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Verständigung; Voraussetzungen der Mitteilungspflicht; notwendiges Rügevorbringen
Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 26.08.2013 (4) 161 Ss 129/13 (158/13)
Leitsatz: 1. Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO setzt voraus, dass überhaupt Gespräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO abzielten, also bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer solchen Verständigung im Raum standen, nicht aber bei Erörterungen, die mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind. 2. Deshalb muss ein Revisionsführer, der eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügen will gegebenenfalls nach Einholung von Erkundigungen beim Instanzverteidiger nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt Gespräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung abzielten.
KAMMERGERICHT Beschluss Geschäftsnummer: (4) 161 Ss 129/13 (158/13)
In der Strafsache gegen pp. wegen Betruges u.a.
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 26. August 2013 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 2013 wird auf ihre Kosten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Der Senat bemerkt ergänzend zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin lediglich das Folgende:
1. Die Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO verhilft dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, weil die Revision keinen bestimmten Rechtsfehler behauptet.
Der Verfahrensbeschwerde liegt im Kern das Vorbringen zugrunde, man-gels einer entsprechenden Mitteilung durch die Strafkammervorsitzende in der Berufungshauptverhandlung sei für die Öffentlichkeit unklar geblieben, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung durch das Gericht die Rechtsmit-telbeschränkung ins Feld geführt worden sei und ob es hierfür möglich-erweise zwischen den Zeilen irgendwelche Andeutungen zum dann mögli-chen Ausgang des Verfahrens seitens des Gerichts gegeben haben kann.
Nach dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Das Gebot, hinsichtlich eines Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Haupt-verhandlung (umfassende) Transparenz herzustellen, dient der Gewähr-leistung einer Kontrolle verständigungsbasierter Urteile. Die hierzu ge-schaffene Mitteilungspflicht setzt demgemäß voraus, dass überhaupt Ge-spräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO abzielten. Sie greift nur dann ein, wenn bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer solchen Verständigung im Raum standen, nicht aber bei Erörterungen, die mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis dem Regelungskonzept des Verstän-digungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen sind. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO soll also entgegen der Auffassung der Revision nicht etwa jegliche (irgendwelche) Gespräche transparent machen, die lediglich un-ter Aufbietung von Mutmaßungen oder Unterstellungen eine Verbindung zu einem (von den Beteiligten tatsächlich nicht ins Auge gefassten) be-stimmten Verfahrensergebnis erhalten könnten. Deshalb muss ein Revisi-onsführer, der eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügen will, gegebenenfalls nach Einholung von Erkundigungen beim Instanzverteidi-ger (vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 344 Rn. 22 m.w.N.) bestimmt behaupten und konkret darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in wel-cher Form und mit welchem Inhalt Gespräche stattgefunden haben, die auf eine Verständigung abzielten. Denn das bloße Fehlen einer Mitteilung reicht nicht aus, um einen vom Revisionsführer darzulegenden Rechtsfehler zu begründen (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 2 StR 47/13 [juris]).
An einem solchen Vortrag fehlt es hier. Das Vorliegen eines transparent zu machenden Verständigungsgeschehens, eine wie auch immer gearte-te Verknüpfung der stattgefundenen Erörterungen (über eine mögliche Begrenzung der Berufungshauptverhandlung durch eine Rechtsmittelbe-schränkung) mit einem bestimmten Verfahrensausgang oder auch nur ei-nem Verhalten des Berufungsgerichts, wird von der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise und sei es auch nur durch die Darlegung (ggf. unausgesprochen gebliebener) konkreter Vorstellungen eines der Beteilig-ten von einer bestimmten Rechtsfolgenentscheidung behauptet. Dies führt gemäß § 344 Abs. 2 StPO zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge.
