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Entscheidungen

Gebühren

Mittagspause, Längenzuschlag, Pflichtverteidiger

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 12.03.2014 - 1 Ws 84/14

Leitsatz: Die Zeit der Mittagspause ist unabhängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen.


In der Strafsache
gegen XXX,
- Verteidiger: Rechtsanwalt XXX -
wegen Insolvenzverschleppung u. a.
hier: Vergütung des Pflichtverteidigers
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 19. großen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. XXX, den Richter am Oberlandesgericht Dr. XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 12. März 2014
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Rechtsanwalt XXX war in vorliegender Strafsache dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt. Die Hauptverhandlung fand am 24. Juni 2013 und am 8. Juli 2013 in seiner Anwesenheit statt. Die Sitzung vom 24. Juni 2013 war auf 09:00 Uhr anberaumt, begann um 09:05 Uhr und endete um 15:05 Uhr. Sie wurde von 12:07 Uhr bis 13:30 Uhr für eine Mittagspause unterbrochen.
Der Beschwerdeführer hat mit Kostenrechnung vom 8. Juli 2013, welche sich einschließlich Mehrwertsteuer auf insgesamt 1.352,11 € belief, für den Hauptverhandlungstermin vom 24. Juni 2013 neben der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4110 für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht von mehr als 5 und bis 8 Stunden in Höhe von 92,00 € geltend gemacht. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts erkannte die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4110 VV RVG nicht an, weil die Hauptverhandlung aufgrund diverser Unterbrechungen nur 3 Stunden und 7 Minuten gedauert habe. Er setzte - ansonsten dem Antrag des Rechtsanwalts folgend - mit Beschluss vom 12. Juli 2013 die an den Verteidiger zu zahlende Gebühr auf 1.242,63 € fest. Auf die hiergegen erhobene Erinnerung des Verteidigers vom 19. Juli 2013, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat, setzte der zuständige Abteilungsrichter des Amtsgerichts mit Beschluss vom 10. September 2013 die dem Verteidiger zu erstattenden Gebühren und Auslagen in der beantragten Höhe von 1.352,11 € fest. Zur Begründung führte er aus, dass, soweit es sich bei den Unterbrechungen um kürzere Verhandlungspausen gehandelt habe, diese nach ganz einhelliger Meinung nicht von der Hauptverhandlungsdauer abgezogen werden dürfen. Aber auch die Mittagspause, welche hier eine Stunde und 23 Minuten gedauert habe, sei nur mit einer Dauer von einer Stunde in Abzug zu bringen, weil dies nach der überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die übliche und angemessene Dauer einer Mittagspause sei. Soweit die Mittagspause darüber hinausgehe, sei danach zu differenzieren, ob der jeweilige Rechtsanwalt diese Zeit anderweitig für seine Berufsausübung sinnvoll hätte nutzen können. Da im vorliegenden Fall der Verteidiger in Baunatal ansässig sei, liege es auf der Hand, dass ein Aufsuchen der Kanzlei weder während der kompletten Sitzungsunterbrechung noch in der eine Stunde überschreitenden Zeitspanne von 23 Minuten möglich war. Da mithin nach Abzug von einer Stunde die verbleibende Dauer der Hauptverhandlung fünf Stunden und fünf Minuten betrage, stehe dem Verteidiger die Zusatzgebühr nach Nr. 4110 VV RVG zu. Der Amtsrichter hatte gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zugelassen.
Am 18. September 2013 hat die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Hannover im Namen der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10. September 2013 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die dem Verteidiger zu zahlende Vergütung wieder so festzusetzen, wie es der Rechtspfleger getan hatte. Hierauf hat die 19. große Strafkammer des Landgerichts Hannover - nach Nichtabhilfe durch den Amtsrichter und Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer - den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10. September 2013 aufgehoben und die Erinnerung des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juli 2013 zurückgewiesen. Die