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Entscheidungen

Zivilrecht

Entschädigung, Zuführung, ED-Behandlung , Zwang

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 09.11.2012 - 4 Ws 102/12

Leitsatz: § 2 StrEG zählt abschließend auf, welche Strafverfolgungsmaßnahmen zu einer Entschädigungspflicht des Staates führen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrEG zieht lediglich die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO eine mögliche Entschädigungspflicht nach sich, nicht hingegen die – auch zwangsweise durchgeführte - Zuführung zur Identitätsfeststellung.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
4 Ws 120/12141 AR 564/12
(501) 283/63 Js 4806/10 KLs (3/11)

In der Strafsache gegen pp.
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 9. November 2012 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. August 2012 aufgehoben, soweit dem Freigesproche-nen „für die am 15. August 2010 erlittene Freiheits-entziehung“ eine Entschädigung zugesprochen worden ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landes-kasse Berlin.
G r ü n d e :

Das Landgericht hat den ehemaligen Angeklagten mit Urteil vom 21. August 2012 von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung und der Beleidigung rechtskräftig freigesprochen; zu-gleich entschied es, dass er „für seine (…) vorläufige Festnahme in der Tatnacht“ zu entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG statthafte und innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingegangene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 27. August 2012. Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Dem Freigesprochenen steht ein Anspruch auf Entschädigung für die gegen ihn gerichteten Strafverfolgungsmaßnahmen nicht zu. Art und Einzelheiten derselben hat der Senat, der nach §§ 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, 464 Abs. 3 Satz 2 StPO lediglich an die nicht konkretisierte Feststellung der Strafkammer, die Maßnahme habe „bis zum folgenden Morgen“ angedauert, gebunden gewesen ist, dem Akteninhalt entnommen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., StrEG § 8 Rdn. 21, m.w.Nachw.). Danach ist der Freigesprochene in der am 15. August 2010 um 04:00 Uhr aufge-nommenen Strafanzeige als Tatverdächtiger erfasst und zum Ab-schnitt 14 verbracht worden. Dort führten Polizeibeamte eine Messung der Atemalkoholkonzentration durch. Anschließend fand ausweislich eines als „Festnahmebericht“ bezeichneten Vermerks vom 15. August 2010 die erkennungsdienstliche Behandlung des damals Beschuldigten auf der Gefangenensammelstelle statt. Zu-vor wurden ihm „aufgrund körperlicher Überlegenheit und der zahlreichen Fluchtmöglichkeiten“ Handfesseln angelegt. Eine Vorführung zum Ermittlungsrichter wurde – soweit aus den Akten erkennbar - nicht erwogen.
2. § 2 StrEG zählt abschließend auf, welche Strafverfolgungs-maßnahmen zu einer Entschädigungspflicht des Staates führen. Nach der hier allein maßgeblichen Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrEG zieht lediglich die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO eine mögliche Entschädigungspflicht nach sich, nicht hingegen die – auch zwangsweise durchgeführte - Zuführung zur Identitätsfeststellung (vgl. KG, GA 1979, 225; D. Meyer, Strafrechtsentschädigung 8. Aufl., § 2 StrEG Rdn. 42 m.w.Nachw.; Meyer-Goßner, a.a.O., StrEG § 2 Rdn. 5) nach § 127 Abs. 1 Satz i.V.m. 163 b und c Abs. 1 StPO.

Für die Einordnung der Maßnahme ist die materielle Rechtslage maßgebend (vgl. KG, a.a.O.), nicht die (mitunter fehlerhafte) Bezeichnung – hier in der Überschrift des Vermerks vom 15. Au-gust 2010 - durch Polizeibeamte. Für eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO liegen keine Anhaltspunkte vor; es fin-den sich keine Hinweise, dass die polizeilichen Zwangsmaßnahmen auf den Vollzug von Untersuchungshaft bzw. vorläufiger Un-terbringung gerichtet waren. Zudem ist dem damals Beschuldigten nicht kundgetan worden, dass er vorläufig festgenommen worden sei. Stattdessen ist er einer Untersuchung nach § 81 a Abs. 1 StPO (AAK-Messung) sowie Maßnahmen der Identifizierung und des Erkennungsdienstes nach § 81 b StPO (Lichtbildaufnahmen u.a.) zugeführt worden. Solche Maßnahmen zählen wegen der hiermit regelmäßig verbundenen geringen Eingriffsintensität nicht zu den entschädigungsfähigen Strafverfolgungsmaßnahmen (vgl. D. Meyer, a.a.O., Rdn. 9 m.w.Nachw.). Dies gilt auch, wenn – wie hier – unmittelbarer Zwang angewendet worden ist, um die erkennungsdienstliche Behandlung durchsetzen zu können (vgl. KG, a.a.O.).

Für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des StrEG ist wegen deren klaren Regelungsgehaltes kein Raum; die Aufzählung der entschädigungsfähigen Tatbestände in § 2 Abs. 1, Abs. 2 StrEG ist abschließend (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 - m.w.Nachw.).

3. Die Landeskasse Berlin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen, weil sonst niemand dafür haftet.

Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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