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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrtenbuch, Anordnungsvoraussetzungen, Mitwirkungspflicht, Anhörungsbogen, Nachweis, Zugang

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Potsdam, Beschl. v. 19 03.2012, VG 10 L 52/12

Leitsatz: Sendet der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zurück, kann darin im Rahmen der Anordnung eines Fahrtenbuches nur dann eine unterbliebene Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers gesehen werden, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen nachweislich erhalten hat.


VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM
BESCHLUSS
VG 10 L 52/12
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren pp.
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigter: gegen
den Landrat des Landkreises
Antragsgegner,
wegen Fahrtenbuchauflage
hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 19. März 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht, die Richterin am Verwaltungsgericht und
die Richterin am Verwaltungsgericht
beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die unter Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 9. Januar 2012 angeordnete Führung eines Fahrtenbuches wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4800,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg, da das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin höher zu bewerten ist als das öffentliche Vollzugsinteresse. Die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches erweist sich nämlich nach summarischer Prüfung als rechtswidrig.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 31 a Abs. 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegen-über einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Feststellung des Fahrzeugführers ist nicht möglich, wenn die Behörde nicht in der Lage ist, den Fahrer zu ermitteln, obwohl sie nach den Umständen des Einzelfalles alle bei vernünftiger Betrachtung angemessenen und zumutbaren Nachforschungen ergriffen hat (BVerwG, U. v. 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 5; Beschluss vom 17. Juli 1986 - 7 B 234.85 -, NJW 1987 S. 143).
Zu den angemessenen Ermittlungen seitens der Behörde gehört es regelmäßig, einen Anhö-rungsbogen innerhalb von zwei Wochen abzusenden (BVerwG, a. a. O.). Schon dies ist hier nicht geschehen, da Tattag der 20. Juni 2011 war und der Anhörungsbogen offenbar erst vom 22. Juli 2011 datiert. Dieser Ermittlungsfehler war vorliegend auch ursächlich für die mangelnde Fest-stellung des Fahrzeugführers.

Zwar können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, B. v. 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, VRS 74, 233). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Dann liegt die konkludente Erklärung, sich zur Sache nicht äußern zu wollen.

Eine solche Mitwirkungspflicht seitens des Fahrzeughalters wird jedoch nach Auffassung der Kammer nur ausgelöst, wenn dieser auch den Anhörungsbogen nachweislich erhalten hat. Diesen Beweis konnte vorliegend der Antragsgegner nicht führen. Allein die Obersendung eines Datensatzauszuges der Behörde reicht hierfür nicht aus, da die Vorschrift des § 41 Abs. 2 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Bbg VwVfG nicht im Ordnungswidrigkeitenverfahren Anwendung findet und das OWG keine vergleichbaren speziellen Vorschriften beinhaltet. Vielmehr gilt insoweit die allgemeine Vorschrift des § 130 BGB für den Zugang von Willenserklärungen, deren allgemeine Beweislast hier die Behörde trägt. Den not-wendigen Beweis des Zuganges konnte die Behörde hier jedoch nicht führen.

Die vom OVG Lüneburg (B. v. 6. April 2010 - 12 ME 47/10 -) genannten Indizien sind offenkundig nicht geeignet, den individuellen Nachweis für einen entsprechenden Zugang hier bei der Antrag-stellerin zu führen,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG), vgl. Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsge-richtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.

Einsender: RA F. Theumer, Großbeeren – Ludwigsfelde

Anmerkung: Die Entscheidung ist aufgehoben worden durch OVG Brandenburg 1 S 50.12.


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