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Entscheidungen

StPO

OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2013 - III 5 RVs 39/13

Gericht / Entscheidungsdatum: Unterzeichnung, Urteil, Unterschrift, Anforderungen

Leitsatz: 1. Auch wenn der Doktortitel als akademischer Grad nicht Bestandteil des Namens ist, kann seine Verwendung dem Schriftbild im Ganzen die nicht ohne weiteres nachzuahmenden charakteristischen Merkmale einer Unterschrift verleihen und so die Identität des Unterzeichners eindeutig erkennen lassen (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO).
2. Das Ziel, sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen, wird jedenfalls durch § 164 StGB nicht privilegiert.


In pp.
hat der 5. Strafsenat des OLG Hamm am 14.05.2013 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts H zurückverwiesen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - H hat den - strafrechtlich erheblich vorbelasteten - Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Das Amtsgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:

"Am 20. April 2011 befuhr der Angeklagte gegen 15:00 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Personenkraftwagen der Marke C3, amtliches Kennzeichen ##-## ##87, u.a. die D-Straße in H, wobei er unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis/THC stand. Zum Führen des Fahrzeugs war er - wie ihm bekannt war - nicht berechtigt, weil er zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrerlaubnis besaß.

Gegenüber dem ihn kontrollierenden Polizeikommissar S2 gab sich der Angeklagte am Anhalteort als sein Bruder P, geboren am 22. Februar 19##, aus, welcher im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Der Polizeibeamte suchte zusammen mit Polizeikommissarin G die Wohnanschrift des Angeklagten auf, um sich dessen Führerschein zeigen zu lassen. Aufgrund einer optischen Ähnlichkeit gelang es dem Angeklagten, die Polizeibeamten über seine Identität zu täuschen. Der Zeuge S2 ging nach Inaugenscheinnahme des vorgelegten Führerscheins des Bruders des Angeklagten P D davon aus, dass es sich bei der Person des Angeklagten um denjenigen handelt, für den sich der Angeklagte ausgab. Folgerichtig erstattete der Zeuge S2 gegen P D als vermeintlichen Fahrer des o.g. Pkw nach Vorliegen der Analyse der dem Angeklagten entnommenen Blutprobe eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen Fahrens unter Einfluss von Rauschmitteln. Dem Angeklagten war bei seinem Täuschungsmanöver bewusst, dass nunmehr gegen seinen Bruder P ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Fahrens unter Einfluss berauschender Mittel eingeleitet wurde. Ihm war klar, dass - sofern sich das Ergebnis des vor Ort durchgeführten Schnelltests bestätigen würde - sein Bruder mit einem empfindlichen Bußgeld und einem Monat Fahrverbot belegt werden würde. Dies war ihm jedoch gleichgültig, weil er auf diese Weise glaubte verhindern zu können, sich selbst eines Verfahrens wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auszusetzen, nachdem ihm diese aufgrund früherer Verfehlungen entzogen worden war, was ihm bewusst war.

Am 28. Juni 2011 wurde von der Bußgeldstelle der Stadt H gegen P D wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis/THC ein Bußgeldbescheid über einen Gesamtbetrag von 760,61 Euro erlassen, gleichzeitig wurde ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Gegen diesen Bußgeldbescheid der Stadt H vom 28. Juni 2011 legte der Bruder des Angeklagten, vertreten durch den jetzigen Verteidiger des Angeklagten, Einspruch ein. In diesem Verfahren wandte der Bruder des Angeklagten ein, nicht Fahrer des Fahrzeugs zur Tatzeit gewesen zu sein. Auf Antrag des Verteidigers des Adressaten des Bußgeldbescheids wurde die seinerzeit am 20. April 2011 asservierte Blutprobe mit einer nunmehr tatsächlich dem Angeklagten selbst entnommenen Blutprobe verglichen. Ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 22. Juni 2012 wurde rechtsmedizinisch festgestellt, dass die am Tattag entnommene Blutprobe mit derjenigen des Angeklagten identisch ist. Die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität E, Prof. Dr. med. D-U hat in ihrem schriftlichen Gutachten gemeinsam mit Prof. Dr. med. I und Dr. med. H sowie dem Dipl. B ausgeführt, dass die Häufigkeit der übereinstimmenden Merkmale aus biostatischer Sicht in unserer Bevölkerung bei 1 zu 1,6 Billionen Menschen steht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die beiden Blutproben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von ein und derselben Person stammen.