Diese wäre im Übrigen angesichts der von der Revision mitgeteilten Inhal-te der (jeweils schriftlichen) Anfrage der Kammervorsitzenden an die In-stanzverteidigerin einerseits und deren Antworten andererseits mangels eines Bezugs zu einer Verständigung (im Sinne einer Vereinbarung des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten) jedenfalls unbegründet. Auf die Frage eines Beruhens des Urteils auf einem in diesem Zusammenhang zu unterstellenden Rechtsfehler (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 3 StR 426/11 ; OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 32 Ss 87/11 , beide zitiert nach juris), das zweifellos ausge-schlossen wäre, käme es nicht an.
2. Das Landgericht hat die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfol-genausspruch mit Recht als wirksam angesehen.
a) Dass das Amtsgericht bei einem Teil der Taten möglicherweise zu Un-recht Tatmehrheit statt Tateinheit angenommen hat, steht der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung wie auch sonst in Fällen eines fehlerhaften Schuldspruchs, wenn nicht bei richtiger Rechtsanwendung ein Freispruch hätte erfolgen müssen nicht entgegen (vgl. nur BGH NStZ-RR 1996, 267 [Ls], Volltext bei juris; BayObLG NStZ 1988, 570, 571; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2004, 74, 75; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345; NZV 2008, 371; OLG Köln VRS 110, 120; Senat, Beschluss vom 30. März 2004 [4] 1 Ss 65/04 [24/04] ; s.a. Meyer-Goßner aaO, § 318 Rn. 17a).
b) Soweit die Revisionsverteidigung annimmt, die Berufungsbeschränkung sei unwirksam gewesen, weil das amtsgerichtliche Urteil nicht die Anforde-rungen erfülle, die der Bundesgerichtshof nach Maßgabe etwa von BGH NStZ 2003, 313 an die Begründung des Irrtums als Merkmal des Betrug-statbestands insbesondere bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen stelle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Revision bedenkt nicht, dass die Beurteilung der Frage, ob der Entscheidung eines Angeklagten, den gegen ihn ergangenen Schuldspruch zu akzeptieren, die vom Ausgangs-gericht getroffenen Feststellungen gegen sich gelten zu lassen und in der Rechtsmittelinstanz lediglich den Strafausspruch überprüfen zu lassen, Geltung zu verschaffen ist, nicht nach denselben Maßstäben erfolgt wie die revisionsgerichtliche Überprüfung eines vom Angeklagten angefochte-nen Schuldspruchs.
aa) Eine wirksame Beschränkung ist nur in denjenigen Fällen nicht mög-lich, in denen Schuldspruch und Strafzumessung so eng miteinander ver-knüpft sind, dass eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre, ohne den nicht mitangefochtenen Schuldspruch zu berüh-ren. Ansonsten gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren (vgl. BGHSt 29, 359, 364; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2003, 23 m.w.N.). Deshalb kann und darf das Rechtsmittelgericht regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, und führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenden Teils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung. Das gilt auch, wenn infolge der Unvollständigkeit die Feststellungen für die erneut vorzunehmende Strafzumessung zu ergänzen sind, solange die neu zu treffenden Feststellungen den bindend gewordenen nicht widersprechen und der Schuldspruch als solcher davon nicht betroffen sein kann.
Die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur dann unwirksam, wenn die Feststellungen des Erstgerichts zum Tatge-schehen so dürftig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Un-rechts- und Schuldgehalt der Tat(en) nicht einmal in groben Zügen erken-nen lassen und daher keine ausreichende Grundlage für die Rechtsfol-genentscheidung bilden können (vgl. BayObLG NStZ 1988, 570; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345; NZV 2008, 371 Meyer-Goßner aaO, Rn. 16 m.w.N.), weshalb die sonst in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ausnahmsweise zu verneinen ist (vgl. BGHSt 33, 59; BayObLG NStZ-RR 2003, 310; BayObLGSt 1994, 253, 254).
