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Leitsatz: Der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren entfällt nach teilweisem Freispruch oder sonstigem teilweisen Obsiegens des Beschuldigten nicht nur in Höhe des darauf entfallenden Anteils, sondern in Höhe der gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren.
OBERLANDESGERICHT KÖLN 2 Ws 837/12 BESCHLUSS In der Strafsache pp. hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers vom 18.10.2012 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts A. vom 11.10.2012 am 4. Januar 2013 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verteidigers verworfen. Gründe: I. Der vom Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger verteidigte Verurteilte wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts A. vom 19.06.2012 (Az. xxxx) wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach Auflösung der durch Urteil des Landgerichts A. vom 24.03.2011 (Az. xxxx) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der darin verhängten Einzelstrafen und unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach dem Tenor der Auslagenentscheidung in dem vorbezeichneten Urteil kann der Verurteilte die Erstattung seiner notwendigen Auslagen verlangen, soweit er freigesprochen wurde. Die Verurteilung erfolgte wegen der Fälle 1 und 2 aus der Anklage im Verfahren Az. xxxx der Teilfreispruch wegen Fall 4 aus der Anklage im Verfahren Az. xxxx sowie wegen - sämtlicher - Fälle 1 bis 242 aus der Anklage im hinzuverbundenen Verfahren Az. xxxx Der Beschwerdeführer, der sich von dem Verurteilten die Gebührenansprüche gegen die Staatskasse mit Erklärung vom 19.06.2012 hat abtreten lassen, hat mit Schriftsatz vom 18.09.2012 die notwendigen Auslagen im Verfahren Az. xxxx auf 3.487,25 und im Verfahren Az. xxxx auf 1.073,39 jeweils abzüglich Pflichtverteidigergebühren von 2.962,16 im Verfahren Az. xxxx und 898,76 im Verfahren Az. xxxx auf 525,09 im Verfahren Az. xxxx bzw. 174,63 im Verfahren Az. xxxx beziffert und hiervon auf der Grundlage einer Quote von 243/246 einen Betrag von insgesamt 691,19 geltend gemacht. Auf Veranlassung des zu dem Antrag angehörten Bezirksrevisors hat der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer die Kostenquote des Freispruchs mit Verfügung vom 08.10.2012 mit Zweidrittel angegeben. Entsprechend der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 10.10.2012 hat die Rechtspflegerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.10.2012 die notwendigen Auslagen im Verfahren Az. xxxx antragsgemäß mit 174,63 festgesetzt und die Festsetzung im Übrigen abgelehnt. Die notwendigen Auslagen im Verfahren Az. xxxx seien um die nur dem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren Nrn. 4116 (zweimal 108 ) auf 3.230,21 zu kürzen, wovon 2/3 = 2.153,48 von der Landeskasse zu tragen seien. Hierauf seien jedoch die ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 2.304,33 in voller Höhe anzurechnen, so dass ein festzusetzender Betrag nicht mehr verbleibe. Mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.10.2012 nimmt der Beschwerdeführer die Quote für den Freispruch von Zweidrittel hin, wendet sich aber gegen die Absetzung der Gebühren Nrn. 4116 und vor allem gegen den Abzug der vollständigen Pflichtverteidigergebühren, den er unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung entsprechend der Freispruch-Quote nur in Höhe von 1.712 für berechtigt hält. Auf dieser Grundlage errechnet er einen noch festzusetzenden Betrag von weiteren 554,06 . Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel, zu dem der Bezirksrevisor mit Verfügung vom 20.11.2012 ergänzend Stellung genommen hat, nicht abgeholfen und es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das nach § 464 b S.3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S.1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässige Rechtsmittel, bei dem es sich um eine sofortige Beschwerde handelt, ist nicht begründet. Der Senat folgt der Auffassung der Rechtspflegerin, wonach die Bestimmung des § 52 Abs. 1 S.2 RVG dahin auszulegen ist, dass der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers auf Wahlverteidigergebühren in Höhe der gesamten aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren entfällt. Vorausgeschickt wird, dass die notwendigen Auslagen im Verfahren Az. xxxx zu Recht um die nur dem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren Nr. 4116 (zweimal 108 ) auf 3.230,21 gekürzt worden sind. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Termine vom 30.05. und 11.06.2012 würden auf diese Weise unhonoriert bleiben, übersieht, dass ihm nur die zusätzliche Gebühr VV Nr. 4116 gestrichen wurde, die dem Wahlanwalt nicht zusteht, während die Berechtigung der Gebühr VV Nr. 4115 nicht in Zweifel gezogen worden ist. Auf dieser Grundlage ergibt sich nach zutreffender Berechnung im Kostenfestsetzungsbeschluss ein noch festzusetzender restlicher Betrag nicht : bei einer Kostenquote von Zweidrittel beträgt der Erstattungsanspruch (2/3 x 3.230,21 =) 2.153,47 . Bei Anrechnung der vollen Pflichtverteidigervergütung von 2.304,33 verbleibt kein Überschuss zugunsten des Beschwerdeführers. Zur Frage des Umfangs der Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren werden zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die eine Auffassung hält die vollständige Anrechnung für geboten und begründet dies mit dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 S.2 RVG, der - ebenso wenig wie die Vorgängerregelung in § 100 BRAGO - nicht danach unterscheidet, ob die Landeskasse Pflichtverteidigergebühren gezahlt hat, die auf den Verfahrensteil entfallen, für den dem Beschuldigten ein Erstattungsanspruch zusteht. Auch sonst knüpften die Gebührentatbestände an das Verfahren im jeweiligen Rechtszug insgesamt an und nicht an einzelne Tatvorwürfe oder an abstrakte Kostenquoten. Es werde lediglich das ansonsten durch Aufrechnung der Staatskasse mit Verfahrenskosten erzielbare Ergebnis vorweggenommen. (so : OLGe Düsseldorf, Beschluss vom 24.02.2010 - III-1 Ws 700/09-; Hamburg, Beschluss vom 03.09.2007 - 2 Ws 194/07 -, zitiert bei juris; Frankfurt in NStZ-RR 2008,264; zum Recht der BRAGO: OLGe Hamburg, Rpfleger 1999,413; Saarbrücken Rpfleger 2000, 564; weitere Nachweise bei Burhoff-Volpert, Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 52 RVG Randn. 58). Die gegenteilige Auffassung hält die vollständige Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren für ungerechtfertigt, weil so der Erstattungsanspruch eines teilweise freigesprochenen Angeklagten häufig ins Leere gehe, was mit dem sich aus § 465 Abs. 2 StPO ergebenden Grundgedanken unvereinbar sei, dass der Angeklagte kostenmäßig so zu stellen sei, wie er gestanden hätte, wenn allein die zur Verurteilung führende Tat Gegenstand des Verfahrens gewesen wäre ( vgl. OLGe Celle NJW 2004,2396; Oldenburg StraFo 2007,127; Düsseldorf - 3. Strafsenat - NStZ-RR 1999,64). Der Senat, der die Streitfrage bisher nicht zu entscheiden hatte, schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Soweit er in einer älteren Entscheidung zum Recht der BRAGO eine andere Ansicht vertreten hat (SenE vom 10.05.1994 - 2 Ws 84/94 ), hält er hieran nicht fest. Dem Einwand der Gegenmeinung, die volle Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren würde in Teilfreispruchfällen den Erstattungsanspruch des Angeklagten gegen die Staatskasse unterlaufen, ist zum einen entgegenzuhalten, dass die gesetzliche Verrechnungsbestimmung des § 52 Abs. 1 S.2 RVG lediglich ein Ergebnis vorwegnimmt, das andernfalls durch Aufrechnung eintreten würde. Das Argument, der Erstattungsanspruch laufe bei voller Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren ins Leere, greift zu kurz, da der Verurteilte infolge der Anrechnung von den Pflichtverteidigergebühren entlastet wird, die er der Staatskasse gem. Nr. 9007 KV - Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 zum GKG - als Kosten des für das Verfahren gerichtlich bestellten Verteidigers schuldet. Dass der rechtsunkundige Laie die Rechtslage nicht nachvollziehen kann (so OLG Oldenburg StraFo 2007,127), ist kein tragfähiges Gegenargument. Zum anderen kann die Anwendung der Differenztheorie bei Teilfreisprüchen auch in anderen Fällen zum vollständigen Entfallen des Kostenerstattungsanspruchs führen, so etwa wenn ausscheidbare Mehrkosten für den Freispruchfall nicht feststellbar sind (zu einem solchen Fall s. Senat, Beschluss vom 04.01.2013 - 2 Ws 859/12 -).
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