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Entscheidungen

StPO

Verteidigerausschluss, Ausschließungsantrag, Anforderungen,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamber, Beschl. v. 01.08.2011 - 1 Ws 378/11

Fundstellen:

Leitsatz: Der auf Ausschließung des Verteidigers aus dem Verfahren gerichtete Antrag muss hinsichtlich seiner Zulässigkeit inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Dazu gehört bei einem Antrag, der auf den Tatbestand der versuchten Strafvereitelung gestützt ist, dass in der Begründung die für die Annahme einer Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger erforderlichen besonderen inneren Tatbestandsmerkmale dargelegt und die Beweismittel genauestens bezeichnet werden, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll.


1 Ws 378/11
Oberlandesgericht Bamberg
BESCHLUSS
des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Bamberg
vom 1. August 2011
in dem Strafverfahren gegen pp.
wegen Verstoß gegen das BtMG
hier: Ausschluss des Verteidigers

1. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Coburg vom 19.7.2011 auf Ausschließung des Rechtsanwalts A H K , als Verteidiger der Angeklagten A K wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Verfahrens über den Verteidigerausschluss und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verteidigers hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:
I.
Gegen die Angeklagte A K ist beim Landgericht Coburg ein Verfah-ren wegen Verstoßes gegen das BtMG anhängig. Gegenstand der Anklage (An-klageschrift der Staatsanwaltschaft Coburg vom 31.3.2011) sind, soweit die Angeklagte K betroffen ist, zwei Beschaffungsfahrten nach Tschechien im März/April 2010 zusammen mit dem Angeklagten R zum Erwerb von 11 g beziehungsweise 14 g Crystal-Speed sowie weitere Beschaffungsfahrten der An-geklagten K alleine im Zeitraum von Juni 2010 bis zum 20.10.2010 zum Erwerb von 11 g, 20 g sowie zweimal mindestens 15 g Crystal-Speed sowie schließlich der Ankauf von 300 g, 200 g und zweimal 50 g Haschisch im Mai/Juni 2010, alles jeweils zum Gewinn bringenden Weiterverkauf.

Bereits zuvor war die Angeklagte K aufgrund Anklageschrift der Staatsan-waltschaft Coburg vom 14.2.2011 (308 Js 1266/11) mit Urteil des Amtsgerichts Kronach vom 21.2.2011 zur Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig aufgrund sofortigen Rechtsmittelverzichts. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde mittlerweile wi-derrufen, weil die Angeklagte K die ihr zur Bewährungsauflage gemachte Therapie schuldhaft abgebrochen hat. Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht Kronach waren insgesamt 11 Beschaffungsfahrten der Angeklagten K , teils zusammen mit dem Angeklagten R , nach Tschechien im Zeit-raum Juni 2010 bis 20.10.2010 jeweils zum Erwerb von Crystal-Speed zum Ge-winn bringenden Weiterverkauf. Die Angeklagte K war am 20.10.2010 bei der Einfuhr festgenommen und in Untersuchungshaft genommen worden. In der Untersuchungshaft war der Therapieantritt der Angeklagten bereits verabre-dungsgemäß vorbereitet worden. In der Abschlussverfügung der Staatsanwalt-schaft Coburg vom 17.2.2011 und der Anklage vom selben Tage wurde gemäß §§ 154 Abs. 1, 154 a Abs. 2 StPO von der Verfolgung weiterer Einkaufsfahrten nach Tschechien, insbesondere im Zeitraum von Oktober 2009 bis Mai 2010 so-wie von der Verfolgung vom Handeltreiben mit Haschisch (An- und Verkauf) im Zeitraum von Mai bis Oktober 2010 sowie Weiterverkauf des Crystal-Speed im Zeitraum von März bis Oktober 2010 sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis vorläufig abgesehen. Mit Verfügung vom 21.3.2011 nahm die Staatsanwaltschaft Coburg insoweit das Verfahren wieder auf und verband es zum hiesigen Verfahren hinzu, nachdem die Angeklagte K die zunächst angetretene Therapie schuldhaft abgebrochen hatte.

Mit Schriftsatz vom 14.4.2011 beantragte der Verteidiger zunächst, die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses abzulehnen, da die Staatsanwaltschaft Coburg die von ihr vorläufig eingestellten Verfahrensteile will-kürlich wiederaufgenommen habe.

Mit Verfügung vom 19.4.2011 führte die Staatsanwaltschaft Coburg zu diesem Antrag des Verteidigers im Zwischenverfahren (u. a.) aus, dass der Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 21.2.2011 vor dem Amtsgericht Kronach mehrfach erläutert worden sei, dass die vorläufig eingestellten Verfahrensteile wiederaufge-nommen werden, wenn sie ihre Therapie nicht erfolgreich beenden würde.