Das gegen den Bruder des Angeklagten gerichtete Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde mit dessen Zustimmung gem. § 47 OWiG auf Kosten der Landeskasse unter Erstattung der dem Bruder des Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen eingestellt."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel des Angeklagten ist als (Sprung-)Revision zulässig und hat auch in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg. Das angefochtene Urteil kann bereits wegen eines durchgreifenden Verstoßes gegen § 261 StPO keinen Bestand haben. Darüber hinaus sind auch die Strafzumessungserwägungen nicht frei von Rechtsfehlern.

1.

Die Revision rügt in zulässiger Form (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und in der Sache zu Recht, das Amtsgericht habe seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten (auch) auf ein nicht in die mündliche Verhandlung eingeführtes ärztliches Sachverständigengutachten gestützt. Aufgrund dessen liegt ein Verstoß gegen den in § 261 StPO normierten Grundsatz der Mündlichkeit vor, d.h. das Amtsgericht hat seine Überzeugung nicht (vollständig) aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.

Der Grundsatz der Mündlichkeit besagt, dass nur der mündlich vorgetragene und erörterte Prozessstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (BGH, Beschluss vom 10. August 1989 - 4 StR 393/89 -; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 261 Rdnr. 7). Die Verwertung ärztlicher Berichte bzw. Gutachten über eine entnommene Blutprobe und deren Auswertung setzt - sofern nicht der Sachverständige sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung abgibt - deren Verlesung nach § 256 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 4 StPO voraus.

Hier hat das Amtsgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe ausdrücklich auch auf das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums E vom 8. Oktober 2012 gestützt. Jedoch ist dieses Gutachten in der mündlichen Verhandlung weder verlesen noch in anderer Weise eingeführt worden. Das vorgenannte Gutachten war - auf Antrag des Verteidigers des Angeklagten - mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19. September 2012 eingeholt worden, um die Frage zu beantworten, ob der Bruder des Angeklagten als Fahrer (am Tattag des 20. April 2011) ausgeschlossen werden kann. Hierzu sollte ein Abgleich einer dem Bruder des Angeklagten zu entnehmenden Blutprobe mit der asservierten Blutprobe vom 20. April 2011 und der im vorliegenden Verfahren bereits eingeholten Blutprobe des Angeklagten stattfinden. Das unter dem 8. Oktober 2012 abgegebene schriftliche Gutachten ("Nachtrag zum Identitätsgutachten") gelangte zu dem Ergebnis, dass keine identischen Befunde vorliegen und aus rechtsmedizinischer Sicht die Proben nicht von ein und derselben Person stammen. Hierauf aufbauend hat das Amtsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt:

"Erwartungsgemäß kommt das daraufhin eingeholte Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität E am 8. Oktober 2012 zu dem Ergebnis, dass in 12 von 22 Untersuchungssystemen sich keine identischen Befunde ergeben. Die Sachverständige Prof. Dr. med. S-U führt in ihrem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten aus, dass die entnommenen und verglichenen Proben aus rechtsmedizinischer Sicht nicht ein und derselben Person stammen. Damit steht fest, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat unter dem Einfluss der berauschenden Mittel ein Kraftfahrzeug geführt hat. ..."

