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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Haarprobe, Entnahme, körperlicher Eingriff

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.12.2011 - 1 Ws 551-552/11

Fundstellen:

Leitsatz: Die Entnahme einer Haarprobe ist eine Maßnahme, die gemäß § 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist und deshalb der Einwilligung des Verurteilten bedarf.


1 Ws 551-552/11
In der Bewährungssache pp.
wegen Verstoßes gegen das BtMG
hier: Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen die Nichterteilung einer Bewährungsweisung
erlässt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg folgenden
Beschluss
I. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 09.11.2011 gegen den Beschluss der Strafvollstre-ckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.10.2011 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dort ent-standenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
Die auch angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nach §§ 453 Abs. 2 Satz 1, 306 StPO zulässige Beschwerde ist nicht be-gründet.

Zunächst nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entschei-dung Bezug.

Ergänzend ist auszuführen:

1. Die Entnahme von Haarproben ist eine Maßnahme, die gemäß § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist und deshalb der - hier nicht erteil-ten - Einwilligung des Verurteilten bedarf. Der Senat folgt der Rechtsauffassung des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 09.06.2010 (Az.: 3 Ws 457/10), nicht derjenigen des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 06.07.2010 (Az.: 1 Ws 655/10, 1 Ws 656/10) und des 2. Straf-senats des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 09.07.2010 (Az.: 2 Ws 571/10).
Entscheidend ist nämlich allein, dass das Abschneiden von Haaren einen Eingriff in die Körpersubstanz darstellt. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 68b Abs. 2 Satz 4 StGB, die auf § 56c Abs. 3 StGB verweist, differenziert dabei nicht nach graduell unterschiedlichen körperlichen Eingriffen, so dass alle Kontrollmaßnahmen, die mit körperlichen Eingriffen auch nur geringfügiger Art verbunden sind und zu ei-ner lediglich unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität führen, nur mit Einwilligung des Verurteilten möglich sind.

2. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit § 81a StPO und § 223 StGB.

a) Im Rahmen des § 81a StPO ist nicht unstreitig, dass die Veränderung der Bart- oder Haartracht keinen körperlichen Eingriff darstellt (vgl. zum Meinungsstand Mey-er-Goßner, StPO 54. Auflage § 81a Rn. 23). Löwe-Rosenberg/Krause (StPO, 26. Auflage § 81a Rn. 47) hält für das Entfernen des Bartes und das Schneiden der Haa-re sogar eine gesonderte richterliche Anordnung für erforderlich, die nur ergehen darf, wenn diese Vorbereitungsmaßnahmen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Untersuchungshandlung unbedingt notwendig sind.
Das Bundesverfassungsgericht (NJW 1978, 1149) hat lediglich entschieden, dass die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung, dass die Veränderung der Bart- oder Haartracht schon keinen körperlichen Eingriff nach § 81a StPO darstelle, frei von Willkür ist und deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Es hat dabei mehrfach hervorgehoben, dass eine Veränderung der Bart- oder Haar-tracht „zum Zwecke der Identifizierung“ zulässig ist. „Solche Maßnahmen sind - auch bei Eingriffen in die Substanz der Haar- und Barttracht - von verhältnismäßig gerin-ger Intensität. Sie dienen zudem weder seiner Herabwürdigung noch sonstigen rechtlich zu missbilligenden Zwecken, sondern unmittelbar der rechtsstaatlich gebo-tenen Aufklärung von Straftaten und Ermittlung von Straftätern. Der Beschuldigte muss sie deshalb im Interesse überwiegender Belange des Gemeinwohls hinneh-men.“
Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Auslegung des „körperlichen Eingriffs“ somit im Hinblick auf die Zielrichtung des § 81a StPO vor, den Untersuchungserfolg als herausragenden Belang des Gemeinwohls zu gewährleisten.

b) Die Auslegung des „körperlichen Eingriffs“ im Sinne der §§ 56c Abs. 3, 68b Abs. 2 Satz 4 StGB kann sich auch nicht an § 223 StGB orientieren. Dort ist die Intensität des Eingriffs schon deshalb höher anzusetzen, da der Eingriff unmittelbar strafbe-gründend wirkt.

c) Die Erwägungen, die bei § 81a StPO und bei § 223 StGB eine Rolle spielen und zu einer engen Auslegung des Begriffs des „körperlichen Eingriffs“ führen, sind im Rahmen der Bewährungs- und Führungsaufsicht nicht mehr maßgeblich. Hier erteilte Weisungen dienen dem Zweck, die Lebensführung des Verurteilten spezialpräventiv zu beeinflussen (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage § 56 c Rn. 1a), und sind stets am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen (Fischer a.a.O. Rn. 2). Folgerichtig ist hier der Begriff des „körperlichen Eingriffs“ weit auszulegen. Zu diesem Ergebnis ge-langt auch Münchner Kommentar/ Groß (StPO 2005, § 56c Rn. 30): „Der Begriff des „körperlichen Eingriffs“ ist weit auszulegen, und es sind hierunter alle ärztlichen Maßnahmen zu verstehen, mit denen die Körperintegrität tangiert wird, wobei es auf die Intensität des Eingriffs nicht ankommt.“

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Einsender: 1. Strafsenat des OLG Nürnberg

Anmerkung:


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