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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrtenbuchauflage, Verhältnismäßigkeit, Rotlichtverstoß

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2013 - 14 L 953/13

Leitsatz: Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß liegt stets - ungeachtet dessen, ob es tatsächlich zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist - ein für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage erforderlicher Verkehrsverstoß von einigem Gewicht vor, da für diese Annahme eine mit wenigstens einem Punkt im Verkehrszentralregister einzutragende Verkehrszuwiderhandlung genügt.


In pp.
Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 3.600,00 Euro festgesetzt.


Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,


die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 4735/13 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14.05.2013 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Der erhobenen Klage kommt hinsichtlich der in Ziffer 1 und 2 der Ordnungsverfügung enthaltenen Fahrtenbuchauflage wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung zu.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Begründungserfordernis. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf einer eigenständigen, d.h. für den Regelfall äußerlich und inhaltlich über die Begründung der angeordneten Maßnahme hinausgehenden, am konkreten Einzelfall orientierten schriftlichen Begründung. Gerade für Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist anerkannt, dass sich die Gründe für den Erlass der Ordnungsverfügung mit denen für die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung decken können und die Begründung der Vollzugsanordnung bei gleichgelagerten Konstellationen im Rahmen der Massenverwaltung standardisiert werden kann.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -, Rn. 4, [...].

Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ohne Weiteres gerecht.

In materieller Hinsicht erweist sich die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14.05.2013 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

Die Fahrtenbuchauflage findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Hiernach kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt.

Ein Verkehrsverstoß im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist gegeben.

Die Antragstellerin ist Halterin des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen N. -N1. 5509. Ausweislich der in der Bußgeldakte befindlichen Radarfotos wurde mit diesem Fahrzeug - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - am 10.10.2012 um 04:07 Uhr in E. auf der Kreuzung M.--------straße /C.----platz in Fahrtrichtung C1.----straße das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage beim Geradeausfahren nicht befolgt, obwohl die Rotphase des Wechsellichtzeichens bereits 35.90 Sekunden - mithin länger als eine Sekunde - andauerte. Bei diesem Rotlichtverstoß handelt es sich um eine (zumindest) fahrlässig begangene Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 37 Abs. 2 Nr. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO, die gemäß Abschnitt 1, Ziffer 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) - ohne das eine Gefährdung eingetreten sein muss - im Regelfall mit einem Bußgeld von 200,00 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot bedroht ist. Der mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene qualifizierte Rotlichtverstoß wäre zudem bei rechtzeitiger Ermittlung des Fahrzeugführers innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist (vgl. § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff. OWiG) gemäß Ziffer 4.8 der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) mit vier Punkten in das Verkehrszentralregister einzutragen gewesen.

Insbesondere wäre eine Eintragung in das Verkehrszentralregister gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG selbst dann erfolgt, wenn man den Vortrag der Antragstellerin als wahr unterstellt, der - erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung namentlich benannte - Fahrzeugführer sei von dem auf grün wechselnden Lichtzeichen für Rechtsabbieger irritiert worden und infolgedessen nur versehentlich unter Missachtung des Rotlichts in die Kreuzung eingefahren, ohne sich grob nachlässig, rücksichtslos oder verantwortungslos verhalten zu haben. Denn selbst wenn nach der von der Antragstellerin zitierten Zumessungspraxis der Oberlandesgerichte,

vgl. OLG E. , Beschluss vom 11.09.1995 - 5 Ss (OWi) 304/95 - (OWi) 125/95 I -, NZV 1996, 39 [OLG Düsseldorf 11.09.1995 - 5 Ss (Owi) 304/95 - (Owi) 125/95 I]; OLG Hamm, Beschluss vom 16.10.1995 - 2 Ss OWi 1200/95 -, VRS 91, 70,

in vergleichbaren Fällen auf Rechtsfolgenseite von der Verhängung eines Fahrverbotes Abstand genommen worden ist, ändert dies nichts an der Tatsache, dass der Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllt wurde. Demgemäß wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein deutlich über dem für eine Eintragung in das Verkehrszentralregister gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG erforderlichen Grenzbetrag von 40,00 Euro liegendes Bußgeld verhängt worden, weil sich schon das für den Regelfall vorgesehene Bußgeld auf einen Betrag von 200,00 Euro beläuft (vgl. Abschnitt 1, Ziffer 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV).

Vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 30.08.2011 - 11 CS 11.1548 -, Rn. 26 ff., [...].