Gemäß § 274 StPO ist indes davon auszugehen, dass das Gutachten vom 8. Oktober 2012 - entgegen den vorstehenden Ausführungen im angefochtenen Urteil - tatsächlich nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Denn ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013 ist (nur) das ärztliche Gutachten vom 22. Juni 2012 verlesen worden. Das Protokoll enthält auch keinen Hinweis auf eine anderweitige Einführung des Gutachtens vom 8. Oktober 2012, etwa durch einen Bericht des Vorsitzenden. Auch hat die Staatsanwaltschaft auf die Verfahrensrüge hin keine Gegenerklärung abgegeben, sondern in einem Vermerk vom 17. April 2013 (Bl. 283 d.A.) niedergelegt, dass die Ausführungen in der Revisionsbegründung den Sachverhalt "in Bezug auf die Nichtverlesung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität E vom 08.10.2012 zutreffend wiedergeben".

Das Urteil beruht auch auf dem festgestellten Verfahrensfehler (§ 337 StPO). Zwar kann der erforderliche Zusammenhang zwischen Rechtsfehler und Urteil fehlen, wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass der Tatrichter ohne den Fehler zu demselben Ergebnis gelangt wäre; so kann es z.B. dann liegen, wenn sich der Rechtsfehler auf ein nur zusätzlich bestätigendes Indiz bezieht (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 2008, 358 [OLG Düsseldorf 16.07.2007 - III-5 Ss 105/07-57/07 I]). Jedoch kann der Senat im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei davon ausgehen, dass das Amtsgericht den Angeklagten auch ohne Zugrundelegung des Gutachtens vom 8. Oktober 2012 verurteilt hätte. Sicherlich diente dieses (Nachtrags-)Gutachten zuvorderst der Absicherung des Beweisergebnisses, das sich bereits nach dem Blutprobengutachten vom 22. Juni 2012 abgezeichnet hat. Hierfür spricht insbesondere die vom Tatrichter im Urteil gewählte Formulierung "Erwartungsgemäß kommt das daraufhin eingeholte Gutachten ... zu dem Ergebnis, dass...". Die gleichwohl verbleibenden Zweifel resultieren aus der Tatsache, dass das Amtsgericht - aus Sicht des Senats mit Recht - dem Beweisantrag des Verteidigers nachgekommen und das Nachtragsgutachten überhaupt eingeholt hat, weil bei nahen Verwandten regelmäßig eine höhere Übereinstimmung von Blutmerkmalen vorhanden ist. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass sich das Amtsgericht dahingehend vergewissern wollte, dass der Bruder des Angeklagten als Fahrer sicher auszuschließen ist. Nur für diesen Fall konnte das Amtsgericht mit der notwendigen Sicherheit die Täterschaft des Angeklagten selbst feststellen.

2.

Neben der Verfahrensrüge hat auch die Sachrüge Erfolg.

Entgegen der Revisionsrechtfertigung ist zwar von einer wirksamen Unterzeichnung des Urteils gem. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO auszugehen. Auch tragen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine Verurteilung wegen falscher Verdächtigung (§ 164 Abs. 2 StGB). Jedoch sind die Strafzumessungserwägungen nicht frei von Rechtsfehlern.

a)

Die ordnungsgemäß erhobene Rüge der Verletzung des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO ist nicht begründet. Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Ansicht genügt die Unterzeichnung des Urteils noch den Anforderungen, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden.

Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Die Unterschrift soll gewährleisten, dass das Schriftstück auch tatsächlich vom Unterzeichner herrührt. Deshalb reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen zu versehen (vgl. BGH, NJW 1985, 1227 [BGH 11.10.1984 - X ZB 11/84]; NJW 1997, 3380, 3381 [BGH 10.07.1997 - IX ZR 24/97]; OLG Köln, NStZ-RR 2011, 348, 349; BayObLG, NStZ-RR 2003, 305, 306; OLG Oldenburg, NStZ 1988, 145). Der Bundesgerichtshof hat ergänzend - im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz - darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen kein Zweifel an der Urheberschaft bestünde, ein "großzügiger Maßstab" anzulegen sei (so BGH, NJW 1997, 3380, 3381 [BGH 10.07.1997 - IX ZR 24/97], vgl. auch BFH, NJW 2000, 607). Der Senat folgt der bereits vom BayObLG (a.a.O.) vertretenen Ansicht, dass die vorstehenden Grundsätze auch für die Unterzeichnung eines Urteils durch den Strafrichter gem. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO heranzuziehen sind.

