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Leitsatz: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wahl des Rechtsmittels, nachdem zunächst ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt worden ist, ist auch im JGG-Verfahren nach rechtzeitiger Rechtsmitteleinlegung nicht zulässig.
BESCHLUSS III-3 RVs 101/11 OLG Hamm Strafsache gegen pp. wegen Trunkenheit im Verkehr.
Auf den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wahl des Rechtsmittels innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgerichtgig auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig verworfen.
I. Der Angeklagte wurde durch das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil des Amtsgerichts Jugendgericht Lemgo vom 21. Juni 2011 unter Anwendung des Jugendstrafrechts wegen Trunkenheit im Verkehr bei Meldung der Verhängung von Jugendarrest mit der Auflage belegt, eine Geldbuße in Höhe von 500 , zahlbar in monatlichen Raten zu je 100 , an die Deutsche Knochenmarkspenderdatei zu zahlen. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Die Verwal-tungsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 7 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Hiergegen legte der Verteidiger mit Fax vom 22. Juni 2011 Rechtsmittel ein. Das schriftliche Urteil wurde dem Verteidiger am 4. August 2011 zugestellt. Mit Fax vom 6. September 2011 bezeichnete der Verteidiger das Rechtsmittel als Revision und begründete diese mit der darin näher ausgeführten Sachrüge. Nachdem er vom Vorsitzenden der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold mit Schreiben vom 26. September 2011 auf die verspätete Revisionsbegründung hingewiesen wurde, beantragte der Verteidiger mit Fax vom 5. Oktober 2011, gerichtet an das Landgericht Detmold, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig zu verwerfen. Zu diesem Antrag hat der Verteidiger des Angeklagten mit seiner Gegenerklärung vom 16. November 2011 eingegangen am 21. November 2011 Stellung genommen. II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wahl des Rechtsmittels innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO ist unzulässig.
Wenn ein Urteil statt mit der Berufung auch mit der Revision angegriffen werden kann, so steht es dem Rechtsmittelführer frei, innerhalb der Rechtsmittelfrist lediglich zu erklären, dass er das Urteil anfechte (vgl. BGHSt 2, 63). Nach der Zustellung des angefochtenen Urteils kann er dann bis zum Ablauf der Frist, die für eine Revisionsbegründung gelten würde (§ 345 Abs. 1 StPO) die Wahl treffen, ob das eingelegte Rechtsmittel eine Berufung oder eine Revision sein soll (vgl. BGH a.a.O.: BGHSt 33, 183; OLG Hamm NStZ 1991, 601). Dies gilt auch im Jugendrecht (vgl. Eisenberg, JGG, 14. Auflage, § 55, Rdnr. 58).
Nach der in Literatur und Rechtsprechung nahezu einhellig vertretenen und zutreffenden Auffassung ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wahl nach rechtzeitiger Rechtsmitteleinlegung unzulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Auflage, § 335, Rdnr. 8: Löwe-Rosenberg, StPO Hanack, 25. Auflage, § 335, Rdnr. 14; Karlsruher Kommentar zur StPO Kuckein, 6. Auflage, § 335, Rdnr. 6; OLG Hamm, NStZ 1991, 601; OLG Köln NStZ 1994, 199; BayObLG wistra 2001, 279 m.w.N.). Solange sich der Rechtsmittelführer nicht eindeutig für die Revision entscheidet, handelt es sich bei dem von ihm (unbestimmt) eingelegten Rechtsmittel um eine Berufung (vgl. BGHSt 33, 183), so dass er mit dem Unterlassen einer fristgerechten Rechtsmittelwahl bzw. eines fristgerechten Rechtsmittelübergangs keine eigenständige, einer selbständigen Frist unterliegende Prozesshandlung versäumt, gegen die Wiedereinsetzung gewährt werden könnte, sondern lediglich das zunächst unbenannte, aber von vornherein als Berufung anzusehende Rechtsmittel nunmehr endgültig als Berufung feststeht (vgl. BayObLG a.a.O.). Zudem handelt es sich bei der unbestimmte Rechtsmitteleinlegung um eine Möglichkeit, die in der Strafprozessordnung keine ausdrückliche Erwähnung findet und Rechtsmittelführern erst durch die o.g. Rechtsprechung eröffnet wurde.
Es besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Wiedereinsetzung, zumal dem Rechtsmittelführer dadurch, dass sein Rechtsmittel als Berufung durchgeführt wird, der umfassendste mögliche Rechtsschutz gewährt wird (vgl. OLG Hamm a.a.O.; BayObLG a.a.O.).
Soweit der Verteidiger in seiner Gegenerklärung vom 16. November 2011 unter Hinweis auf die Kommentierung von Eisenberg (Eisenberg, JGG, 14. Auflage, § 55, Rdnr. 61a) darauf verweist, dass im Gegensatz hierzu im Jugendstrafverfahren eine Wiedereinsetzung zulässig sei, verfängt diese Auffassung nicht. Denn sowohl Eisenberg, der auf Dallinger-Lackner verweist, als auch Schatz (vgl. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 6. Auflage, § 55, Rdnr. 88) begründen ihre Auffassung allein damit, dass im Jugendstrafverfahren der (weitere) Weg zum Revisionsgericht wegen § 55 Abs. 2 Satz 1 JGG, der gern. § 109 Abs. 2 JGG auch für Heranwachsende entsprechend gilt, wenn der Richter wie hier Jugendstrafrecht angewandt hat, anderenfalls versperrt sei. Eine Auseinandersetzung mit der o.g. Argumentation, die ebenso auf das Jugendstrafverfahren zutrifft, erfolgt hingegen nicht. Zudem besteht entgegen der von Verteidiger vertretenen Auffassung auch im Jugendstrafverfahren für den Rechtsmittelführer kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Denn auch in diesem Fall wird dem Rechtsmittelführer mit der Durchführung der Berufung, bei der das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht überprüft wird, der umfassendste mögliche Rechtsschutz gewährt. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist deshalb als Berufung vor dem Landgericht Detmold durchzuführen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdnr. 38).
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