Das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO hängt im Übrigen nicht davon, ab ob im jeweiligen Einzelfall aufgrund bußgeldrechtlicher Vorschriften ein Fahrverbot verhängt worden wäre oder nicht. Unerheblich ist zudem, ob es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist. Vielmehr ist ein für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage erforderlicher "Verkehrsverstoß von einigem Gewicht" stets gegeben, wenn die jeweilige Verkehrszuwiderhandlung wenigstens mit einem Punkt im Verkehrszentralregister einzutragen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.1995 - 11 C 12.94 -, Rn. 9 f., [...].

Dies ist vorliegend der Fall, denn der in Rede stehende qualifizierte Rotlichtverstoß ist gemäß Ziffer 4.8 der Anlage 13 zu § 40 FeV unabhängig von der Verhängung eines Fahrverbotes oder einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mit vier Punkten zu bewerten.

Der Antragsgegner ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach der vorgenannten Verkehrszuwiderhandlung gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich war.

Von einer Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist auszugehen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehört grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1978 - VII C 77.74 -, Rn. 15 ff., [...]; BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 -, Rn. 2 f., [...]; BVerwG, Beschluss vom 23.12.1996 - 11 B 84.96 -, Rn. 3, [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 - 8 B 520/11 -, Rn. 3 ff., [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -, Rn. 9, [...].

Dies gilt namentlich für die Fälle, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Kraftfahrzeughalter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Insoweit ist es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Lehnt der Halter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, Rn. 7, [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 - 8 B 520/11 -, Rn. 6 ff., [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -, Rn. 11, [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005 - 8 A 280/05 -, Rn. 25 ff., [...].

Die Zwei-Wochen-Frist gilt zudem nicht bei Verkehrsverstößen, die - wie hier - mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.05.2013 - 8 B 317/13 -; VGH Bayern, Beschluss vom 14.05.2013 - 11 CS 13.606 -, Rn. 13, [...].

Geht es um Verkehrsverstöße, die mit dem Fahrzeug eines Kaufmannes im Sinne des Handelsrechts begangen worden sind, trifft die Geschäftsleitung eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese erhöhte Mitwirkungsobliegenheit rechtfertigt sich durch die handelsrechtlichen Verpflichtungen des Kaufmanns zur Führung und Aufbewahrung von Büchern, aus denen sich Geschäftsvorfälle "in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen" (§ 238 Abs. 1, § 257 HGB), sowie aus dem Umstand, dass es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten entspricht, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Es fällt demgemäß in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung muss zumindest in der Lage sein, der Behörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es kann nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, kann die Geschäftsleitung deshalb regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen. Denn eine Firma muss in ihrer Eigenschaft als Kaufmann grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sein, Geschäftsfahrten und Ähnliches anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.01.2012 - 8 B 1308/11 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -, Rn. 16, [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.03.1995 - 25 A 2798/93 -, Rn. 17 ff., [...]; OVG Bremen, Beschluss vom 12.01.2006- 1 A 236/05 -, Rn. 6, [...]; VGH Bayern, Beschluss vom 14.05.2013 - 11 CS 13.606 -, Rn. 12, [...]; VGH Bayern, Beschluss vom 29.04.2008 - 11 CS 07.3429 -, Rn. 15, [...]; VGH Bayern, Beschluss vom 01.07.2009 - 11 CS 09.1177 -, Rn. 9, [...]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26.05.2008 - 1 L 103/08 -, Rn. 12, [...]; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2013- 12 N. 272/12 -, Rn. 5, [...].

Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit nicht vor.

Die Antragstellerin hat im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich vorgetragen, am 24.10.2012 aufgrund eines entsprechenden Anhörungsbogens der Stadt E. über den mit ihrem Firmenfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Da dem Anhörungsbogen kein Foto des Fahrzeugführers beigefügt war, hat sie sich per Telefax am 05.11.2012 an die Stadt E. gewandt und unter Angabe des Aktenzeichens um Übersendung des Fahrerfotos gebeten. Diesem Ersuchen ist die Stadt E. umgehend nachgekommen und hat der Antragstellerin mit Schreiben vom gleichen Tag, welches am 07.11.2012 bei ihr eingegangen ist, ein entsprechendes Radarfoto übermittelt. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.11.2012 gegenüber der Stadt E. mitgeteilt, dass aufgrund der schlechten Qualität des Fotos keiner der 60 Mitarbeiter ihres Unternehmens zu erkennen sei.