Die hier zu beurteilende Unterschrift ist ein Grenzfall. Die Zweifel, die der Verteidiger des Angeklagten vorgetragen hat, sind nicht von der Hand zu weisen. Der Senat hält gleichwohl in einer Gesamtschau den Schriftzug für noch ausreichend, um von einer wirksamen Unterzeichnung gem. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO auszugehen. Im Rahmen dieser Gesamtschau ist auch der dem Namenszug vorangestellte Hinweis auf den Doktortitel des Unterzeichners ("Dr.") zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel stammt das Urteil von dem Richter, der die Hauptverhandlung geleitet hat. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013, alle während des Verfahrens gefassten Beweisbeschlüsse sowie die Ladungs- und Zustellungsverfügungen sind in gleicher Weise - wenn auch teils ohne Voranstellung des Doktortitels - unterzeichnet. Der Schriftzug des Unterzeichners ist dem Senat darüber hinaus auch aus anderen Verfahren bekannt und kann eindeutig dem erkennenden Tatrichter - Richter am Amtsgericht Dr. S - zugeordnet werden.

Der Schriftzug ist auch hinreichend individuell gestaltet und geht über die Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader) bzw. geschlängelter Linien, die in keinem erkennbaren Bezug zu den Buchstaben des Namens stehen und daher für eine wirksame Unterzeichnung nicht genügen (vgl. nur OLG Köln, a.a.O.), hinaus. Insoweit kann dahinstehen, ob allein in dem mehrfach auf- und abwärts geschwungenen Bogen der Anfangsbuchstabe des Nachnamens ("R") hinreichend zu erkennen ist oder jedenfalls der Endbuchstabe ("r") eindeutig zu lesen ist. Denn jedenfalls durch die klar zu erkennende Voranstellung des Doktortitels ("Dr.") wird die individuelle Charakteristik der Unterschrift hergestellt. Auch wenn der Doktortitel als akademischer Grad nicht Bestandteil des Namens ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. August 2012 - 11 W 1282/12 -; Zimmermann, MDR 1997, 224 m. w. Nachw.), kann seine Verwendung dem Schriftbild im Ganzen die nicht ohne weiteres nachzuahmenden charakteristischen Merkmale einer Unterschrift verleihen und so - wie im vorliegenden Fall - die Identität des Unterzeichners eindeutig erkennen lassen.

Aufgrund der deutlich lesbaren Voranstellung des Doktortitels bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Richter das Urteil mit seinem vollen Namen hat unterschreiben wollen. Demgegenüber sprichts nichts dafür, er habe das Urteil nur für den inneren Betrieb mit einer Abkürzung seines Namens abzeichnen ("paraphieren") wollen.

Unter Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes sind insgesamt die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung gegeben.

b)

Auch geht die Revision zu Unrecht davon aus, die getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts würden eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Vorwurfs falscher Verdächtigung (hier: § 164 Abs. 2 StGB) nicht tragen.

Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 164 Abs. 2 StGB steht nach den getroffenen Feststellungen außer Frage. Der Angeklagte hat bei einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger (§ 158 Abs. 1 StPO) durch Vorlage eines auf seinen Bruder ausgestellten Führerscheins wider besseres Wissen die Behauptung aufgestellt, dieser sei Fahrer gewesen. Diese Behauptung war geeignet, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Bruder wegen eines Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG herbeizuführen, weil die Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis/THC durchgeführt worden war.

