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Entscheidungen

OWi

Akteneinsicht, Bußgeldverfahren, Bedienungsanleitung, Einscannen

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Rüsselsheim, Beschl. v. 09.04.2013 - 24 OWi 14/13

Leitsatz: Dem Betroffenen ist über seinen Verteidiger Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung der bei einer Geschwindigkeitsmessung verwendeten Messgerätes durch Beifügung der Anleitung zur Akte und Übersendung der Akte in dessen Kanzleiräume zu gewähren. Auch in den Beschilderungsplan und die Lebensakte — soweit diese geführt wird — ist Akteneinsicht zu gewähren, durch Übersendung entsprechender Kopien derselben oder Mitteilung bezüglich erfolgter Reparaturen und Wartungen im relevanten Zeitraum. Verfahren zumutbar, zumindest auf Antrag des Verteidigers Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren. Ggf. ist die Bedienungsanleitung einzuscannen und an den Verteidiger elektronisch zu übersenden.


Amtsgericht Rüsselsheim 09.04.2013
24 OWi 14/13
In der Bußgeldsache gegen pp.
Verteidiger: wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Rüsselsheim durch den Richter am 09.04.2013 beschlossen:
Dem Betroffenen ist über seinen Verteidiger Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgerätes PoliScanSpeed des Herstellers Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH, Hasengartenstraße 14, 65189 Wiesbaden, durch Beifügung der Anleitung zur Akte und Übersendung der Akte in dessen Kanzleiräume zu gewähren.
Auch in den Beschilderungsplan und die Lebensakte — soweit diese geführt wird — ist Akteneinsicht zu gewähren, durch Übersendung entsprechender Kopien derselben oder Mitteilung bezüglich erfolgter Reparaturen und Wartungen im relevanten Zeitraum.
Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstanden Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
Der Verteidiger beantrage mit Schreiben vom 19.03.2013 an das Regierungspräsidium Kassel unter anderem Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes, den Beschilderungsplan und Wartungsnachweise. Bei Ablehnung dieser Anträge stellt der Verteidiger sogleich Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG.

Mit Schreiben vom 20.03.2013 gewährte das Regierungspräsidium Kassel dem Verteidiger Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung in den Räumlichkeiten des Polizeipräsidiums Südhessen. Außerdem verwies es auf die Möglichkeit die Bedienungsanleitung vom Hersteller zu beziehen. Eine Übersendung der Anleitung lehnte es ab.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

Die Versagung der Akteneinsicht ist entgegen der Behauptung der Verwaltungsbehörde im Schreiben vom 20.03.2013 nicht unanfechtbar. Es handelt sich bei der Versagung der Akteneinsicht um eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde der eine selbstständige Bedeutung zukommt gegen die gemäß § 62 OWiG gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann (Göhler, OWiG, 15. Aufl. 2009, § 62 Rn. 3, AG Lüdinghausen: Beschluss vom 09.02.2012 - 19 OWi 19/12).

Grundsätzlich besteht ein Einsichtsrechts des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes.

Dieses Recht ist dem Verteidiger auch durch Hinzunahme der Bedienungsanleitung zur Akte und Übersendung an diesen zu gewähren (so AG Bremervörde 06.09.2011, 11 OWi 91/1; AG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2011 - 1 OWl 127/11; AG Heidelberg, Beschluss vom 31.10.2011 - 3 OWi 510 Js; AG Ellwangen - 5 OWi 146/10; AG Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2010, LG Eilwangen in DAR 2011, 418).

Der Überlassung der Bedienungsanleitung steht auch kein wichtiger Grund entgegen. Insbesondere ist es der Verwaltungsbehörde, gerade vor dem Hintergrund der Masse der Verfahren zumutbar, zumindest auf Antrag des Verteidigers Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren. Es besteht insofern die Möglichkeit die Bedienungsanleitungen einzuscannen und an den Verteidiger elektronisch zu übersenden. Im Vergleich zum Zeitaufwand, der für die Ablehnung des Antrages und der anschließenden gerichtlichen Entscheidung notwendig ist, vermag die Begründung der Verwaltungsbehörde nicht zu überzeugen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gericht durch Nachfrage bei den Herstellern die Bedienungsanleitung per Email zugesandt und auch die Erlaubnis zur Weitergabe an Verfahrensbeteiligte erteilt bekommen hat. Dies trifft auch für die maßgebliche Bedienungsanleitung für das Gerät PoliScanSpeed zu.

Eine Anreise des Verteidigers vom Kanzleisitz in Münster zum Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt ist dagegen nicht zumutbar und würde dem Grundsatz eines fairen Verfahrens widersprechen.

Auch bezüglich des Beschilderungsplanes besteht ein Anspruch auf Akteneinsicht bzw. auf Hinzuziehung zur Akte. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör folgt, dass diese Dokumente, die sich bei der Verwaltungsbehörde oder der Polizeidienststelle befinden dem Verteidiger zur Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Einspruchs zugänglich zu machen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG in Verbindung mit § 473 StPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).

Einsender: RA M. Rhode, 48143 Münster

Anmerkung:


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