Mit dem Vorbringen, sie könne anhand des übersandten Radarfotos keinen ihrer Mitarbeiter als Fahrzeugführer identifizieren, ist die Antragstellerin ihrer erhöhten Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen. Denn ihr hätte es als Formkaufmann (vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB) oblegen, eine schriftliche Dokumentation für ihre Firmenfahrzeuge vorzuhalten, die es ihr längerfristig ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner ermöglicht festzustellen, welcher Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Firmenfahrzeug genutzt hat. Sofern sie über dementsprechende Aufzeichnungen in Form von Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem nicht verfügt, geht dies zu ihren Lasten.

Vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 14.05.2013 - 11 CS 13.606 -, Rn. 12, [...].

Angesichts der gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit kann es die Antragstellerin auch nicht entlasten, wenn sie tatsächlich ihre Geschäftsfahrten nicht dokumentieren sollte und deshalb allein auf die Erinnerung oder die Erkennbarkeit von Radarfotos angewiesen wäre, um den Täter eines Verkehrsverstoß benennen zu können.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -, Rn. 18, [...].

Sie hätte der Bußgeldbehörde zumindest den Kreis derjenigen Firmenangehörigen benennen müssen, die berechtigt waren das betreffende Fahrzeug im Tatzeitpunkt zu benutzen. Derartige Angaben erfolgten jedoch innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist (vgl. § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff. OWiG) unstreitig nicht. Ist die Antragstellerin damit ihrer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, war die Bußgeldbehörde nicht gehalten, über die getätigten Ermittlungsansätze hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen. Denn es ist nicht ihre Aufgabe innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht.

Schließlich erweist sich die Fahrtenbuchauflage auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil sie nach dem Ausscheiden des Tatfahrzeugs aus dem Bestand der Antragstellerin auf das Ersatzfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen N. -E1. 1209 erstreckt wurde. Die entsprechende Anordnung des Antragsgegners in der streitbefangenen Ordnungsverfügung beruht auf § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO, wonach die Verwaltungsbehörde ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen kann. Dabei ist Ersatzfahrzeug im Sinne der Vorschrift nicht nur das (vor oder während der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten) neu angeschaffte Fahrzeug, vielmehr zählen dazu auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung des Tatfahrzeugs von ihm betrieben werden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt sind.

Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10.06.2011 - 12 N. 40/11 -, Rn. 5, [...]; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17.09.2007 - 12 N. 225/07 -, Rn. 6, [...]; VGH Bayern, Beschluss vom 27.01.2004 - 11 CS 03.2940 -, Rn. 9 ff., [...]; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.03.2003- 8 S 330.02 -, Rn. 3 ff., [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.01.1992- 13 A 1060/91 -, Rn. 6, [...].

Maßgeblich ist daher allein, dass das Ersatzfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen N. -E1. 1209 ebenso wie das zwischenzeitlich aus dem Bestand ausgeschiedene Tatfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen N. -N1. 5509 als Geschäftsfahrzeug im Betrieb der Antragstellerin eingesetzt wird.

Der Antragsgegner hat in fehlerfreier Weise von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO. Insbesondere erweist sich die Fahrtenbuchauflage auch hinsichtlich ihrer Dauer von 24 Monaten als verhältnismäßig. Denn die Straßenverkehrsbehörde handelt regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn sie für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage auf die Einstufung der Schwere des zugrunde liegenden Verkehrsverstoßes durch das Punktesystem in der Anlage 13 zu § 40 FeV zurückgreift. Dabei ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, Rn. 21 ff., [...]; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 09.09.1999 - 3 B 94.99 -, Rn. 2, [...].

Danach begegnet die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten für einen gemäß Ziffer 4.8 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit vier Punkten zu bewertenden qualifizierten Rotlichtverstoß im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit keinen rechtlichen Bedenken.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.05.2002 - 10 S 1408/01 -, Rn. 4 ff., [...]: Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem Rotlichtverstoß verhältnismäßig; VGH Bayern, Beschluss vom 30.08.2011 - 11 CS 11.1548 -, Rn. 30 ff., [...]: Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 18 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem Rotlichtverstoß verhältnismäßig; vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 17.02.2009 - Au 3 K 08.1680 -, Rn. 21, [...]: Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem Geschwindigkeitsverstoß verhältnismäßig; VG Köln, Urteil vom 11.06.2007 - 11 K 527/07 -, Rn. 22, [...]: Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 30 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem Geschwindigkeitsverstoß verhältnismäßig.

Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als Kriterium für ihre zeitliche Bemessung ist vor diesem Hintergrund vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Hierbei kann sich die Behörde bei der Bemessung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage maßgeblich an der abstrakten Gefährlichkeit der Verkehrszuwiderhandlung für die Sicherheit des Straßenverkehrs orientieren und insoweit auf die Bewertungen abstellen, die in den einschlägigen Straf- und Bußgeldvorschriften mit der Ausgestaltung der Sanktionen und in Anlage 13 zu § 40 FeV mit der Einordnung des Delikts in das Punktsystem zum Ausdruck gebracht worden ist. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage wird daneben das Verhalten zu würdigen sein, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.05.2002 - 10 S 1408/01 -, Rn. 7 f., [...]; VGH Bayern, Beschluss vom 30.08.2011 - 11 CS 11.1548 -, Rn. 31, [...].

Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten frei von Ermessensfehlern. Der in Rede stehende Verkehrsverstoß ist von erheblichem Gewicht. Dies wird bereits durch die Bewertung des Verstoßes mit vier Punkten im Verkehrszentralregister gemäß Ziffer 4.8 der Anlage 13 zu § 40 FeV und der Höhe des regelhaft zu verhängenden Bußgeldes von 200,00 Euro nebst einmonatigem Fahrverbot gemäß Abschnitt 1, Ziffer 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV zum Ausdruck gebracht. Das Überfahren eines seit 35.90 Sekunden andauernden Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ist von besonderer abstrakter Gefährlichkeit. Denn andere Verkehrsteilnehmer mussten auch bei umsichtiger Fahrweise zu dieser Zeit nicht mehr damit rechnen, dass das Fahrzeug der Antragstellerin in die Kreuzung einfahren würde. Insbesondere ist zu bemerken, dass grundsätzlich jedes Überfahren eines Rotlichts, auch in vermeintlich "harmlosen" Verkehrssituationen, eine schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften darstellt und damit ohne weiteres zur Grundlage einer Fahrtenbuchauflage gemacht werden kann. Es besteht daher ein besonders gewichtiges Interesse der Allgemeinheit, vergleichbare Verkehrsverstöße mit Fahrzeugen der Antragstellerin in Zukunft zu verhindern oder zumindest zu ahnden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Antragstellerin die Bußgeldbehörde der Stadt E. bei der Ermittlung des Fahrzeugführers in keiner Weise unterstützt hat. Zwar hat sie nach Erhalt des Anhörungsbogens um die Übersendung eines Radarfotos gebeten, welches ihr umgehend übermittelt wurde. Allerdings hat sie trotz ihrer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit innerhalb der Verjährungsfrist weder den Fahrer benannt, noch den Kreis der Fahrzeugnutzer ansatzweise eingegrenzt. Vielmehr hat sie sich darauf zurückgezogen, den Fahrer anhand des übermittelten Radarfotos nicht identifizieren zu können. Dieses Verhalten gibt Anlass zu der Annahme, dass der verantwortliche Fahrzeugführer auch bei etwaigen künftigen Verkehrsverstößen mit Kraftfahrzeugen der Antragstellerin auf Grundlage ihrer freiwilligen Angaben nicht rechtzeitig ermittelt werden kann.

Auch die übrige Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass alles Erforderliche getan wird, um den bei Verkehrsverstößen oder Straftaten in Betracht kommenden Personenkreis so schnell wie möglich zu erfassen. Sinn und Zweck der Fahrtenbuchauflage ist es, Kraftfahrer mit mangelnder Einstellung zu den Verkehrsvorschriften zu ermitteln und geeignete Maßnahmen gegen sie ergreifen zu können. Die Effizienz behördlichen Handelns bei Sicherheitsgefahren wäre in Frage gestellt, wenn durch die Einlegung eines Rechtsmittels über einen längeren Zeitraum die Wirksamkeit der Maßnahme hinausgezögert werden könnte. Da das Führen eines Fahrtenbuches für die Antragstellerin auch keine allzu schwerwiegende Belastung mit sich bringt und über eine gewisse, mit geringem Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht hinaus geht, überwiegt nach alledem das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin, zunächst von der Führung des Fahrtenbuches verschont zu bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei ist in Anlehnung an Nr. 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage ein Betrag von 400,00 Euro zugrundezulegen. Da die Antragstellerin die Ordnungsverfügung in der Hauptsache nur insoweit angefochten hat, als die Dauer der Fahrtenbuchauflage den Zeitraum von sechs Monaten übersteigt, ist der Streitwertbemessung lediglich ein Zeitraum von 18 Monaten zugrundezulegen (18 Monate x 400,00 Euro = 7.200,00 Euro). Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag um die Hälfte.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 - 8 B 520/11 -, Rn. 19, [...].

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