In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand der falschen Verdächtigung zum einen (zumindest bedingten) Vorsatz hinsichtlich der vorgenannten objektiven Tatbestandsmerkmale voraus. Insbesondere muss dem Täter Vorsatz hinsichtlich der Eignung der von ihm aufgestellten Behauptung zur Herbeiführung eines behördliches Verfahrens nachzuweisen sein. Diesen Vorsatz hat das Amtsgericht zu Recht unter Hinweis auf das dem Angeklagten bekannt gewordene Ergebnis des vor Ort durchgeführten Schnelltests bejaht. Dieser auf freiwilliger Basis vorgenommene Drogenvortest war hinsichtlich des Wirkstoffs THC positiv ausgefallen, weshalb die Polizeibeamten - wie vom Amtsgericht festgestellt - die Entnahme einer Blutprobe veranlasst und zugleich den Angeklagten in dessen Wohnung begleitet haben, um sich den Führerschein zeigen zu lassen und dessen Identität zu ermitteln. Spätestens nach dem Ergebnis des Schnelltests wird der Angeklagte zumindest die Möglichkeit gesehen haben, dass er die Fahrt unter Drogeneinfluss vorgenommen hat, selbst wenn er meinte, die Drogen einige Tage zuvor konsumiert zu haben. Mit dieser Erkenntnis und der daraus folgenden Bedeutung für die Herbeiführung eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 OWiG hat er sich zudem abgefunden bzw. diese billigend in Kauf genommen.

Soweit § 164 Abs. 2 StGB darüber hinaus die Absicht des Täters erfordert, ein behördliches Verfahren gegen den Verdächtigten herbeizuführen, reichen die Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenfalls aus. Denn die erforderliche Absicht ist nicht nur dann gegeben, wenn der Täter die Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens gegen einen anderen bezweckt (dolus directus 1. Grades), sondern auch, wenn der Täter sicher weiß (dolus directus 2. Grades), dass ein solches behördliches Tätigwerden die notwendige Folge seiner unrichtigen Behauptung ist (vgl. BGHSt. 18, 204, 206; OLG Koblenz, NZV 2011, 93; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 244; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 164 Rdnr. 13). Daraus folgt, dass auch derjenige den Tatbestand des § 164 StGB verwirklichen kann, der sich selbst durch eine unwahre Behauptung vor Strafverfolgung schützen will, dabei aber sicher weiß, dass seine Angaben ein gegen einen Dritten gerichtetes behördliches Verfahren zur Folge haben, wobei es genügt, wenn der Täter in diesem Sinne die Einleitung eines Verfahrens bezweckt, auch wenn er an dessen weitere Durchführung nicht glaubt (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; Fischer, a.a.O.). Ausweislich der getroffenen Feststellungen wusste der Angeklagte sicher, dass die Vorlage des "falschen" Führerscheins jedenfalls zur Einleitung eines Verfahrens gegen seinen Bruder führen würde. Diese Feststellung wird entscheidend durch den Umstand getragen, dass dem Angeklagten aufgrund des noch vor Ort durchgeführten Schnelltests bewusst gewesen bzw. geworden ist, unter Drogeneinfluss gefahren zu sein. Aufgrund dessen wusste er sicher, dass sein Täuschungsmanöver zwingend Ermittlungen gegen seinen Bruder nach sich ziehen würde. Die Herbeiführung dieser Ermittlungen war somit notwendige Folge seiner unrichtigen Behauptung und zugleich aus seiner Sicht unumgänglich, um sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen. Das Ziel, sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen, wird indes im Anwendungsbereich des § 164 StGB - jedenfalls auf Tatbestandsebene - nicht privilegiert. Denn weder aus dem Recht zu schweigen (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) noch aus dem Selbstbegünstigungsprivileg des § 258 Abs. 5 StGB kann ein Recht hergeleitet werden, Dritte durch aktive Falschbezichtigung der Strafverfolgung bzw. einem behördlichen Verfahren auszusetzen (vgl. Fischer, a.a.O., § 164 Rdnr. 3a m. w. Nachw.).