Strafkammer hat sich der Meinung angeschlossen, nach der nur Zeiten zu vergüten sind, in denen der Verteidiger tatsächlich an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und Unterbrechungen zur Mittagspause nicht in den sogenannten Längenzuschlag der Terminsgebühr einzurechnen seien. Unterbrechungen über die Mittagszeit, die erkennbar vorrangig dem Zweck der Nahrungsaufnahme dienten und in einem üblichen zeitlichen Rahmen lägen, seien nicht als Teil der Hauptverhandlung anzusehen. Hierfür spreche, dass der Zeitaufwand für eine Mittagspause auch bei anderen Berufsgruppen nicht der Dauer der Hauptverhandlung zugerechnet werde und namentlich Dolmetscher eine Entschädigung für die Dauer der Mittagspause nicht verlangen könnten. Da hiernach die Mittagspause vollständig in Abzug zu bringen sei, habe die Hauptverhandlung nur vier Stunden und 42 Minuten gedauert, sodass die Voraussetzungen für die Entstehung der Zusatzgebühr nach Nr. 4110 VV RVG nicht vorlägen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat die Kammer die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen diesen ihm am 13. Januar 2014 zugestellten Beschluss hat der Verteidiger am 21. Januar 2014 weitere Beschwerde erhoben. Er macht geltend, dass er die Mittagspause für ca. 15 bis 20 Minuten zu einem Gespräch mit seinem Mandanten zur Analyse der Verfahrenssituation und anwaltlichen Beratung genutzt habe. Daneben habe er - wie jeden Mittag - ein Brötchen zu sich genommen, was nicht mehr als 10 Minuten in Anspruch nehme. Seine übliche Mittagspause dauere nicht länger als 30 Minuten. Er sei der Ansicht, dass er sich als Selbstständiger, der für eine öffentliche Aufgabe in Anspruch genommen worden sei, eine längere Mittagspause nicht aufzwingen lassen müsse. Das Landgericht habe pauschal und fälschlich unterstellt, dass jeder Rechtsanwalt eine Mittagspause einlege und dass diese exakt so lange zu dauern habe, wie das Gericht im jeweiligen Einzelfall seine Mittagspause festlege. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine üblicherweise kurze Mittagspause sich nachteilig auf die Vergütung auswirke, nur weil andere Menschen gerne eine längere Mittagspause machen. Wollte man die Mittagspause in Abzug bringen, sei die Frage zu stellen, wie lange die vom Gericht festgelegte Mittagspause sein dürfe, ohne dass der Anwalt einen Abschlag hinzunehmen habe. Die Praxis der Dauer der Mittagspausen sei von Gericht zu Gericht äußerst verschieden. Schon die Vielzahl der denkbaren Konstellationen zeige, dass sich eine Einzelfallbetrachtung verbiete, weil im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geklärt werden könne, ob und wie lange der Verteidiger den Mandanten in den Pausen beraten habe bzw. beraten durfte. Schließlich macht sich der Beschwerdeführer die Gründe der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10. Oktober 2013 - 1 Ws 166/12 (StraFo 2014, 39) zu Eigen.
Die Strafkammer hat der weiteren Beschwerde mit Entschließung vom 10. Februar 2014 nicht abgeholfen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte weitere Beschwerde, über die der Senat gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat, ist infolge der für den Senat gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 4 RVG bindenden Zulassung durch die Strafkammer statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel hat indes in der Sache keinen Erfolg. Dem Beschwerdeführer steht die von ihm geltend gemachte Zusatzgebühr nach Nr. 4110 VV RVG nicht zu. Die Zeit der Mittagspause ist bei der Ermittlung der für diese Zusatzgebühr maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer vollständig in Abzug zu bringen.
Der Senat teilt insoweit - nicht zuletzt auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der niedersächsischen Oberlandesgerichte in dieser Frage - die vom hiesigen 2. Strafsenat (Beschluss vom 10. Juli 2007 - 2 Ws 124/07, Nds. Rpfl. 2007, 385) und vom OLG Oldenburg (Beschluss vom 12. Juni 2007 - 1 Ws 310/07, AGS 2008, 177) sowie vom wohl überwiegenden Teil der Oberlandesgerichte vertretene Auffassung, dass die Zeit der Mittagspause unabhängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen ist (OLG Bamberg AGS 2006, 124; OLG Koblenz NJW 2006, 1149; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2006, 191; OLG München StRR 2009, 199). Die hiergegen vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers und des OLG Karlsruhe in der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung (AGS 2013, 573) überzeugen den Senat nicht.
