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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 01.10.2013 - 3 Ss 986/13
Leitsatz: Mit der Feststellung, der Angeklagte habe bestimmte Artikel in einem Selbstbedienungsmarkt "an sich genommen, um diese für sich zu behalten, wird die für den Diebstahl charakteristische Tathandlung der Wegnahme nicht hinreichend belegt. Insbesondere bleibt offen, ob es bereits zu einem Gewahrsamsbruch ge-kommen oder lediglich von einer Gewahrsamslockerung auszugehen ist.
Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 1. 10. 2013 - 3 Ss 96/13 Zum Sachverhalt: Das AG hat den Angekl. wegen Diebstahls und Diebstahls mit Waffen zur Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angekl. Berufung eingelegt, die das LG mit der Maßgabe verworfen hat, dass die verhängte Freiheitsstrafe auf 10 Monate reduziert wird. Mit seiner hiergegen geführten Revision rügte der Angekl. die Verletzung mate-riellen Rechts. Das Rechtsmittel erwies sich als begründet. Aus den Gründen: Die zulässige Revision ist auf die Sachrüge begründet. Schon der Schuldspruch wird hinsichtlich beider Taten nicht von den tatsächlichen Feststellungen getragen. Im Übri-gen weist auch die Strafzumessung grundlegende Rechtsfehler auf. Schließlich hat sich das LG nicht mit der Frage einer Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt befasst. 1. Den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil kann bereits nicht ent-nommen werden, ob die Diebstähle jeweils vollendet wurden. Im angefochtenen Urteil ist lediglich mitgeteilt, dass der Angekl. die Waren in einem Drogeriemarkt an sich genommen habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Damit ist aber das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme i.S.v. § 242 I StGB nicht belegt. Wegnahme be-deutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Feststel-lungen lassen nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung ge-kommen war. Zwar würde (bei Sachen geringen Umfangs) bereits das Einstecken in die Tasche oder das Verbergen der Beute für die Vollendung der Wegnahme genügen (BGH NStZ-RR 2013, 276; Fischer StGB 60. Aufl. § 242 Rn. 18). Auch wäre der Dieb-stahlstatbestand zweifelsfrei dann vollendet gewesen, wenn der Angekl. mit den Ge-genständen die Geschäftsräume verlassen hätte. Ob dies hier der Fall war, stellt das Urteil aber gerade nicht fest. Ferner könnte u.U. bei kleinen, leicht beweglichen Gegen-ständen zwar auch schon das Ergreifen und Festhalten genügen (Fischer a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 6. 5. 2013 - III-5 RVs 38/13 [bei juris]). Aber auch hierzu geben die Urteilsfeststellungen nichts her. Dort ist nur von 6 bzw. 9 Parfumfläschchen die Rede, die der Angekl. an sich genommen habe. 2. Ferner hält auch die Bemessung der verhängten Einzelstrafen rechtlicher Überprü-fung nicht stand. a) Beim Diebstahl mit Waffen sieht das Gesetz in § 244 III StGB einen minder schweren Fall vor. Dies wird im angefochtenen Urteil überhaupt nicht thematisiert. Nur in Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller für die Bewertung des Täters und der Taten bedeutsamen Umstände im Einzelfall ein minder schwerer Fall von vornherein nicht auf der Hand liegt, kann darin, dass das tatrichterliche Urteil einen solchen nicht erwähnt, ein Rechtsfehler nicht gesehen werden (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 57). Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer allerdings einen vertypten Strafmilderungsgrund (§ 21 StGB) angenommen und darüber hinaus einen Zusammenhang mit der Sucht des Angekl. gesehen, so dass durchaus Anlass für die Prüfung eines minder schweren Falls bestanden hätte. b) Ferner ist die Begründung, mit der das LG eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB abgelehnt hat, rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat insoweit darauf abgestellt, dass der Angeklagte seit langem um seine Alkohol- und Drogensucht wisse, aber keine Anstalten getroffen habe, um ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und von der Sucht wegzukommen. Diese Argumentation ist nicht geeignet, von einer Strafrah-menverschiebung abzusehen. Zwar können schulderhöhende Umstände zur Versagung der