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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

ACAB, Beleidigung, Kollektivbeleidigung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 18.12.2013 - 4 OLG 13 Ss 571/13

Leitsatz: Der "All Cops Are Bastards“ bedeutende Schriftzug "ACAB“ auf der Hose des Ange-klagten erfüllt den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB, wenn er gegen-über einem zahlenmäßig überschaubaren und gegenüber der Gesamtgruppe klar umgrenzbaren Kreis von zum Kollektiv gehörenden Personen gezeigt wird. Dies ist bei Polizeibeamten, die an einem konkreten Einsatz teilnehmen, der Fall.


OLG München, 4. Strafsenat, Beschluss vom 18. Dezember 2013,
4 OLG 13 Ss 571/13
Sachverhalt:
Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen. Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte Rechts-mittel und die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihre Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.
Das Landgericht München I verwarf die Berufungen des Angeklagten und der Staats-anwaltschaft als unbegründet. Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügte.
Aus den Gründen:
Die zulässige Revision ist unbegründet.
(…)
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt: - 2 -


1. Die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. (…)

2. Auch die erhobene Sachrüge ist unbegründet.

Das Revisionsgericht kann eine Entscheidung im Rahmen der Sachrüge nur auf Rechtsfehler überprüfen. Es ist dabei insbesondere auf die Prüfung beschränkt, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist. Es prüft, ob die Urteilsfeststellungen eine tragfähige Grundlage für diese Prüfung bie-ten, insbesondere, ob sie frei von Lücken, Widersprüchen und Verstößen gegen Denk- und Erfahrungssätze sind (Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 26 ff.).
Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen Beleidigung.
Die Beleidigung setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Per-son durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nicht-achtung voraus (Fischer 60. Aufl. StGB § 185 Rdn. 4; Hilgendorf in Leipziger Kom-mentar StGB 11. Aufl. § 185 Rdn. 1).
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Geschädigte den Schrift-zug auf der Hose des Angeklagten „ACAB“ für die Worte All cops are bastards, d.h. als alle Polizisten sind Bastarde, verstehen durfte und sich dadurch in seiner Ehre gekränkt fühlte.
a) Der Tatbestand der Beleidigung erfordert die gewollte Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtbeachtung eines anderen, d.h. deren Manifestation durch ein Verhalten mit einem entsprechenden Erklärungswert, gleichgültig, ob es sich dabei um Äußerungen durch Wort, Schrift, Bild, Gesten symbolische Handlun-gen oder Tätlichkeiten handelt (Lenckner/Eisele aaO § 185 Rdn. 8; BayOLG Be-schluss vom 20.10.2004 Az.: 1 StRR 153/04 zitiert nach juris Rdn. 17). Hierbei ist maßgeblich dafür, ob eine Äußerung die Missachtung eines anderen zum Ausdruck bringt, nicht, wie der Täter sie versteht oder wie der Empfänger sie tatsächlich ver-standen hat, sondern wie er sie verstehen durfte, d.h. ihr durch Auslegung zu ermittelnder objektiver Sinngehalt (Lenckner/Eisele aaO). Es ist hierbei die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Ton, Alter, Stellung, persönliche Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten, die An-schauungsweise der beteiligten Kreise und ihre Gewöhnung an bestimmte Rede-wendungen, die Ortsüblichkeit bestimmter Ausdrücke und die Umstände, unter de-nen die Äußerung erfolgt ist (Lenckner/Eisele aaO). Handlungen oder Äußerungen von schlechthin beleidigendem Charakter gibt es nicht, vielmehr kommt es immer darauf an, wer was zu wem sagt und unter welchen Umständen dies geschieht (Lenckner/Eisele aaO).

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Schriftzug nach den Um-ständen des vorliegenden Einzelfalles objektiv den Sinngehalt hat „All cops are bastards“, d.h. alle Polizisten sind Bastarde. Das Landgericht ist vom objektiven Sinngehalt ausgegangen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter versteht (BayOLG aaO Rdn. 21). Ausgehend von den Buchstaben „ACAB“ hat es sich mit den in Frage kommenden aufdrängenden Deutungsmöglichkeiten (Seite 6 bis 8 BU) auseinandergesetzt und in rechtsfehlerfreier Weise unter Berücksichtigung der konkreten Situation diejenigen ausgeschieden, die nicht zur Bestrafung führen kön-nen (BayOLG aaO Rdn. 21).

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte den Schrift-zug ACAB gegenüber dem Geschädigten kundgetan hat durch das Tragen der Ho-se mit dem deutlich sichtbaren Schriftzug.

d) Das Landgericht hat zudem ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der Geschädigte als Angehöriger einer Personengemeinschaft unter einer Kollektivbezeichnung be-leidigt worden ist.

