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Entscheidungen

Haftfragen

Privatkleidung, Rockerkluft, Tragen, Untersagung, JVA

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, 29.01.2013 - 1 Vollz (Ws) 659/12

Leitsatz: Das Strafvollzugsgesetz sieht eine große Bandbreite von der weitgehenden Genehmigung des Tragens von Privatkleidung bis zum gesetzlichen Regelfall ihres völligen Ausschlusses vor. Hintergrund der Vorschrift sind Sicherheitserwägungen. Diesem Zweck entsprechend ist es zulässig, wenn die Justizvollzugsanstalt das Verbot des Tragens von Privatkleidung mit der Vermeidung von Konflikten rivalisierender Gruppen begründet.


Strafvollzugssache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des OLG Hamm am 29.01.2013 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer sitzt der Betroffene mindestens seit dem Jahre 2011 in der JVA H ein. Er ist Mitglied der "######" und erhielt im Jahre 2011 im Vollzug einen anonymen Drohbrief. Mit Verfügung vom 20.10.2012 (richtig: 20.01.2012) untersagte der Leiter der JVA H allen Gefangenen und Besuchern das Tragen von Kleidung mit Symbolen oder Aufdrucken, welche die Zugehörigkeit zu einer Rockergruppe erkennen lässt.
Hiergegen hat sich der Betroffene mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Den Antrag hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen, weil es im Ermessen des Leiters der Justizvollzugsanstalt liege, inwieweit er das Tragen von Privatkleidung gestatte. Zur Sicherstellung eines geordneten Zusammenlebens bedürfe es des Verbotes, um Provokationen rivalisierender Rockerclubs zu vermeiden.
Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er meint, eine Nachprüfung sei zur Fortbildung des Rechts geboten, da der Leiter der JVA das Tragen der entsprechenden Bekleidung zunächst sieben Monate gestattet und insoweit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Das Tragen der entsprechenden Kleidung führe nicht zu Störungen in der Anstalt. Dazu habe weder der Leiter der Justizvollzugsanstalt noch das Landgericht etwas ausgeführt.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat ausgeführt, dass seines Erachtens ein Zulassungsgrund nicht vorliege.
II.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG zur Fortbildung des Rechts zu, um Leitsätze für den Maßstab, an dem die Gestattung des Tragens von Privatkleidung zu messen ist, aufzustellen.
III.
Die - auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Nach § 20 Abs. 1 StVollzG ist der Grundsatz, dass der Gefangene Anstaltskleidung zu tragen hat. § 20 Abs. 2 S. 2 StVollzG gibt dem Anstaltsleiter lediglich die Möglichkeit, zu gestatten, Privatkleidung zu tragen, sofern der Gefangene für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt. Bei § 20 StVollzG handelt es sich um ein allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG.
Bei der Entscheidung nach § 20 Abs. 2 S. 2 StVollzG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. BT-Drs. 7/918 S. 56), die nur im Rahmen des § 115
Abs. 5 StVollzG gerichtlich überprüfbar ist. Das Gericht prüft daher lediglich nach,
ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen nicht oder nicht in einer nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl. § 115 Rdn. 13 m.w.N.).
Derartige Ermessensfehler sind hier nicht gegeben. Die Grenzen des Ermessens sind ersichtlich eingehalten, denn das Gesetz sieht eine große Bandbreite von der weitgehenden Genehmigung des Tragens von Privatkleidung bis zum gesetzlichen Regelfall ihres völligen Ausschlusses vor. Hintergrund der Vorschrift sind Sicherheitserwägungen (Arloth a.a.O. § 20 Rdn. 1; vgl. auch: BT-Drs. 7/918 S. 56). Dem Zweck der Ermächtigung hat die Justizvollzugsanstalt dementsprechend Rechnung getragen, wenn sie das Verbot der Ermächtigung mit der Vermeidung von Konflikten rivalisierender Gruppen begründet. Dass es noch zu keinen Zwischenfällen in der Justizvollzugsanstalt gekommen ist, steht dem nicht entgegen. Angesichts der allgemein bekannten gewalttätigen Rivalitäten bestehender Rockergruppen ist es durchaus nicht fernliegend, dass sich diese auch innerhalb des Strafvollzuges entfalten, wenn Angehörige verschiedener Gruppen als solche offen erkennbar aufeinander treffen. Dass es bisher noch nicht zu entsprechenden Auseinandersetzungen gekommen ist, besagt noch nicht, dass eine solche Gefahr nicht bestünde. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt kommt mit einer entsprechenden Einschränkung des Rechts zum Tragen von Privatkleidung letztlich nur seinem Auftrag nach, schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 2 StVollzG), indem er etwaigen körperlichen Übergriffen, die durch die erkennbare Gruppenzugehörigkeit provoziert werden könnten, entgegenwirkt. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat sein Ermessen auch ausgeübt, indem er nicht etwa Privatkleidung generell verboten hat und damit zum gesetzlichen Regelfall übergegangen wäre, sondern eben die Erlaubnis zum Tragen von Privatkleidung nur partiell eingeschränkt hat. Damit hat er insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.
Der Betroffene kann sich auch nicht erfolgreich auf einen Vertrauensschutz berufen (etwa weil er nach der Bedrohungssituation noch geraume Zeit die inkriminierten Symbole auf seiner Kleidung hat tragen dürfen). Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vertrauensschutzgrundsatz u.a. aus (BVerfG, Beschl. v. 03.05.2012 - 2 BvR 2355/10 - [...]):
"Soll eine einmal gewährte Rechtsposition wieder entzogen werden, so ist das - grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgende - Gebot des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 59, 128 [BVerfG 16.12.1981 - 1 BvR 898/79] <164 f.> m.w.N.). Dieses fordert nicht, dass jegliche einmal erworbene Rechtsposition Bestand hat; es nötigt aber zu der an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ausgerichteten, im Einzelfall vorzunehmenden Prüfung, ob jeweils die Belange des Allgemeinwohls oder das Interesse des Einzelnen am Fortbestand einer Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat und auf die er vertraute, den Vorrang verdienen."
Gemessen an diesen Vorgaben liegt ein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz nicht vor. Die körperliche Integrität der Gefangenen, die Vermeidung gewalttätiger Auseinandersetzungen und das Erreichen des Vollzugszieles sind Rechtsgüter von hohem Gewicht. Das Vertrauen des Betroffenen darauf, weiterhin Privatkleidung mit Symbolen von Gruppierungen zu tragen, welche zu Spannungen beim Zusammentreffen mit Angehörigen verfeindeter Gruppen führt, ist demgegenüber deutlich nachrangig. Der Betroffene kann bei einer solchen Sachlage - auch bei einer eventuell zögerlichen Reaktion der Anstaltsleitung bis zu einem entsprechenden Verbot - nicht ernsthaft darauf vertrauen, er dürfe solche Symbole uneingeschränkt auch in Zukunft tragen.
III.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen gem. § 121 Abs. 2 StVollzG zur Last.
IV.
Mangels Erfolgsaussicht war das Prozesskostenhilfegesuch zurückzuweisen (§ 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 114 ZPO).

Einsender: entnommen jurion.de

Anmerkung:


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