fakultativen Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 I StGB führen, wenn durch diese Umstände die durch eine Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufgewogen wird (vgl. Fischer § 21 Rn. 20 ff.). Dies setzt im Falle einer alkohol- oder betäubungsmittelbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit aber regelmäßig voraus, dass sie auf eine selbst zu verantwortende, verschuldete Be-rauschung zurückgeht und diese dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist (BGH NStZ 2008, 330). Eine Intoxikation ist dem Täter jedenfalls dann nicht uneingeschränkt vorwerfbar, wenn er alkoholkrank oder betäubungsmittelabhängig ist (Fischer § 21 Rn. 26 m.w.N.). Aus den gleichen Gründen kann dem Angekl. aber auch nicht, wie es die Strafkammer getan hat, die Milderungsmöglichkeit deshalb versagt werden, weil er keine therapeutischen Maßnahmen zur Bekämpfung der vom LG zugrunde gelegten Sucht in die Wege geleitet hat. Es liegt gerade im Wesen eines Abhängigkeitssyn-droms, dass ein Betroffener, dessen gesamter Lebensinhalt sich regelmäßig um die Befriedigung seiner Sucht dreht, sich gegen Maßnahmen, die darauf abzielen, ihn von dieser Sucht zu befreien, zu entziehen versucht, mithin in der Regel keine oder zumin-dest keine ausreichende Therapiebereitschaft besteht. Der Umstand, dass er sich kei-ner Heilbehandlung oder Therapie unterzieht, kann ihm deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Unabhängig davon kann auch nicht unterstellt werden, dass ein derartiges Vorgehen überhaupt den gewünschten Erfolg, nämlich die Abstinenz, herbeigeführt hätte, so dass auch deswegen die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nicht verfängt. c) Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich auch die Voraus-setzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen lassen. aa) Die Strafkammer teilt bereits nicht mit, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie meint, beim Angekl. die Voraussetzungen des § 21 StGB annehmen zu müssen. In Betracht käme entweder eine akute Intoxikation oder aber die vom LG mehrfach ge-nannte, wenn auch nicht näher dargestellte Sucht. Letztere führte nach der höchstrichterlichen Rspr. indessen nur in Ausnahmefällen zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. Fischer § 21 Rn. 13 m.w.N.). Ferner unterlässt es die Strafkammer mitzuteilen, ob sie von einer Beeinträchtigung der Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit des Angekl. bei Tatbegehung ausgegangen ist. Schließlich unterbleiben Darlegungen zu den konkreten Auswirkungen eines (etwaigen) psychischen Defekts auf die Tatbegehung und deren Ausprägung. Dies führt dazu, dass der Senat die fehlerfreie Anwendung des § 21 StGB nicht überprüfen kann. bb) Die neue Strafkammer wird daher in der Regel unter Inanspruchnahme sachver-ständiger Hilfe die tatsächlichen Grundlagen, die für die Beurteilung der Schuldfähig-keit von Bedeutung sind, zu klären und dann in eigener Verantwortung die Subsumtion unter § 21 StGB vorzunehmen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, ob die Schuldfähigkeit erheblich vermindert war, um eine Rechtsfrage handelt, bei der der Zweifelssatz nicht gilt (vgl. Fischer § 21 Rn. 7 m.w.N.). Der Hinweis des LG, die Voraussetzungen der verminderten Schuldfähigkeit könnten nicht ausgeschlossen werden, geht deshalb fehl. 3. Schließlich stellt der Umstand, dass das LG die Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB gar nicht erwogen hat, einen Rechtsfehler dar, zumal das angefochtene Urteil von einer Alkohol- und Drogensucht spricht und darüber hinaus auch noch davon ausgeht, dass die Taten zur Befriedigung seiner Sucht be-gangen wurden. Das LG hätte sich daher gedrängt sehen müssen, die Voraussetzun-gen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen näher zu erörtern (vgl. zuletzt BGH, Beschl. vom 13. 3. 2013 - 2 StR 60/13 [bei juris]). Dies wird die neue Strafkammer unter Hinzuziehung eines Sachverständigen gemäß § 246 a StPO nachzuholen haben. Dass nur der Angekl. Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 II 3 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Der Angekl. hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 60/13). [ ]
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