Voraussetzung der Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kol-lektivbezeichnung ist, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder überschaubaren Kreis handelt, d.h. der fragliche Personenkreis muss zahlenmäßig überschaubar sein und die bezeichnete Personengruppe muss sich auf Grund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allge-meinheit hervorheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt ist (Lenck-ner/Eisele aaO vor § 185 Rdn. 7, 7a, 7b; OLG München 5. Strafsenat Beschluss vom 19.10.2010 Az.: 5 StRR (II) 315/10). Da sich die herabsetzende Äußerung nach den Feststellungen des Gerichts vorliegend auf die Polizeibeamten, die als solche an dem konkreten Einsatz teilgenommen haben, bezieht, hebt sie diese Teilnahme in Verbindung mit ihrer Eigenschaft als Polizeibeamte eindeutig aus der Allgemeinheit heraus. Der Angeklagte hat die mit dem Schriftzug versehene Klei-dung am Tattag nach den Feststellungen des Landgerichts in Kenntnis dessen Be-deutung und des Bewusstseins, bei dem Besuch des Fußballspiels auf Polizeibe-amte zu treffen, getragen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die in ihr verkörperte Äußerung gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten richtet.
e) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, ist oh-ne Rechtsfehler. Nach den Feststellungen des Landgerichts kannte der Angeklagte die Bedeutung der Aufschrift ACAB im Sinne von all cops are bastards, d.h. alle Po-lizisten sind Bastarde. Er wusste auch, dass er bei dem Besuch des Fußballspiels mit einer Anwesenheit einer größeren Zahl von Polizeibeamten rechnen musste und dass er bei seinem Gehen rund um das Stadion auf einzelne Polizeibeamte treffen wird. Aufgrund der Größe der Aufschrift war ihm auch bewusst, dass Poli-zeibeamte diese wahrnehmen und sich daran stören würden (Seite 9 BU). Es ging dem Angeklagten um die Diffamierung und persönliche Herabsetzung der Polizei-beamten, auch des Geschädigten.

f) Das Landgericht hat rechtlich nicht zu beanstandend einen Tatbestands- und Ver-botsirrtum nicht angenommen, so dass die Frage, ob letzterer vermeidbar wäre, nicht entscheidungserheblich ist. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte keine Angaben zur Sache gemacht. Das Gericht hat rechtsfehlerfrei ein vorsätzli-ches Handeln des Angeklagten angenommen. Es hat auch keinen Sachverhalt festgestellt, der die Annahme eines Verbotsirrtums rechtfertigen würde. Insbeson-dere hat es nicht festgestellt, dass der Angeklagte vor dem Tattag entsprechende Erkundigungen im Internet veranlasst hat oder dass ihm Urteile und Veröffentlichungen bekannt gewesen sind, die das Tragen des Schriftzuges als erlaubt er-scheinen lassen würden. Vielmehr handelte der Angeklagte nach den Urteilsfest-stellungen mit der Einsicht, dass das Tragen des Kleidungsstückes mit dem ent-sprechenden Aufdruck gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertord-nung verstößt.

(…)
Eine Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG ist nicht veranlasst. Es handelt sich nicht um Rechtsfragen, die von den Oberlandesge-richten unterschiedlich beurteilt werden, sondern um unterschiedliche Fallgestaltun-gen. Denn bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beleidigung objektiv vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Handlungen oder Äußerungen von schlecht-hin beleidigendem Charakter gibt es nicht, vielmehr kommt es immer darauf an, wer was zu wem sagt und unter welchen Umständen dies geschieht (Lenckner/Eisele aaO).
Dergestalt hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Urteil vom 1.10.2012 (Urteil des 1. Strafsenat Az.: 1 St OLG Ss 211/12) das vom Berufungsgericht festgestellte Fehlen des Vorsatzes gebilligt. Das Oberlandesgericht hat im konkreten Fall die Annahme einer straflosen Kollektivbeleidigung gebilligt, da der Angeklagte nicht damit habe rechnen können, dass das Volksfest von Polizeibeamten bestreift werde.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 19.7.2012 (Az.: 1 Ss 64/12 – AK 40/12) ein freisprechende Urteil des Landgerichts aufgehoben, da es nicht den Anfor-derungen genügte, die nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind. Zudem hat es seine Aufhebung damit begründet, dass die Darlegun-gen im Urteil zur inneren Tatseite unklar und widersprüchlich sind und besorgen las-sen, dass der Tatrichter die in subjektiver Hinsicht an den Tatbestand der Beleidigung zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend bedacht hat (zitiert nach juris Rdn. 7 und 4). In den Hinweisen für den weiteren Verfahrensgang führt das Gericht hierzu aus, dass es naheliegt der Bezeichnung ACAB grundsätzlich beleidigenden Charakter im Sinne des § 185 StGB beizumessen, da die Buchstabenkombination für die Parole „Alle Polizisten sind Bastarde steht (Rdn. 14 zitiert nach juris).

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