Der Verteidiger widersprach dieser Darstellung mit Schriftsatz vom 9.5.2011 und bezeichnete sie als unzutreffend.

Mit Beschluss vom 16.5.2011 ließ die große Jugendkammer des Landgerichts Coburg die Anklage zur Hauptverhandlung unter Eröffnung des Hauptverfahrens zu und machte sich in den Gründen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft Coburg in der Verfügung vom 19.4.2011 zu eigen ohne weitere Ausführungen da-zu, warum sie der Darstellung der Staatsanwaltschaft folgte.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2011 beantragte Rechtsanwalt K nunmehr unter Übergabe eines Schriftsatzes vom 12.7.2011, der entsprechende Ausführungen enthielt, das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO wegen Vorlie-gens eines Prozesshindernisses einzustellen wiederum mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft Coburg habe nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellte Verfahrensteile aus dem früheren Verfahren 308 Js 1266/11 ohne sachlichen Grund wiederaufgenommen. Hierbei bezeichnete er in dem letztgenannten Schriftsatz nochmals die Darstellung der Staatsanwaltschaft aus der Verfügung vom 19.4.2011, wonach der Angeklagten in der Hauptverhandlung mehrfach er-läutert worden sei, dass die vorläufig eingestellten Verfahrensteile wiederaufge-nommen werden, wenn sie ihre Therapie nicht erfolgreich beenden würde, als völlig unzutreffend. Er argumentierte damit, dass das Urteil in vollem Umfange dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprochen habe. Er argumentierte weiter damit, dass in diesem Falle die Verurteilung zu einer zweijährigen Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung (an Stelle der von ihm beantragten einjähri-gen Jugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung) von der Angeklagten nicht akzeptiert worden wäre. Die abweichende Darstellung der Staatsanwaltschaft stünde auch im Widerspruch zu den protokollierten Erklärungen des Staatsan-walts (der im Anschluss an die Urteilsverkündung zu Protokoll gegeben hatte, alle Betäubungsmittelverfahren gegen die Angeklagte im Verfahren 308 Js 1266/11 zusammengeführt zu haben und sich dafür einsetzen zu wollen, dass eventuell noch anhängige Verfahren bei anderen Staatsanwaltschaften oder Gerichten ebenfalls nach § 154 StPO vorläufig eingestellt werden würden, dies insbesonde-re im Hinblick auf den von der Angeklagten erklärten Rechtsmittelverzicht). Unter diesen Umständen, so das Argument des Verteidigers, hätte der Staatsanwalt ei-ne so bedeutsame Erklärung über eine Wiederaufnahme der vorläufig eingestell-ten Verfahrensteile im Falle eines Therapieabbruchs ebenfalls protokollieren las-sen, was nicht erfolgt war. Beigefügt war ferner eine persönliche Erklärung der Angeklagten K vom 12.7.2011, aus der hervorgeht, dass dieser vom Staatsanwalt keine Erläuterungen über eine mögliche Wiederaufnahme erteilt worden seien.

Mit Verfügung vom 19.7.2011 beantragte sodann die Staatsanwaltschaft Coburg wegen dieser Vorgänge, den Verteidiger wegen dringenden oder jedenfalls hin-reichenden Tatverdachts einer versuchten Strafvereitelung von der weiteren Mit-wirkung im Verfahren auszuschließen. Auf den Inhalt der Verfügung wird im Übri-gen Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 20.7.2011 hat das Landgericht Coburg das Verfahren gegen die Angeklagte A K abgetrennt und unterbrochen und den Antrag der Staatsanwaltschaft Coburg dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hat mit Zuleitungsverfügung vom 28.7.2011 ihrerseits die Akten unter Bezugnahme auf den Antrag der Staatsan-waltschaft Coburg vorgelegt.


II.

Über den Antrag auf Ausschließung eines Verteidigers nach § 138 a Abs. 1 StPO entscheidet gem. § 138 c Abs. 1 Satz 1 StPO das Oberlandesgericht.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Coburg vom 19.7.2011 war ohne mündliche Verhandlung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 138 d, Rn. 1) als unzulässig zu verwerfen.

