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Entscheidungen

Zivilrecht

Säumnis, Krankmeldung, Rechtsanwalt, Fax

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2013 - 18 U 77/13

Leitsatz: Die Übermittlung eines Faxes mit Dringlichkeitshinweis an die zentrale Eingangsstelle eines Gerichts, in dem unter Bezugnahme auf den anstehenden Verhandlungstermin auf die plötzliche Erkrankung des Rechtsanwalts und die Erfolglosigkeit, einen Vertreter zu entsenden, hingewiesen wird, steht der Annahme einer schuldhaften Säumnis der alsdann nicht vertretenen Partei zumindest dann entgegen, wenn dieses Fax bereits mehr als eine Stunde vor dem Beginn des anberaumten Verhandlungstermins dort eingegangen ist.


In pp.

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das am 10. Mai 2013 verkündete 2. Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld - 1 O 271/12 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; es beschwert die Klägerin in Höhe eines Betrages von weniger als 20.000,00 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen ein zweites Versäumnisurteil und macht geltend, eine schuldhafte Säumnis habe nicht vorgelegen.

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Vergütung von Frachtleistungen in der Zeit vom 05.07.2011 bis zum 24.08.2011 in Höhe von insgesamt 15.952,04 €. Nachdem die Beklagte auf die Klagebegründung nicht innerhalb der ihr gesetzten Klageerwiderungsfrist zu der Klage Stellung genommen und das Landgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, überreichte die Beklagte in dem Verhandlungstermin am 08.02.2013 ihre Klageerwiderung vom Vortage, verzichtete jedoch darauf, einen Antrag zu stellen. Auf entsprechenden Antrag der Klägerin hin erließ das Landgericht Bielefeld daraufhin ein Versäumnisurteil, mit dem es die Beklagte verurteilte, an die Klägerin 15.952,04 € Frachtlohn nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2012 sowie bereits bezifferte Zinsen für die Zeit vom 12.08.2011 bis 27.07.2011 in Höhe von 1.206,52 €, 15,50 € Mahnkosten und schließlich 869,-- € Inkassokosten zu zahlen.

Auf den am 04.02.2013 rechtzeitig eingegangenen Einspruch der Beklagten gegen das ihr am 18.02.2013 zugestellte Versäumnisurteil hin beraumte das Landgericht Bielefeld Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache für den 10.05.2013, 12.00 Uhr an. Die entsprechende Ladung ging dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 03.04.2013 zu.

Am Verhandlungstage, dem 10.05.2013, ging um 10.51 Uhr ein Telefax der Rechtsanwältin T2 beim Landgericht mit dem Hinweis "Eilt ! Bitte sofort vorlegen ! Termin um 12.00 Uhr !" ein, mit welchem sie mitteilte, dass Herr Rechtsanwalt T2, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, kurzfristig erkrankt sei und trotz intensiver Bemühungen in der Kürze der Zeit kein anderweitiger Vertreter gefunden worden sei. Zugleich beantragte sie mit dem Telefax, den Verhandlungstermin aufzuheben, und fügte ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betreffend Herrn Rechtsanwalt T2 vom selben Tage bei, ausweislich derer er seit 10.05.2013 arbeitsunfähig erkrankt war.

Die Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld erließ in Unkenntnis dieses Umstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2013 auf entsprechenden Antrag der Klägerin ein zweites Versäumnisurteil, mit welchem der Einspruch der Beklagten verworfen und ihr die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Das Telefax der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde der Richterin ausweislich ihres Vermerks vom 13.05.2013 erst später vorgelegt.

Gegen dieses zweite Versäumnisurteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Aufhebung desselben und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begehrt. Sie macht geltend, eine schuldhafte Säumnis habe nicht vorgelegen. Hierzu beruft sie sich auf das Telefax vom 10.05.2013 und führt aus, ihr Prozessbevollmächtigter sei am 10.05.2013 kurzfristig an einer hypertensiven Krise, artieller Hypertonie, 260/150, erkrankt und habe wegen starken Schwindels und Übelkeit gegen 10 Uhr einen Arzt aufgesucht. Seine Büroangestellte Frau T habe nach Kenntniserlangung von der Erkrankung Rücksprache mit Herrn Rechtsanwalt X und der Kanzlei T, F, T2 gehalten, um einen Terminvertreter zu organisieren. Als dies erfolglos geblieben sei, sei um 10.43 Uhr der Schriftsatz nebst der zwischenzeitlich in der Kanzlei eingegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an das Landgericht gefaxt worden.

Die Beklagte beantragt,


das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung hat in der Sache - vorläufig - Erfolg und führt gemäß § 538

Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bielefeld zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Das zweite Versäumnisurteil des Landgerichts ist nicht in gesetzlicher Weise ergangen, weil eine schuldhafte Säumnis der Beklagten in dem Verhandlungstermin vom 10. Mai 2013 nicht vorgelegen hat.

1.

Nach § 337 Satz 1 ZPO darf ein Versäumnisurteil nur im Falle einer schuldhaften Säumnis einer Partei ergehen und liegt eine solche dann nicht vor, wenn sie ohne ihr Verschulden an einem Erscheinen gehindert ist sowie alles im Rahmen ihr Zumutbaren und Möglichen versucht hat, dies dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (vgl. BGH NJW 2006, 448 f. [BGH 03.11.2005 - I ZR 53/05]; Musielak/Stadler, ZPO, 10. Aufl., § 337 Rn. 6).

2.

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die Bemühungen der Beklagten, das Landgericht rechtzeitig davon zu unterrichten, dass ihr Prozessbevollmächtigter unverschuldet an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins verhindert war, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vom Eingang des Telefaxes beim Landgericht bis zum anberaumten Verhandlungstermin noch gut 70 Minuten verblieben, ausreichend.

a.

Zwar kann im Einzelfall das Übersenden eines Telefaxes jedenfalls dann, wenn es wie hier nicht an die Serviceeinheit, sondern an die zentrale Eingangsstelle des Gerichtes gesendet wird, trotz darauf befindlichen Dringlichkeitshinweises unzureichend und eine telefonische Unterrichtung der zuständigen Serviceeinheit geboten sein, die vorliegend unstreitig unterblieben ist (vgl. auch BGH aaO).

b.

Dies gilt nach der Auffassung des erkennenden Senats jedoch dann nicht, wenn bis zu dem Verhandlungstermin noch mehr als eine Stunde Zeit verbleibt. Denn dann kann und darf der Absender des Telefaxes, wenn es - wie vorliegend - entsprechende deutlich sichtbare Dringlichkeitshinweise enthält, auch bei Eingang des Faxes auf der zentralen Eingangsstelle darauf vertrauen, dass es dort noch rechtzeitig bearbeitet und vor Verhandlungstermin dem zuständigen Richter vorgelegt wird. Denn auch innerhalb einer größeren Organisationseinheit sind die Arbeitsabläufe dergestalt einzurichten, dass mit Dringlichkeitsvermerken versehene Telefaxe innerhalb einer Stunde zur Kenntnis genommen und der zuständigen Person vorgelegt werden.

c.

Dass die erkennende Richterin das Fehlen eines Verschuldens der Beklagten nicht zu erkennen vermochte, steht der Aufhebung und Zurückverweisung nicht entgegen. Denn maßgeblich für die Frage, ob ein schuldhafte Säumnis einer Partei vorliegt, sind allein die objektiven Umstände.

III.

Die Entscheidung zur Kostentragung ist dem Schlussurteil des Landgerichts vorzubehalten.

Die Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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Anmerkung:


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