Demzufolge ist das Amtsgericht im weiteren Verfahren nicht daran gehindert, den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung zu verurteilen, sofern es die vorstehenden Feststellungen erneut zu treffen vermag.

c)

Die Sachrüge hat insoweit Erfolg, als die Strafzumessungserwägungen nicht frei von Rechtsfehlern sind.

Soweit das Amtsgericht - gleichsam apodiktisch - ausführt, "zu Gunsten des Angeklagten spreche vorliegend nichts", kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn § 164 StGB auf tatbestandlicher Ebene kein Selbstbegünstigungsprivileg vorsieht, so ist doch im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd zu bewerten, dass der Angeklagte aus dem im Grundsatz verständlichen Motiv heraus gehandelt hat, sich selbst vor Strafverfolgung schützen zu wollen. Auch ist die Tat aus einem spontan gefassten Entschluss heraus begangen worden und nicht etwa - soweit nach den getroffenen Feststellungen ersichtlich - aufgrund eines längerfristig ausgesonnenen Tatplans, der in besonderem Maße auf eine rechtsfeindliche Gesinnung schließen lassen könnte.

Entgegen der Revisionsrechtfertigung kann dem angefochtenen Urteil allerdings nicht entgegen gehalten werden, ein fehlendes Geständnis bzw. zulässiges Verteigungsverhalten seien strafschärfend bewertet worden. Denn das Amtsgericht hat sich - wenn auch in unnötiger Schärfe - inhaltlich auf die Aussage beschränkt, das Prozessverhalten des Angeklagten habe keinen Anlass zu einer Strafmilderung gegeben.

Selbstverständlich konnte das Amtsgericht die zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten strafschärfend berücksichtigen, auch soweit die einschlägigen Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bereits mehrere Jahre zurückliegen. Dass der Angeklagte die Tat während einer noch laufenden Bewährungszeit begangen hat, kann ebenfalls zu seinem Nachteil bewertet werden. Allerdings wird das Amtsgericht insoweit - für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten - zu dessen Gunsten zu bedenken haben, dass ggfs. hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts H vom 15. Juli 2010 verhängten Freiheitsstrafe von 6 Monaten ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung droht, d.h. der Angeklagte hat durchaus die Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe zu vergegenwärtigen. Dieser Gesichtspunkt ist nicht zuletzt bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB in den Blick zu nehmen.

Abschließend weist der Senat für das weitere Verfahren darauf hin, dass zwar ein langer Zeitabstand zwischen Tat und Verurteilung regelmäßig ebenso strafmildernd wirkt wie eine lange Dauer des Verfahrens selbst (vgl. BGH, NStZ-RR 1999, 108 [BGH 25.11.1998 - 2 StR 496/98]; NJW 1990, 56 [BGH 06.09.1988 - 1 StR 473/88]), und zwar unabhängig von den Gründen für die eingetretene Verzögerung (vgl. KG, StV 1990, 694), dass jedoch im vorliegenden Fall - bislang - weder eine besonders lange Verfahrensdauer noch ein besonders langer Zeitablauf seit der Tat zu verzeichnen sind. Vor allem aber sind konkret nachteilige Auswirkungen der bisherigen Verfahrensdauer auf den Angeklagten nicht ersichtlich. Einer weitergehenden Kompensation als derjenigen, dass eine etwaige Verfahrensverzögerung festgestellt wird, bedarf es nicht, wenn der Angeklagte während des Verfahrens nicht inhaftiert und auch sonst eine besondere Belastung nicht erkennbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 1 StR 363/09 -; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2012 - 5 RVs 100/12 -).

III.

Aufgrund der aufgezeigten Rechtsmängel war das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts H zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - nach § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.

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