Der auf Ausschließung des Verteidigers aus dem Verfahren gerichtete Antrag muss hinsichtlich seiner Zulässigkeit bestimmten inhaltlichen Mindestanforderun-gen genügen. Die dem betroffenen Verteidiger zur Last gelegte Pflichtverletzung muss unter Angabe aller Tatsachen in objektiver und subjektiver Hinsicht darge-legt und die zu ihrem Nachweis erforderlichen Beweismittel müssen genauestens bezeichnet werden (KG Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2001 - 2 AR 104/00 - in ju-ris; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 50 f. sowie Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 138 c Rdnr. 9 m.w.N.). Dies folgt aus der Umgrenzungsfunktion der Antragsschrift, die ähnlich einer Anklageschrift in Strafverfahren klarstellen muss, welches Verhalten dem Verteidiger zur Last gelegt wird. Hierbei genügt es jedoch nicht, lediglich das äußere Handeln des Verteidigers zu bezeichnen, das den objektiven Tatbestand der versuchten Strafvereitelung erfüllen soll, weil Verteidigerhandeln typischerweise auf die Entlastung des Beschuldigten gerichtet ist. Bei Verteidigerhandeln bestehen erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung (BGHSt 24, 38 f.; 46, 53 f.), denn der Verteidiger macht sich nur dann nach § 258 Abs. 1 StGB strafbar, wenn er die Tat "absichtlich oder wissentlich" begeht. Diesen erhöhten Nachweisanforderungen muss auch die Antragsschrift im Verfahren auf Verteidigerausschluss nach §§ 138 a f. StPO genügen, indem sie die für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts der versuchten Strafvereitelung durch den Verteidiger erforderlichen inneren Tatbestandsmerkmale darlegt und die Beweismittel genauestens bezeichnet, aus denen der Rückschluss auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands gezogen werden soll (so Brandenburgisches OLG StV 2008, 66-68).

Die Struktur des Straftatbestands der Strafvereitelung gemäß § 258 StGB birgt für den Verteidiger selbst das Risiko, dass ein prozessual erlaubtes, im Rahmen wirksamer Verteidigung liegendes Verhalten in den Anwendungsbereich des Straftatbestands fallen kann. Der besonderen Situation des Verteidigers kann durch Auslegung des Straftatbestands hinreichend Rechnung getragen werden. Das Erfordernis hierzu ergibt sich daraus, dass die Möglichkeit wirksamer Vertei-digung auf der Grundlage des Verfahrensrechts notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens ist; ihr kommt hierfür grundlegende Bedeutung zu. Der Angeklagte hat nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. c) MRK Anspruch auf konkrete und wirkliche Verteidigung. Dieser Anspruch wäre ernsthaft gefährdet, wenn der Verteidiger wegen einer üblichen und prozessual zulässigen Verteidigungstätigkeit selbst strafrechtlich verfolgt würde. Der Wirkkraft dieser letztlich im Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren wurzelnden verfah-rensrechtlichen Verbürgung ist deshalb bei der Auslegung und Anwendung des Straftatbestands Genüge zu tun (BGHSt 46, 53 f.) (Brandenburgisches OLG, ebd.).

Soweit ein Strafverteidiger prozessual zulässig handelt, ist sein Verhalten bereits nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 258 StGB. Bei dessen Auslegung kann auch das Standesrecht von Bedeutung sein. Standesrechtlich zulässiges Verhal-ten wird in der Regel prozessual nicht zu beanstanden sein. Standesrechtlich un-zulässiges Verhalten führt nicht ohne weiteres zur Strafbarkeit (BGHSt 2, 375, 377; 10, 393, 395) (Brandenburgisches OLG, ebd.).

Der Verteidiger darf grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstan-dender Weise seinem Mandanten nützt (BGHSt 38, 345, 347). Allerdings muss er sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränken und er muss sich jeder bewussten Verdunkelung des Sachverhalts und jeder sachwidrigen Erschwerung der Strafverfolgung enthalten. Ihm ist es insbesondere untersagt, durch aktive Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung zu erschweren, insbesondere Beweismittel zu verfälschen (BGHSt 9, 20, 22; 38, 345, 348; BGH NStZ 1999, 188) (Brandenburgisches OLG, ebd.).

Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Antragsschrift nicht, soweit es um die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der Strafvereitelung geht.

Der hinreichende Verdacht der versuchten Strafvereitelung wäre hier nur anzu-nehmen, wenn mit einer zur Eröffnung eines entsprechenden Hauptverfahrens ausreichenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass der Verteidiger seine Darstellung zur Begründung des Antrags auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Prozesshindernisses, der Staatsanwalt habe in der mündlichen Ver-handlung vom 21.2.2011 vor dem Amtsgericht Kronach zu keiner Zeit geäußert, dass vorläufig eingestellte Verfahrensteile bei Erfolglosigkeit der Therapie wie-deraufgenommen würden, bewusst der Wahrheit zuwider gemacht hat.

Dies kann zur Überzeugung des Senats bei objektiver, unvorbelasteter Würdi-gung der gesamten Umstände hier nicht angenommen werden.

Nach den Ausführungen in der Antragsschrift erfolgten die Ausführungen des Staatsanwalts zur Wiederaufnahme der vorläufig eingestellten Verfahrensteile im Falle eines Therapieabbruchs in der Hauptverhandlung und im Plädoyer und rich-teten sich an die Angeklagte. Sie richteten sich also nicht direkt an den Verteidi-ger und sie erfolgten vor dem Urteil.