Wenn der Schuldspruch unzureichend begründet ist, hindert dies also nicht, ihn durch Rechtsmittelbeschränkung von der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht auszunehmen, sofern nicht die o.g. Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls würde das Institut der Rechtsmittelbeschränkung zur Bedeutungslosigkeit abgestuft, weil die Wirksamkeit der Beschränkung so lange in der Schwebe wäre, bis durch das Rechtsmittelgericht festge-stellt wird, ob der Schuldspruch richtig ist oder nicht (vgl. BayObLGSt 1993, 84 m.w.N.). Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsmittelbe-schränkung hat das Berufungsgericht einen gewissen Beurteilungsspiel-raum (vgl. Meyer-Goßner aaO, Rn. 8).
bb) Die Feststellungen des Amtsgerichts ließen den Unrechts- und Schuldgehalt auch der Taten des Betruges und versuchten Betruges hin-reichend mehr noch als nur in groben Zügen erkennen und boten damit dem Berufungsgericht eine ausreichende Grundlage für die (von der Revision auch nicht näher beanstandete) rechtsfehlerfrei begründete Rechtsfolgenentscheidung. Dass die Angeklagte mit dem Ziel der unbe-rechtigten Erlangung von Vermittlungsprovisionen unter Herstellen und Vorlegen gefälschter Anträge auf Abschluss von Rentenversicherungsver-trägen (überwiegend fiktiver Personen) betrügerisch agierte und die Täu-schung des mit den Anträgen bei dem jeweiligen Versicherer befassten Personals beabsichtigte sowie auf dessen irrtumsbedingte Verfügungen setzte und dieses Ziel zum Teil auch erreichte, steht nach den Feststel-lungen außer Frage. Zwar trifft es zu, dass ein Versicherer in Gestalt einer juristischen Person als solcher nicht getäuscht werden und irren kann. Da-rauf kam es für das Landgericht aber nicht an. Ein Fall, in dem die Mög-lichkeit des Fehlens tatbestandlicher Voraussetzungen ernstlich in Be-tracht kommt und die Strafbarkeit nach § 263 StGB im Grundsatz in Frage steht, etwa weil eine automatisierte Bearbeitung der Anträge im Raum steht und deshalb Feststellungen zur getäuschten und irrenden Person erforderlich sind (vgl. dazu etwa Senat, Beschluss vom 5. März 2008 [4] 1 Ss 428/07 [315/07] für den Fall der Bearbeitung von Überweisungsträgern in Bankverkehr), liegt hier nicht vor. Feststellungen dazu, welche genauen Vorstellungen welcher konkrete Sachbearbeiter in jedem einzelnen Fall der fingierten, mit Totalfälschungen angebrachten Anträge hatte, waren nicht Voraussetzung für eine sachgerechte Rechtsfolgenentscheidung des Landgerichts. Der Senat brauchte bei dieser Sachlage auch nicht anhand des Akteninhalts im Wege des Freibeweises zu prüfen (vgl. dazu Meyer-Goßner aaO m.w.N.), ob die Berufungskammer die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen hat. Das Landgericht hatte die von der Angeklagten als Berufungsführerin getroffene Entscheidung, den Schuldspruch nicht zur Überprüfung zu stellen, zu respektieren; es war ihm infolge der eingetretenen Teilrechtskraft verwehrt, den Schuldspruch zu überprüfen oder zu ändern. Dass, wie die Verteidigung meint, das Urteil des Amtsgerichts eine vergleichbar schwerwiegende Lücke aufweist, wie das Urteil in dem von ihr angeführten Fall BGH NStZ 1994, 130, in welchem sich aus den tatrichterlichen Feststellungen weder das Tatobjekt (einer schweren Brandstiftung nach § 306 Nr. 2 StGB) noch die Tathandlung (des In-Brand-Setzens) hinreichend ergab, trifft nicht zu.
3. Die auf die Sachrüge noch gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils auf sonstige Rechtsfehler hat solche zum Nachteil der Angeklagten nicht zutage gefördert; das Landgericht hat insbesondere zu Recht eine Gesamtstrafe gebildet (vgl. dazu etwa die unter 2. a) genannte Entscheidung des BGH).
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