Allerdings weist das OLG Karlsruhe zutreffend darauf hin, dass bei der Anwendung der Vergütungsregeln eine pauschalierende, eine kasuistisch orientierte Prüfung im Einzelfall weitgehend vermeidende Bewertung nach dem Willen des Gesetzgebers maßgebend sei, da die zusätzlichen Vergütungstatbestände "Pauschgebührencharakter" haben sollen. Gerade deshalb kann auf die jeweiligen individuellen Gepflogenheiten des als Pflichtverteidiger herangezogenen Rechtsanwalts im Hinblick auf die übliche Dauer seiner Mittagspause keine Rücksicht genommen werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass es nach allgemeiner Auffassung der Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber den Verfahrensbeteiligten entspricht, diesen zur Einnahme einer Mahlzeit und zur Erholung gegen Mittag eine Mittagspause zuzubilligen, und dass hiervon in der Regel auch alle Beteiligten bei einer über die Mittagszeit hinausgehenden Hauptverhandlung ausgehen (OLG Oldenburg aaO). Deshalb sind Mittagspausen anders als sonstige, verhandlungsbedingte Unterbrechungen auch für die beteiligten Rechtsanwälte regelmäßig vorhersehbar und planbar. Es kann daher keine Rede davon sein, dass damit dem Rechtsanwalt entgegen seinen persönlichen Wünschen eine Pause aufgezwungen werde. Es steht jedem Rechtsanwalt aufgrund der Vorhersehbarkeit einer solchen Mittagspause frei, sich in der nicht zur Nahrungsaufnahme und Erholung benötigten Zeit mit anderen Sachen zu befassen und die Zeit so sinnvoll im Rahmen seines Rechts zur freien Berufsausübung zu nutzen. Entscheidend ist, dass in dieser Zeit jedenfalls eine Hauptverhandlung nicht stattfindet und deshalb der Tatbestand, an den die Zusatzgebühr anknüpft, insoweit nicht erfüllt ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Vergütungsregeln einen eigenständigen "gebührenrechtlichen" Begriff der Hauptverhandlung im Sinn hatte, ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien.
Soweit der Beschwerdeführer als Argument bemüht hat, dass auch den anderen "professionellen" Verfahrensbeteiligten, wie etwa Richtern, Staatsanwälten und Protokollführern, die Mittagspause nicht von ihrer Vergütung abgezogen werde, kann auch dem nicht gefolgt werden. In Rede steht hier nicht ein Abzug von einer an sich verdienten Vergütung, sondern die Frage, ob dem Rechtsanwalt für eine Pause ein Längenzuschlag zur üblichen Vergütung zusteht. Dies ist bei Richtern, Staatsanwälten und Protokollführern ebenfalls nicht der Fall.
Es ist zwar misslich, dass der Gesetzgeber trotz des nunmehr schon mehrjährigen Streits über diese Frage bislang eine Klärung nicht herbeigeführt hat. Dies hat aber nicht automatisch zur Folge, dass der Ansicht des Beschwerdeführers zu folgen ist. Der Gesetzgeber hat die Regelungen über Längenzuschläge für bestellte Verteidiger in das RVG aufgenommen, um diesen den besonderen Zeitaufwand für anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren und sie nicht mehr auf die Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschvergütung zu verweisen. Diesem gesetzgeberischen Willen lässt sich weder für noch gegen die Anrechnung der Mittagspause etwas entnehmen. Zwar hat der Gesetzgeber an die obergerichtliche Rechtsprechung zur Annahme eines besonders umfangreichen Verfahrens im Rahmen der Prüfung einer Pauschvergütung angeknüpft, als er die Zeitrahmen für die Längenzuschläge festsetzte. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Mittagspause bei der Bestimmung des Verfahrensumfangs bestand aber bereits damals keine einheitliche Rechtsprechung (vgl. OLG Celle aaO; OLG Oldenburg aaO jew. mwN).
Die weitere Beschwerde war daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


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