Auch wenn in der Antragsschrift (insoweit abgefasst als dienstliche Erklärung des sachbearbeitenden Staatsanwalts, welcher sowohl die - vom Verteidiger abge-strittenen - Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.2.2011 vor dem Amtsgericht Kronach gemacht als auch die Antragsschrift verfasst hat) davon die Rede ist, dass die Äußerungen ausdrücklich erfolgt sind, und wenn weiter in der Verfügung vom 19.4.2011 von mehrfachen Äußerungen die Rede ist, wird hierbei die konkrete Qualität der Äußerungen des Staatsanwalts nicht dargetan in dem Sinne, dass sie sich einem Verteidiger in der Hauptverhandlung in jedem Falle langfristig einprägen mussten.

Es ist nämlich hierbei zu bedenken, dass Äußerungen des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung - etwa bei Vorhalten an die Angeklagte oder auch in allgemei-nen Erläuterungen und Rechtsausführungen - nicht unbedingt für das Langzeit-gedächtnis des Verteidigers bestimmt sind. Die Hauptverhandlung ist ein Inbegriff von Vorgängen, insbesondere von Rede und Gegenrede, die zeitkomprimiert und konzentriert im Hier und Jetzt stattfinden, unmittelbar aufeinander bezogen sind und zur Urteilsfindung führen sollen. Viele Einzelheiten, die in der Hauptverhand-lung stattfinden, sind nach der Urteilsverkündung obsolet und können von den Verfahrensbeteiligten bildlich gesprochen "abgehakt" werden, besonders dann, wenn - wie hier - das Verfahren zunächst zu einem scheinbar allseits mehr oder minder befriedigenden Ergebnis gefunden hatte. Hinzu kommt, dass jedenfalls die professionellen Verfahrensbeteiligten sich schnell wieder mit anderen Verfahren und Vorgängen befassen müssen und auch deswegen die Einzelheiten "erledigter" Verfahren schneller vergessen können. Unter diesen Umständen geht der Senat von einer mindestens ebenso hohen Wahrscheinlichkeit aus, dass die fraglichen Äußerungen des Staatsanwalts, von denen nach dem Inhalt der Antragsschrift nicht auszuschließen ist, dass sie - wenn auch mehrmals wiederholt und auch nicht verklausuliert - lediglich in Nebensätzen enthalten waren, dem - anzunehmend ebenso beschäftigten - Verteidiger spätestens nach der Sitzung binnen kurzem aus dem Gedächtnis entschwunden waren.

Soweit die Staatsanwaltschaft Coburg in ihrer Antragsschrift zum subjektiven Tat-bestand weiter ausführt, dem Verteidiger sei aufgrund der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 19.4.2011 bekannt gewesen, dass seine Darstellung des Sachverhalts unzutreffend war, vermag der Senat dieser Schlussfolgerung eben-falls nicht zu folgen, und zwar im Wesentlichen aus Rechtsgründen.

Hier musste der Verteidiger allenfalls mit der Möglichkeit rechnen, dass die Dar-stellung der Staatsanwaltschaft richtig war. Keinesfalls musste er zwingend davon ausgehen, dass die Darstellung der Staatsanwaltschaft objektiv richtig war. Denn genauso, wie er selbst im Hinblick auf die fraglichen Vorgänge einem Irrtum infol-ge Vergessens unterliegen konnte, bestand aus seiner Sicht, gerade wenn er die Einzelheiten aus der Hauptverhandlung vergessen hatte, auch die Möglichkeit dass hier der sachbearbeitende Staatsanwalt einem Irrtum in der Form des Wunschdenkens unterlag, jedenfalls, was die Ausführlichkeit und Deutlichkeit sei-ner Äußerungen über eine mögliche Wiederaufnahme vorläufig eingestellter Ver-fahrensteile betrifft. Im Hinblick auf die Vereitelungshandlung genügt jedoch ein bedingter Vorsatz nicht; vielmehr ist insoweit direkter Vorsatz erforderlich (vgl. Fi-scher, StGB 58. Aufl., § 258, Rn. 33). Jedenfalls aber war es in dieser Situation ein aus dem Rechtsstaatsgebot und dem aus Art. 6 Abs. 3 c) MRK folgenden Gebot der wirksamen Verteidigung zulässiges Verhalten des Verteidigers, unter Hinweis auf den Inhalt der Niederschrift der Sitzung des Amtsgerichts Kronach vom 21.2.2011, der die Darstellung der Staatsanwaltschaft nicht stützt, einen An-trag auf Einstellung des Verfahrens zu stellen, solange - aus seiner Sicht - jeden-falls die Möglichkeit bestand, dass das Gericht sich seiner Darstellung und Argu-mentation anschließt, wozu unter Umständen schon Zweifel an der Darstellung der Staatsanwaltschaft genügten.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Einsender: Prof. Dr. S. Barton, Bielefeld

Anmerkung:


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