO

Ausbleiben, Hauptverhandlung, Entschuldigung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.08.2010 - 2 St OLG Ss 91/10

Fundstellen:

Leitsatz: Ein Verkehrsstau kann grundsätzlich eine ausreichende Entschuldigung für ein Ausbleiben im Termin darstellen.


2 St OLG Ss 91/10
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Betruges'
Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat am 27. August 2010 beschlossen:
1, Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 19. Januar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere_ Strafkammer des Landgerichts Ansbach zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Weißenburg hat die Angeklagte am 8.9.2009 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Am 19.1.2010 hat das Landgericht Ansbach die Berufung der Angeklagten gegen dieses Urteil ohne Verhandlung zur Sache gern. § 329 StPO verworfen, da die Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen sei und ihr Ausbleiben nicht genügend entschuldigt hätte.
Nach den Feststellungen des angegriffenen Urteils ist, die Angeklagte zu dem auf 19.1.2010, 10.30 Uhr, bestimmten Termin zur Berufungshauptverhandlung förmlich geladen worden. Die Ladung habe den Hinweis enthalten, dass die Berufung ohne Verhandlung zur Sache verworfen werden müsse, falls die Angeklagte bei Beginn der Hauptverhandlung nicht. erscheine und ihr Ausbleiben \nicht genügend entschuldige. Am Terminstag habe die Angeklagte 'gegen 10.45 Uhr über ihre Tochter mitteilen lassen, dass sie im Stau stehe und sich 10 bis 15 Minuten verspäte. Die Angeklagte sei in der Folgezeit bis zum Schluss der Berufungshauptverhandlung um 11.10 Uhr nicht erschienen. Eine weitere Entschuldigung für ihr Nichterscheinen habe 'sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgebracht. Im Hinblick darauf, dass die Angeklagte gegen 10.45 Uhr habe mitteilen lassen, dass sie im Stau stehe und sich 10 bis 15 Minuten verspäte, habe die Kammer die Berufungshauptverhandlung bis 11.01 Uhr unterbrochen. Entgegen ihrer Ankündigung sei die Angeklagte aber weder zu .diesem Zeitpunkt noch in der Folgezeit bis zum Schluss der Berufungshauptverhandlung um 11.10 Uhr erschienen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei auch keine weitere Entschuldigung für ihr Ausbleiben vorgebracht worden. Ihr weiteres Ausbleiben sei daher nicht genügend entschuldigt.
Gegen dieses der Angeklagten am 26.1.2010 zugestellte Urteil hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vorn 2.2.2010, eingegangen am selben Tag, Revision eingelegt und die Verletzung formellen Rechts gerügt. -Gleichzeitig stellte sie Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Antrag wurde, unter Schilderung der Umstände im Einzelnen, damit begründet, dass die Angeklagte ohne Verschulden am 19.1.2010 daran gehindert gewesen sei, an der Verhandlung teilzunehmen.
Den Antrag der Angeklagten vom 2.2.2010 auf Gewährung von Wiedereinsetzung den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 19.1.2010 hat das Landgericht Ansbach mit Beschluss vom 23.2.2010 als unzulässig verworfen. Der Senat hat mit Beschluss vom 22.4.2010 die hiergegen 'eingelegte sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen (Az.: 2 Ws 170/10).
Die Revision hat die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg mit ihrer Stellungnahme vom 24.6.2010 vorgelegt und beantragt, auf. die Revision der Angeklagten das Urteil des Land-gerichts Ansbach vom 19.1.2010 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Ansbach zurückzuverweisen.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333 und 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) und hat mit der ordnungs-gemäßen erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung des .§ 329 StPO - zumindest vorläufigen - Erfolg.
Dem Revisionsgericht sind - anders als im Wiedereinsetzungsverfahren - eigene Fest-stellungen zur Frage des Entschuldigtseins verwehrt. Es prüft lediglich; ob das Landgericht den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt hat. Dabei ist das Revisionsgericht auf die Nachprüfung der mitgeteilten Urteilsgründe beschränkt (vgl. KG NStZ-RR 2002; 21.8; Meyer-Goßner, StPO; 53. Aufl., § 329 Rdn. 48 m.w.N.).
Um dem Revisionsgericht die gebotene Prüfung zu ermöglichen, muss sich daher das die Be-rufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO verwerfende Urteil mit den von der Angeklagten vorgebrach-ten Entschuldigungsgründen auseinander setzen. Dies gilt aber nur für Entschuldigungsgründe, die dem Gericht bei Erlass des Verwerfungsurteils bekannt waren oder die es hätte erkennen müssen (vgl. BayObLG NStZ-RR 1997, 182 m.w.N.).
Vorliegend setzt sich das Urteil ausreichend für eine Überprüfung durch den Senat mit den vorgebrachten Entschuldigungsgründen auseinander. Die gegebene Begründung rechtfertigt indes die Verwerfung der Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO nicht.
Um die Grundsätze eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs sicherzustellen, ist es geboten, den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung zu Gunsten des Angeklagten weit auszulegen. Daraus ergibt sich, dass das Gericht nicht schon immer dann, wenn ein Angeklagter ohne ausrei-chende Entschuldigung nicht pünktlich erscheint, die Berufung sofort verwerfen darf und gar muss (vgl. BayObLGSt 1988, 103 f.)
Unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Vor-lageschreiben vom 24.6.2010 ausgeführt:
„Diese Grundsätze treffen auch auf 'den hier zu entscheidenden Fall zu. Die Strafkammer hat den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung zu eng ausgelegt. Entscheidend ist nämlich nicht, ob sich die Angeklagte ausreichend entschuldigt hat, sondern ob sie tatsächlich entschuldigt ist. Vorliegend hat die Angeklagte dem Gericht mitteilen lassen, dass sie sich staubedingt verspäten werde. Dass sie dabei eine Verspätung von nur 10 bis 15 Minuten angeben hat lassen, ist unschädlich; sie hat nämlich den Grund (Stau) genannt, wobei jedem bekannt ist, dass das zeitliche Ende eines Staus nicht sicher vorhersehbar ist, so dass es keiner nochmaligen Entschuldigung bedurfte.
Ein Stau kann grundsätzlich eine ausreichende Entschuldigung für ein Ausbleiben im Termin darstel-len. Der Angeklagten kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie evtl. zu spät von zu Hause zum Gericht losgefahren sei. Im Schreiben vom 02.02.2010 (BI. 164 d.A.) hat ihr Verteidiger vor-getragen, dass sie bereits um 8.00 Uhr zu Hause zu dem um 10.30 Uhr beim Landgericht Ansbach be-ginnenden Berufungshauptverhandlungstermin abgefahren sei deshalb eine genügende Zeitreserve ein-geplant gehabt habe.
Insgesamt ist damit eine ausreichende Entschuldigung für das Ausbleiben im Termin schlüssig vorgetragen. Sollte das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises den Sachvortrag der Angeklagten nicht sicher widerlegen können, führen verbleibende Zweifel über das Vorliegen einer ausreichenden Entschuldigung zur Urteilsaufhebung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 329 Rdnr. 48)."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.
Wegen des aufgezeigten Mangels (§ 337 StPO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 353 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Ansbach zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

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